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Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben [Editor]
Ulm, Oberschwaben: Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben — 1.1876

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Nr. 10
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Aus unsrer Sammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.52608#0087

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81

Aus unsrer Sammlung.
I.
Die Zunftgeräthe
bestehen in Meistertafeln, Zunftladen, Hand-
werkszeichen, Willkommkannen, Grabgeräthen.
Was die Meistertafeln betrifft, so haben
dieselben die Form von Wandschränken, die
gewöhnlich mit doppelten, auch dreifachen Flü-
gelthüren versehen sind, worauf die Porträts der
Meister in 01 gemalt sind, während das Innere
des Kastens gewöhnlich die Werkstätte dar-
stellt und das Äussere der Thüren durch man-
nigfache Verse zum Lobe des Handwerks ge-
ziert ist. Diese Schränke verdanken ihre Ent-
stehung wohl den früher in den Zunftstuben
aufgestellten Altären mit dem Bildnisse des
Schutzpatrons der einzelnen Zünfte. Die
Schreine mussten den Spruch der zugereisten
Gesellen u. s. w. aufnehmen, und wurden bei
solchen Gelegenheiten die Flügelthüren geöffnet,
welche sie von ihrer alten Form noch beibehal-
ten hatten. Von solchen Schreinen befinden
sich 17 in der Sammlung, der Zeit von 159G-
bis 1789 angehörend. Das älteste und interssan-
teste ist dasjenige der Färber vom Jahr 1596.
Das Innere des Kastens zeigt auf Holz gemalt
die verschiedenen handwerklichen Verrichtun-
gen nebst dem grossen Kniestück eines Meisters,
darunter 14 Meisterzeichen. Die Innenseiten
der Flügelthüren zeigen rechts 4 und links 3
Färber in schwarzer Tracht, darüber auf Bän-
dern Verse zu lesen stehen. Ein zweites inter-
essantes Stück ist dasjenige der Schneiderzunft
vom Jahr 1662, ronovirt 1783. Das Innere
zeigt 32 Meisterbildnisse bis 1700 und auf den
inneren Flügelthüren sind je 12 Bildnisse
gemalt. Die inneren Seiten der äusseren
Flügelthüren enthalten Darstellungen von
Werkstätten. Rechts erscheint ein reisender
Kaufmann in der Werkstatt, seine Waare an-
bietend, dabei stehen folgende Verse:
Die Gesellschaft wöll verzeihn
Mir dass ich so tritt herein
Ich hab schöne Libereyen
Die euch werden dienlich sein

Secht die schöne spitz und borten
Sagt mir was ihr braucht für Sorten
Dan ich habe all manier
Wie mans braucht zur Kleiderzier.
Antwort des Schneiders:
Ihr kommt eben recht gegangen
Meister Hans Jörg dann mir jezt
Euer warten mit Verlangen
Dan mir brauchen silberne spitz.
Ihr habt da gar scön manieren
Die die Kleider können zieren
Eure Kunst ist lobenswerth
Darum ihr billig seyt geehrt.
Links kommen ein nobel gekleideter Herr
und eine Dame in die Werkstatt, dabei die Verse:
Glück herein unglükh hinauss
Dass ich komm in euer hauss
Köndt ihr meister schöne Sachen
Praf frantzösisch Kleider machen
Ich und meine Dame hier
Wollen nur die neu Manier.
Antwort des Schneiders:
Der Monsieurs sey mir willkommen
Sampt der schönen Damen hier
Euer Begehr hab ich vernommen
Ich mach allerley manier
Was mein Herr nur wird begehren
Kann ich alsobald gewähren
Mein Herr ich bin auch bereit
Auffzuwarten alle Zeit.
Die Zunftlade bildete gewissermassen das
Heiligthum oder Symbol der Zunft, dieselbe
enthielt die Ordnungen (Gesetze) der Zünfte,
nebst den fortlaufenden Verzeichnissen der
Meister, zu- und abgewanderter Gesellen, der
eingetretenen und entlassenen Lehrlinge. Bei
den regelmässigen Versammlungen stand die
Lade inmitten der umhersitzenden Meister oder
Gesellen auf dem Tische; ihre Eröffnung be-
zeichnete den Anfang der feierlichen Sitzung,
ihr Verschluss den Beschluss derselben. Vor
ihr wurden alle amtlichen Handlungen verrich-
tet : die Aufnahme der Lehrlinge als Gesellen,
der Gesellen zu Meistern, die Wahl und Ver-
eidigung der Geschworenen und die Erledi-
gung der Streitsachen. Der Lade musste
Ehrfurcht bezeugt werden, wie der Zunft
selbst; war sie aufgethan, durfte man ihr nicht
den Rücken zuwenden, vor ihr kein Messer
entblössen, kein Fenster aufmachen, nicht
fluchen, nicht einschlafen u. s. w. Von solchen
 
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