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Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben [Hrsg.]
Ulm, Oberschwaben: Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben — 1.1876

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Nr. 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.52608#0055

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49

gekehrt allda zu Leuten, die ihn gern wollten hören
von ihrem Heil, ward er verrathen zu Warthausen vor-
der Obrigkait. Die Frau schickte zur Stunde den Schrei-
ber mit sein Gesellen, dass sie den Bruder bunden und
bei der Nacht gen Warthausen führten. Und wie es
Tag ward, kamen viel der Pfaffen her, versuchten’s, er
soll abstehen, gelang ihnen aber nit. Da fragt die Frau
im Schloss die Pfaffen, sie sei eine Wittfrau, verstehe
wenig, wie in der Sach zu fahren, darum sollen sie
rathen ihr. Das thät ihn wohl gefallen.
Mit Herodias tochter zwar
dantzten sie umb das haupt und har
Johannes des vil froinen;
mit keisserlichen rechten frei
theten sie für her körnen.
dem todt sie in zuetailet han
aus neidt des bluetgierigen Sathan,
wies gieng von alters herre
auch Jesu Christo unsern herren
wol von den Phariseern.
Er aber warf seine Hände gen Himmel auf zu Gott,
lobte ihn für seine Wohlthat alle, insbesondere dass er
ihn dieser Stunde w-ürdig gemacht, und obwohl ihn der
Pfarrer und zuletzt noch der Henker ermahnten abzu-
stehen und sein Leben zu retten, wollt er doch aller
Dingen nit, gieng ganz willig an den Tod und behielt
frei das Feld.
Im tausend! und fünffhundert jar
im ein und sibenzigen zwar
hat sich das zuegetragen.
Die Frau, die in hat richten lan,
thet wenig freüdt erjagen.
Blaubeuren Hochaltar. Ulmer Münster. Band 2
Heft 2 der Schriften des Württ. Alterthums-
v er eins mit Aufsätzen von Finanzrath v. Paulus,
Archivrath Stalin, Diakonus Klemm, E. Eichler wird in
der Wartburg III, 9 äusserst anerkennend besprochen.
Für die Zwecke unsres Vereins sind besonders zwei Arbeiten
wichtig, Württ. Baumeister bis ums J. 1600 von Klemm und
die Inschriften und Heiligenbilder am Hochaltar und im
Chor der Klosterkirche zu Blaubeuren von Eichler. Beide
Herrn Vf. gehen von den Untersuchungen unsres f Kon-
servators Mauch aus und führen dieselben theils zu-
stimmend, theils polemisch weiter. Eichler nimmt mit
Mauch an, dass die Figur auf dem (heraldisch) rechten
Flügel des Blaubeurer Hochaltars nicht Syrlin, sondern
Herzog Eberhard I von Württemberg sei, verwirft aber
die Mauch’sche Rochushypothese. Was die ulmischen
Münsterbaumeister betrifft, so betont Klemm hauptsäch-
lich die Erforschung und Vergleichung der Steinmetz-
zeichen, und gewiss mit gutem Recht. Mögen unsre
Bauleute keinen Stein, -der eine solche Zeichenschrift
trägt, verwerfen! Möge durch ein Zusammenwirken von
Kräften eine kritisch genaue vollständige Erhebung der
über das ganze riesige Gebäude zerstreuten Zeichen zu

' Stande kommen! Die urkundliche Erforschung unsres
> Münsters ist freilich hiemit noch nicht erschöpft. Als
Beispiel kann schon die älteste Münsterrechnung dienen,
die zwar wiederholt abgedruckt, aber noch nie kommen-
tirt worden ist, daher auch von Klemm noch ein Meister
Michel als zweiter Münsterbaumeister ohne Bedenken
aufgenommen ist, wovon doch in der Urkunde keine
Silbe steht, wenn man ihren Wortlaut für sich und nach
dem sonstigen Sprachgebrauch der Hüttenrechnungen
genauer prüft.
Amores Söflingenses. Unter diesem Titel bewahrt
die ulmische Stadtbibliothek eine Anzahl von Originalen
j erotischer Liedlein und Brieflein, welche aus der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts stammen und die Clarissinnen
' von Söflingen angehen. Die unerfreulichen Zustände
dieses Klosters, wie sie in ihnen zu Tage treten, sind,
soweit nöthig, von Schmid in seinen Denkwürdigkeiten
der Reformationsgeschichte Ulms, von Keim u. a. dar-
gestellt worden. Wenn daher gleichwohl die sonst ganz
inhaltsleeren Schreibereien neuestens vonBirlinger in
seiner Alemannia III. 1. 2. umfänglich veröffentlicht
worden sind, so ist zu vermuthen, dass sie dem Heraus-
geber von einiger sprachlichen Wichtigkeit zu sein
schienen. In der That folgt auf der letzten Seite des
3. Hefts unter der Aufschrift „zur Sprache der Amores
Söflingenses“ ein Kommentar, der freilich kaum die Ober-
fläche streift und wohl mehr den Zeitvertreib des Lesers
als sein Bedürfniss im Auge hat. Ein Text, der so vielfach
zweifelhaft ist, wie der vorliegende, hätte einer kritischen
Feststellung, einer Erklärung des oft halsbrechenden
Sinns dringend bedurft. Der Herausgeber sagt, er habe
die Stücke in ihrer ganzen graphischen Verwilderung
wiedergegeben und so lautet bei ihm der Anfang eines
der Liedlein:
Wanschlicher lust,
all fröd und sonst,
send immer ann dich u. s. w.
Vergleicht man aber das Original, so lautet dasselbe:
Wenschlicher lust
all fröd umsonst
send mier aun dich u. s. w.,
d. h. alle Freuden wünschenswerther Lust sind für mich
umsonst ohne dich. Dieser Fall vermeintlicher Schw-ie-
rigkeiten kehrt auch sonst wieder, z. B. bei dem angeb-
lichen Kosewort suzelin, das, sobald es richtig gelesen
wird, ein nichts weniger als unbekanntes Wort sein
I dürfte. Was wir aber am wenigsten billigen können,
ist, dass des Öftern mehr oder weniger Unleserliches
ohne Weiteres ausgelassen w’orden ist.

ff f f e r f e t.
Abt Blarer von Weingarten f 1562, durch seine
politische Thätigkeit wohlbekannt, hat sich auch als
Dichter versucht. Zeugniss hievon ein Gedicht über den
 
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