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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0437

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heidnische Dichtungen anspielen. Wer die alten Dichter nicht
kennt, versteht Hieronymus, Augustinus, Lactantius und die
meisten anderen nicht. Und er führt Beda den Ehrwürdigen
an, der erklärt, daß manche Leute weltliche Schriften zum
Vergnügen lesen und um sich an den Erfindungen und der zier-
lichen Sprache der Dichter zu ergötzen, andere aber studieren
sie, um die Irrtümer der Heiden zu verabscheuen und das
Nützliche, das sie darin finden, zu den Zwecken der heiligen
Gelehrsamkeit zu verwenden. Diese studieren die weltliche
Literatur in lobenswerter Weiset)
Ebenso geringes Verständnis hat er für die Werke der
bildenden Kunst. Es stehen zwar Illuminatoren in seinen Dien-
sten^) und er warnt davor, die figürlichen Initialen weinenden
Kindern zu zeigen, die das Pergament mit feuchten Händen
beflecken^) aber die kostbaren illuminierten Handschriften der
großen Bibliophilen seines Zeitalters sind ihm ein Greuel. Er
lebt zur Blütezeit der Miniaturmalerei und jammert, daß man-
che Bücher zum Ausschmücken ungebildeten Malern ausgeliefert
und Goldschmieden anvertraut werden, sodaß die heiligen Ge-
fäße der Weisheit Gefäße für Goldblech werdend)
Die Autorschaft des Philobiblon steht nicht ganz einwand-
frei fest. Das Buch ist uns bis jetzt in 42 Handschriften bekannt,
unter denen eine kleine Gruppe von sieben Handschriften sich
befindet, die nicht Richard de Bury, sondern den gelehrten
Dominikaner Robert Holkot als Herausgeber oder als Ver-
fasser im Aufträge de Burys bezeichnet. Wie das Philobiblon
entstanden ist, wissen wir nicht. Vielleicht ist es eine Frucht
der Lektüren und gelehrten Tischgespräche, die de Bury mit
seinen Freunden täglich zu führen pflegte; denn er hatte als
echter Maecen eine Gesellschaft von bedeutenden Gelehrten
um sich versammelt. William de Chambre hat ihre Namen ver-
zeichnet: Walter Burley, der Verfasser des De vita et moribus
philosophorum, der doctor profundus Thomas Bradwardine,
Richard Fitzralph und manche andere. Auch Robert Holkot
gehörte zu diesem Kreise. Daß sein Name mit dem Philobiblon
verbanden worden ist, mag auf Tradition beruhen. Vielleicht
hat er Tischgespräche aufgeschrieben, was den Mangel an Ein-
1) Cap. XIII, S. LXIII ff.
2) XLVIII, 21.
3) LXXVIII, 28.
4) So fasse ich den Sinn von XXV 27 auf, in üebereinstimmung mit Nel-
son Seite 118, der die Stelle als versteckten Angriff auf den übertriebenen Lu-
xus in der Ausstattung der Bücher erklärt, die mit Malereien und Deckelbe-
schlägen aus edlem Metall verziert wurden. Dagegen sieht G. Kaufmann (Cen-
tralbl. f. Bibliothekswesen VI. 54 Anm. 1) in dieser Stelle eineAnspielung auf die
Vernichtung von Pergamenthandschriften in den Werkstätten der Goldschläger.
Aber aurifabri sind Goldschmiede. Der Goldschläger heißt bracteator, bracte-
arius oder bracteolarius. Auch bleibt bei dieser Auslegung die Rolle der pic-
tores unerklärt.
 
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