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Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben [Hrsg.]
Ulm, Oberschwaben: Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben — 1.1876

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Nr. 5
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Sittenbilder aus dem XVI und XVII Jahrhundert, [4]
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Alte Sigelstöcke
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https://doi.org/10.11588/diglit.52608#0043

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37

Fortgang alles nehmen sollte, wer weiss es
nicht? Der Aufschwung des religiösen Lebens
erstarb auf halbem Wege; die Glaubensfragen
vermengten sich mit politischen Fragen; Selbst-
sucht, Brutalität, Roheit der Sitten, Üppigkeit,
zuletzt der dreissigjährige Krieg. Die Ge2
schichte der deutschen Renaissance, soweit sie
von Ulm handelt, lässt der Lokalforschung die
lohnende Aufgabe einer genetischen Darstellung
übrig. Es liessen sich dem Rathhaus wohl
nicht wenige zeitgenössische Häuser als Ver-
treter des besseren Geschmacks zur Seite
stellen. Das Massige, Burgartige oder auch
Vierschrötige kam erst gegen das Ende des
16. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der
allgemeinen Entartung auf und bewahrte sich
zwar manchfach eigenthümliche Schönheiten,
die heutzutage freilich trauern, aber für eine
naturgemässe Fortentwicklung des Rathhaus-
stils möchte ich Bauten dieser Art nicht halten,
der Geist ist entwichen, es ist Wachsthum in
die Breite. Wollen wir in wahrem Zusammen-
hang mit unsrer geschichtlichen Vergangenheit
bleiben, so werden wir auch in baulicher Hin-
sicht, wie noch in so mancher andern, in die
Periode des Übergangs von der Gothik zur
Renaissance zurückzugehen haben. Es ist ge-
gründete Hoffnung vorhanden, dass der Plan
einer Restauration des Rathhauses zur Aus-
führung gelangt. Hiezu möchten auch diese
Zeilen ein Scherflein beitragen.

Alte Sigelstöcke.
i.
Bei Aufhebung der kleinen Territorial-
herrschaften, insbesondere der innerhalb der
Gränzen des Königreichs Württemberg gelege-
nen Klöster, giengen bekanntlich eine Menge
von historischen Denkmälern und Alterthums-
gegenständen zu Grunde. So weit es nicht
Gefässe von edlem Metall oder Manuskripte
waren, für die man allein damals Interesse
hatte, wanderten die meisten Schätze in Privat-
hände als Andenken an die alte Herrschaft
oder zum täglichen Gebrauch. Daher kommt

es auch, dass die Gegenden um die alten
Klöster herum bis zum geringsten Ausding-
häuschen solche Gegenstände besassen und in
dem letzten Jahrzehent der Zielpunkt einer
Menge von Händlern wurden, die Haus für
Haus darnach absuchten, um die von der
jetzigen Generation von Besitzern gering ge-
schätzten Andenken an frühere Zeiten ans
Tageslicht zu bringen und auf den grossen
Alterthümermarkt zu werfen.
Zu den Gegenständen, die selbst bis in die
neueste Zeit hinein wegen ihrer Unscheinbarkeit
unbeachtet blieben, gehören die Sigelstöcke,
die früher massenhaft dem alten Eisen über-
liefert wurden. Diese Zeichen von Dynasten,
Herren, Klöstern, Gemeinschaften aller Art,
Zünften, Privatpersonen geben aber ein recht
deutliches Bild des herrschenden Kunststiles
und der Existenz von Vielem und Vielen, von
der man kaum mehr sonst etwas wüsste, wenn
die Sigelabdrücke nicht von den verbrannten
und zu Grunde gegangenen Urkunden häufig
abgeschnitten und als Spielzeug für Kinder
bewahrt worden wären. Gerade wie bei den
alten Kupferplatten und Holzstöcken waren
solche Abdrücke stets mehr beachtet und ge-
sucht als die Originale. Verf. d. hat es sich
angelegen sein lassen, die bei uns noch vor-
handenen Original-Sigelstöcke zu sammeln und
war die Ausbeute hinsichtlich der historischen
Stöcke nicht gerade gross, so wurde doch ein
Quantum von gegen 1000 Stücken in wenigen
Jahren zusammengebracht, von denen zwar
nur wenige über das 16. Jahrhundert zurück-
gehen, aus früherer und späterer Renaissance-
periode aber manche herrliche Werke der
Gravirkunst aufgewiesen werden können.
Sie gestatten mir hie und da einige von
diesen Sigelstöcken herauszugreifen und in
Ihren Blättern zu besprechen. Zunächst will
ich zweier Sigelstöcke erwähnen von Ihrem
Verein nahe liegenden Klöstern. Das eine ist
das grosse Convents-Sigel des Klo-
sters Zwiefalten. Bekanntlich hatten die
Convente ihre eigenen Sigel und unterschieden
sich diese von denen des Abtes. Die Con-
ventssigel wurden gebraucht bei feinem Inter-
 
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