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Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben [Hrsg.]
Ulm, Oberschwaben: Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben — 1.1876

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Nr. 6
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Schilling, Alb.: Ennetach
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https://doi.org/10.11588/diglit.52608#0054

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4.8

führtet. In dieser Kapelle befindet sich ein
über 10' hohes Bild des schmerzhaften Erlösers
von schöner Schnitzarbeit, von welchem die
Sage geht, dass es von einem Hochwasser
einst angeschwemmt worden sei. Eine Kloster-
frau von Habsthal, die vor dem Bilde ihre
Andacht hielt, liess beim Abschied in den ge-
falteten Händen des Erlösers einen Blumen-
strauss zurück. Als sie wieder kam, waren
die Rosen unverwelkt geblieben, denn die
Kapelle ist feucht. Der Ruf von diesem Wun-
der, das sich öfter wiederholte, erwarb der
Kapelle einen grossen Zulauf, und obwohl eine
von Bischof Keller verordnete geistliche Kom-
mission die Erscheinung auf ihre natürliche
Ursache zurückführte, so haben doch katho-
lische Herzen diesem Orte eine besondere
Pietät bewahrt, wie die vorhandenen Votiv-
tafeln beweisen. Das Frauenkloster zu Ennet-
ach, auch die Sammlung genannt, lag unweit
des jetzigen Spitals von Mengen, war eine
Montfort’sche Stiftung und gehörte dem Domini-
kanerorden an. Dei’ Haushalt der Nonnen
war nicht der beste. Ein gewisser Pater
Michael Puppele, vom Abt von Obermarch-
thal 1711 als Beichtvater gesandt, versuchte
im Einverständniss mit der Oberin Gold zu
machen und stürzte das Kloster in grosse
Schulden. Am Siechenbach liegt das heutige
Spital von Mengen, früher ein Siechenhaus.
Die christliche Wohlthätigkeit bedachte diese
schon 1305 erwähnte Anstalt von je reichlich
und selten wurde eine grössere Jahrtagsstiftung
gemacht, ohne dass auch die armen Siechen
ihren Antheil erhielten. Wenn sie um Al-
mosen baten, hielten sie, in schwarze Mäntel
gehüllt, den Vorübergehenden ein an einer
langen Stange befestigtes Beutelchen entgegen,
indem sie ihnen zuriefen: „Gib, geb, so lang
du liebst, lebst, wenn du nicht mehr liebst,
lebst, kannst du nicht mehr, gib, geb!“ Die
Kapelle des Siechenhauses wurde in Folge
stiftungsräthlichen Beschlusses, nachdem 1813
der Gottesdienst aufgehoben worden war, ab-
gebrochen. Unter dem Altarstein fand sich
eine alte Urkunde, welche vor der Zerstörung
der Kapelle mit der Drohung eines plötzlichen

Todes warnte. Als einige Mitglieder des Stif-
tungsraths rasch nach einander starben, erin-
nerte sich das Volk dieser Warnung.

£ 11 e r a t u v.
Ein zu Warthausen gerichteter Wiedertäufer.
Die merkwürdige Sekte der 'Wiedertäufer nahm um die
Mitte der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts zu
Zürich und am Oberrhein ihren Anfang. Verfolgt mit
allen Mitteln blutigster Gewalt, als deren erstes Opfer
Felix Manz den 5. Januar 1527 zu Zürich fiel, hat sie
sich dennoch in geläuterten Gestaltungen, wie z. B. in
der Kirche der Mennoniten, bis zu unsern Tagen herab
erhalten. Aus den Kreisen dieser Brüdergemeinden,
über deren Wesen man sich am Besten in der Geschichte
des Münsterischen Aufruhrs von Prof. Cornelius zu
München unterrichten kann, ist uns eine grosse Zahl
von Liedern erhalten. Die einen sind geistlichen Inhalts;
ihr Thema ist die Liebe, dieses Kennzeichen der Kinder
Gottes, die ewig bleibt, wenn der Glaube einst im Schauen
aufhört und die Hoffnung in der Erfüllung stirbt, die
Kreuz und Leiden mit Freuden auf sich nimmt, denn
) die um des Herrn willen verfolgt werden, sind die Be-
rufenen, die er unter den letzten Trübsalen vor seinem
' nahen Kommen um sich sammelt. Die anderen Lieder
i sind historischen Inhalts. Die Wiedertäufer führten in
ihren Gemeinden Buch über das vergossene Blut, man
I schickte. von Gemeinde zu Gemeinde, von Mähren bis
ins Niederland, Berichte über die standhaften Blutzeugen,
man besang in Liedern die Brüder, die freudig gestorben,
für ihre Feinde betend, Gott lobpreisend, bis die Flamme
ihre Worte erstickte. Freiherr von Liliencron hat
in den Abhandlungen der h i s t o r. Klasse der b a y r.
Akad. der Wissenschaften neuestens acht Lieder
der letzteren Art veröffentlicht, darunter eines betitelt:
„Ein liedt von unserm lieben brueder Hans Missei oder
Weber, den man zu Warthausen gericht hat, in des
Jerg Wagners thon.“ Es beginnt:
Merckht auff, ihr lieben brüeder mein,
ir frome alle sampt gemain,
wies geth in disen tagen,
, als uns thuet Christus unser herr
im evangeli sagen.
Da er zu seinen jungem sprach :
es wiert die zeit körnen hernach,
ir müest gehasset werden
umb meinetwill von jedermann,
gscholten auff diser erden.
Nit längst, fährt darauf das Gedicht fort, wirs
auch erfahren hand. Zu Schömer (d. h. Langen-
schemmern) ward ein Bruder gefangen, hiess Hans Misse,
seines Handwerks ein Weber. Als derselbige war ein-
 
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