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Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben [Hrsg.]
Ulm, Oberschwaben: Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben — 1.1876

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Nr. 7
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Kunst- und andere Notizen über Schussenried und Umgegend, [1]
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Sittenbilder aus dem XVI und XVII Jahrhundert, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52608#0060

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54

Ein Bauwerk von alterthümlicher Bedeutung
ist die Gottesacker-Kapelle. Die Kirche ist
mit abgeschmackten Zierraten überladen. Im
Anfang dieses Jahrhunderts bis in die zwan-
ziger Jahre wurden eine Menge Pferde am
St. Blasius-Tag aus der Umgegend nach Win-
terstetten geritten. Die Besitzer giengen in
die Kirche und der Kaplan gab ihnen den
Segen, für jedes Pferd wurde ein Simri Haber
geopfert.
(Fortsetzung folgt.)

Sittenbilder aus dem XVI und XVII Jahr-
hundert.
ui.
Visitation der filmischen Herrschaft durch
Jos Schad Richter, Christan Harder und
Ulrich Kaihart Unser Frauen Baupfleger und
Licentiat Martin Frecht. 1535.
K u c h e n.
Schulmeister: Des Prädikanten Lehr und
Leben dünke ihm gerecht; er halte den Kin-
derbericht1) jährlich viermal; man sollte in
die Schule eine deutsche Bibel kaufen, die
Kinder vermögens nicht, weil der Prediger so
tief predige. Der Amtmann halte schlecht ob
der Herren Ordnung, 2) sonderlich mit Trinken
und Gotteslästerung.
Zoller: D er Amtmann gehe nicht fast in
die Predigt, brauche zu viel Holz; der Schul-
meister gefalle ihm wohl.
Amtmann: Des Prädikanten Lebens halb
sei kein Mangel; wenn die Leute aus der
Predigt gehen, taste er sie gar hart an, pre-
dige die Woche viermal, sei in Strafung der
Laster grob genug, taufe nur, wenn er pre-
dige, vielleicht 20 Menschen gehen zum Nacht-
mahl, halte eine Ermahnung auf der Todten
Begräbniss, doch nur wenn er sonst predige,

0 Die Auslegung der vornehmsten Glaubensartikel
vor versammelter Jugend.
2) Der Kirchenordnung von 1531. Dieselbe enthielt
bürgerliche Strafen gegen gewisse Sünden und Laster.

spreche alle Sonntag die 10 Gebot und das
Vaterunser für, seine Hausfrau etwas frech in
Reden. Ob dem Schulmeister hab er keine
Klage, halte das Gesang in der Kirche, sein
Weib halte sich wohl. Weiss keine öffent-
lichen Hurer, Säufer, Spieler. Der Prediger
soll an der Kanzel gesagt haben: den Schützen
haben meine Herrn einen Vortheil gegeben,3)
aber den Armen geben sie langsam, der Teufel
dank’s ihnen. Durch 3 Almosenpfleger werde
das Almosen alle Sonntag ausgegeben. Der
Müller, der Täufer,4) habe den Eid geschwo-
ren wie andere Bürger, gehe aber nicht an
die Predigt. Sie haben keine geschworene
Hebamme.
Prädikant: Am Sonntag predige er aus der
Apostelgeschicht, an den Werktagen epistolas
Pauli. Am Amtmann kein Mangel, nur sei
er säumig Gotteslästerung und Füllerei zu
strafen. Unter der Predigt sitzen sie an den
Gassen und in den Wirthshäusern und richten
die Leut aus. Er ist gegen die Nothtaufe der
Hebammen, bittet die armen alten Leute des
Holzes halb zu bedenken. Beschwert sich des
kleinen Zehnten.5) Amtmann von Giengen
sei im nächsten Geleit allein zu der Amt-
männin zu Nacht gekommen und habe ganz
wüste Worte getrieben. Schlägt zu Super-
attendenten auf dem Land den Paulum (Beck)
zu Geislingen und den zu Scharenstetten vor.
Die Männer von der Gemeinde sind mit dem
Amtmann und dem Prädikanten zufrieden,
einige tadeln den Schulmeister, einige klagen,
dass der Herrn Ordnung so wenig gehalten
werde.
Altenstadt.
Amtmann: Es sei kein Prädikant da. Der
Schulmeister halte sich wohl, nur meinen einige,
er schlage die Kinder zu sehr, sein Weib soll
sich etwas argwöhnig halten. Der vorige Prä-

3) An die Schützen wurde wöchentlich Zinn oder
Geld zum Ankauf desselben vertheilt, weil sie nicht bloss
bei Schützenfesten die Stadt repräsentirten, sondern auch
im Krieg ihre Kunst bewährten.
4) Wiedertäufer.
5) S. u. Böhringen.
 
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