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Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben [Hrsg.]
Ulm, Oberschwaben: Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben — 1.1876

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Nr. 4
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Sittenbilder aus dem XVI und XVII Jahrhundert, [3]
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.52608#0039

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33

bekannten Werk, in den Formen der Früh-
renaissance und sehr originell. „Denn die ge-

die Zeichnung ist sehr verblasst — von einem
Maler Paulus Willius herrührt.1)

Hienach waren die dargestellten Gegen-
stände folgende.
(Fortsetzung folgt.)

rade Giebellinie erhält durch abgetreppte Pfei-
lerstellungen, in deren Zwischenöffnungen aus-
p'ebauchte Säulchen den Architrav mit seinem
Ö
bogenförmigen Abschluss stützen, eine zierliche
Durchbrechung und Belebung.“ Es ist zu be-
dauern, dass Lübke bei der Beschreibung, die
er nun folgen lässt, nur von der jetzigen Ge-
stalt ausgieng und die frühere, wie es scheint,
nicht zu Gesicht bekommen hatte. Er nennt
das Rathhaus einen imposanten noch in der
Verstümmlung prächtigen und phantasievollen
Bau. Welchen Anblick mag derselbe aber erst
gewährt haben, als Architektur und Dekoration
noch ihre volle Wirkung ausübten! Das Erd-
geschoss war einst nicht blos die Nordseite
entlang gegliedert, durch Arkaden, deren flache
Bögen auf Rundpfeilern mit achteckigem Fuss-
gesims und Kapital ruhen. Auch die Ostseite
oder die Vorderseite war mit kanzelartigen
steinernen Vorsprüngen geschmückt, fünf klei-
neren, je mit einer in Kreuzrippen auslaufen-
den Nische und dem Standbild eines Kaisers,
und einer grösseren, die bis zum ersten Stock-
werk reichte. Doch da das Hauptabsehen offen-
bar auf Farbe und Dekoration gerichtet war,
so ist der Schaden, welchen gerade die Fresken
im Laufe der Zeit genommen haben, besonders
zu beklagen.
Schon vor mehr als hundert Jahren war
der Zustand derselben ein solcher, dass der
Konrektor Gotthard Haffner ein Gymnasial-
programm zu schreiben sich veranlasst sah,
betitelt: de externis aedificiorum et speciatim
curiae Ulmensis ornamentis (1766). Dasselbe
behandelt zwar nur die Gemälde der Ost- und
Nordseite, während auch die Südseite Reste
von Malereien zeigt. Immerhin kommt uns aber
diese Beschreibung jetzt, wo kaum noch das
eine und andere Gemälde einigermassen von
Wirkung ist und den Vorübergehenden zum
Stillstehen einlädt, sehr zu Statten.
Sodann aber ist uns eine noch ältere und
wichtigere Quelle erhalten, eine Federzeich-
nung der Ost- und Nordseite aus dem Jahre
1685, die, wenn ich den Namen richtig lese —

ß i t e r a t u r.
Reisenotizen über Oberschwaben aus dem An-
fang des vorigen Jahrhunderts. Die Solothur-
ner Zeitschrift Ur kund io theilt Bd. 2 S. 193 ff.
eine Reise mit, welche der Minorit Georg König im Ge-
folge des französischen Gesandten 1715 von Solothurn
nach Wien machte. Der Weg führte durch Oberschwaben.
Von Friedrichshafen heisst es: Buchhorn, ein kleines
Reichsstädtlein, stellet allerhand Gespäss an, hat vor sich
den See und anderseits Fruchtland, daher, als der
Schwed im Schwaben übel hauste, sagten sie, ihre
Stadt wäre unüberwindlich, weilen einerseits der See,
anderseits das Fruchtland, über welches zu gehen ver-
boten ist. Von Friedrichshafen fuhren die Reisenden
nach Lindau. Hier wurd alles Bagage aus dem Schiff
auf die Wägen geladen. Wir verreisten mit 4 Kutschen;
in der grössten oder Landkutschen waren 8 Page, dar-
vor 4 Pferd, folgens kamen 2 kleinere Kutschen, jede
mit 3 Pferd, 4 Personen. Von hier bis gegen Leutkirch
ist ein räucher Weg. In Wangen schlafete ich wegen
Mangel der Gliger bei dem Salzspeditor. Dieser Herr
war freundlich, einer seltenen Dicke, hatte wohl 10 Schuh
in der Dicke des Leibs, sonst schön von Angesicht, hat
uns Abends und Morgens alle Ehr erwiesen. Eine
Stunde vor Leutkirch wurde ein Theil der Reisegesell-
schaft umgeworfen. Monsieur Fosach fällte die Achsel
aus; ungeachtet seines Schmerzens war er sorgfältig für
sein Hündlein, Galan genannt, ob ihme nichts geschehen.
Dies haltete uns eine klein Stund auf; bald hernach
verfassten wir den wüsten Weg und kamen in einer
halb Stund auf Leutkirch. Kun fangt das schöne
Schwabenland an, in welchem nichts als Früchten und
was zum Bier tauget; hat die schönsten Ebenen, Schlösser,
Prälaturen. Bald war Ulm erreicht. Hab ich bei den
Wengen celebrirt, hab wenig von dem alten Kloster, so
ich 1685 gesehen, angetroffen, ist schier ganz und gar
neu, haben herrliche Gemahl in dormitorio, absonderlich

b Herr Maler Berger von Ulm hat sich bemüht,
die vortreffliche Zeichnung so vollkommen, als es ihr
Zustand gestattet, photographisch wiederzugeben. Mit-
glieder und Freunde können diese Vervielfältigung be-
ziehen zu dem Selbstkostenpreis von 60 J durch
die Expedition
L. Frey’s Buchhandlung.
 
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