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Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben [Hrsg.]
Ulm, Oberschwaben: Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben — 1.1876

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Nr. 2
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Sittenbilder aus dem XVI und XVII Jahrhundert, [2]
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.52608#0022

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erzählt, dass während des Stechens zwei Schuh-
macher des Kaisers zu ihm gekommen seien,
um an des Kaisers Stiefeln etwas flicken zu
lassen. .Vischer zog einen der Stiefel an.
„Also hätt7 ich an meinem Fuss den Stiefel
des grossmächtigen Kaisers, den er hat ange-
hebt, da er zur Stadt hereinritt, er hats auch
wieder angehebt, als er hinausritt Freitag den
4 Heumonat Vormittags zwischen 7 und 8.
Also was ich an dem grechten Fuss ein römi-
scher Kaiser und an dem linken Fuss ein
schmalziger Schuhmacher. Da ich nun den
Stiefel wieder abzog, riss mir ein Haft am
Stiefel ein Loch in meine Hosen. Da sagte
ich zu des Kaisers Schuhmachern: also gat
es, wann ein schmalziger Schuhmacher ein
Kaiser sein will. Dess lacheten sie mein
gnug.“
Das letzte Mal war der Kaiser nach dem
Fürstenkrieg in Ulm, 1552 Sept. 3—G. „Sah
wahrlich übel krank, ganz still,“ schreibt der
Chronist, „es wurden weder trumetet und Heer-
pauken geschlagen, wiewohl sie da waren.“
Es ist bekannt, wie hoch Karl der Stadt die
Treue und den Muth, den sie in dem kriti-
schen Moment bewiesen hatte, anrechnete. Auch
Vischer weiss davon zu erzählen, wie der
Kaiser armen verbrannten Leuten auf dem Land
zu Letze gelassen 1200 Kronen an gutem
Gold, ferner die Armen im Siechhaus, im
Blatternhaus und im Spital mit Geld und die
Fundelkinder mit einer Mahlzeit beschenkte,
„das alles liat bezahlt Ulrich Ehinger von des
Kaisers wegen.“ Auch der kaiserliche Oberst,
der klein Hess, hielt sich damals hier auf;
ein Hauptmann der Fürsten, der beschuldigt i
war Geld genommen zu haben, dass er den
Oberst umbringe, wurde vor dem Thor hinge-
richtet. Herzog Christoph von Wirtemberg
war der Gast Eberhard Besserers, so lange
der Kaiser anwesend war. Er hatte 80 Pferde
bei sich und trug grüne Kleidung, dessgleichen
alle'seine Diener. Der Kaisei* war wie immer
in Schwarz gekleidet. So ist er auch auf
einem von allegorischen Figuren eingefassten
Bilde dargestellt, das sich, vielleicht eine Re-
liquie von Damals, in dem ehemaligen Hause

seines Wirths, dem jetzigen Festungsgouverne-
ment, befindet.
Im Sommer vorigen Jahrs hat dieses Haus
wieder einen deutschen Kaisersolm beherbergt.
„Ist ein gar treffenlicher Herr von Anselm“^
würde Meister Sebastian sagen, „und darbei ein
ganz gmeiner Mann, gnadet den Leuten, winkt
ihnen freundlich mit dem Kopf, welches ich
dann mit meinen Augen selbs gsehen hab.“

£ i t e r a t u r.
Ulm Aufenthaltsort von Humanisten. Adal-
bert Horawitz in seiner Schrift über Kaspar Bra-
sch ins (Prag-Wien 1874)veröffentlicht S. 234 ff
eine Anzahl bisher ungedruckter Epigramme des be-
rühmten Humanisten und Verfassers der Klostergeschichte
Deutschlands auf die Mitglieder des Religionsgesprächs
in Worms 1540/41, darunter zwei auf ulmische Persön-
lichkeiten. Das eine witzelt mit dem Namen und Titel
des Prädikanten Martin Frecht, Licentiaten der Theo-
logie. Das andere ist an Jörg Besserer, den Sohn und
Mitregenten Bernhard Besserers, gerichtet und lautet:
Erigere incurvos dum gaudes, docte Georgi,
Mores, non statuas non patienda vide.
Was ist unter statuere non patienda zu verstehen? Viel-
leicht dass Besserer dem Eifern Frechts gegen Sebastian
Frank den Mystiker und Buchdrucker schliesslich nach-
gegeben hatte? Es war hiebei wiederholt ohne Ver-
hör verfahren worden, was Frank als gegen gemeine
Ordnung und Brauch verstossend bezeichnete. Auch
hatte er geltend gemacht: der Magistrat habe genug ge-
than, wenn er grobe Laster strafe, Gewissen und Glauben
aber solle man jedem vor Gott frei lassen. Vgl. Keim
Reformation der Reichsstadt Ulm S. 273 ff. Im Jahr
1539 wanderte er unfreiwillig aus. Brusch aber scheint
kurz vorher mit dem merkwürdigen Mann näher bekannt
geworden zu sein. Er kam nach Vollendung seiner
Studien in Tübingen nach Ulm, wo er bei der Wittwe
des Reformators Sam schon früher als Gast geweilt
hatte, und liess bei Frank einige Schriften drucken, von
denen eine dem ulmischen Stadtschreiber Aitinger ge-
widmet war. „Hochinteressant wäre es,“ sagt Horawitz,
„wenn wir Nachrichten über die Beziehungen Bruschs
zu dem gewaltigen Feuergeiste besässen, der damals in
Ulm gegen die kleinen Duzendmenschen kämpfte. Gerne
denkt man sich den Jüngling im Verkehre mit dem viel-
erfahrenen Manne, der, wie selten einer, die Welt in
ihrem Wesen und in ihrem Wahn erfasste. Unsre Wiss-

1) Von demselben Gelehrten erschien neuestens Berl. 1875 eine
Monographie über den Ravensburger Humanisten Michael
Hummelberger, Verfasser einer griech. Grammatik ed. 1533.
 
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