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Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben [Hrsg.]
Ulm, Oberschwaben: Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben — 1.1876

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Nr. 12
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Wintterlin, August: Der Münzfund von Sigrazhofen
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Hartmann, Julius von: Volksetymologisches aus dem Vereinsgebiet
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https://doi.org/10.11588/diglit.52608#0107

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— 10 t

höhten Kreisen: f MONETA . SANCTI . I
GALLI. Perlrand.
1 Stempel mit 5 und einer mit 3 Stücken.
Abb. s. M. Taf. V, Nr. 99.
Gew. 6 St. 2,82 grm.
Stuttgart. A. Wintterlin.

Volksetymologisches aus dem Vereins-
gebiet.
Von Professor Dr. J. Hartmann.
Angeregt durch das schöne Büchlein „Uber
deutsche Volksetymologie“ von Karl Gustaf
Andresen, Heilbronn 1876, habe ich viel hie-,
hei’ gehörigen Stoff aus Schwaben und Franken
zusammengetragen und daraus der Geislinger
Versammlung an Peter und Paul Einiges mit-
getheilt. Dies soll nun, dem Wunsche der
Redaktion entsprechend, auch hier niedergelegt
werden.
„Das Völk liebt seine Sprache, es lebt mit
ihr wie mit einem treuen Kameraden; aber
doch wird sie allmählich ihm unwillkürlich
fremder. Als die ältesten Menschen ihre Spra-
chen, zumal ihren Wortvorrath, schufen, war
ihnen die Herkunft und der Entstehungsgrund
jedes Wortes klar bewusst. Aber je mehr Ge-
schlechter sich im Laufe der Zeit folgten, desto
dunkler und verschwommener wurde die im
Volke lebende Überlieferung über die Abstam-
mung der Wörter, so dass heute das Volk nur
von der wenigsten Wörter Herkunft sich Re-
chenschaft zu geben weiss. Nur die gelehrte
Forschung vermag das Dunkel zu lüften, das
sich über die Sprache gebreitet hat. Doch
das Volk gibt seinen Anspruch, die Worte zu
verstehen,-nicht ohne Weiteres auf; was es
nicht versteht, macht es sich verständlich; was
ihm an Kenntniss fehlt, muss der Mutterwitz
ersetzen und nun — biegt’s nicht, so bricht’s.
Es ist aber das Volk blossen Meinungen nicht
sehr hold, es greift lieber sofort zu Thaten.
Es beruhigt sich nicht bei seiner Überzeugung,
wenn es den Ursprung eines dunklen Wortes
gefunden zu haben meint, sondern bildet das
Wort ohne viele Umstände so um, dass sein

vermeintlicher Ursprung deutlich zu Tage tritt.
Diese „Volksetymologie“, wie man sie passend
genannt hat, vergleicht sich gut der Volks-
justiz, die gleichfalls rasch, ohne sich um das
Strafgesetzbuch zu kümmern, ihren Spruch
thut und ausführt.“ (L. Schwabe, Über Volk
und Sprache. Stuttgart 1876. S. 22 f.)
Das also deutende, zurechtlegende und um-
bildende Volk setzt sich zusammen aus Gebil-
deten und Ungebildeten, Gelehrten und Un-
gelehrten ; nicht selten bis auf diesen Tag
haben „die Lateiner“, wie unser alter Freund
D. alle Wissenden, Lehrenden, Schreibenden
kurzweg zu benennen pflegte, den Wörtern,
namentlich den Ortsnamen, gleich viel und
noch mehr Gewalt angethan, als das nur deutsch
redende „Volk“. Auf des letzteren Seite wird
jedenfalls die reichere Phantasie, der bessere
Witz und Humor zu suchen sein. So in den
mehr oder weniger alten Sagen über die Ent-
stehung der Namen Hörvelsingen (hör viel
singen; in Wirklichkeit von einem Hariulf
oder ähnlich genannten Mann), Erolzheim (er
rollt’s — das Rad — heim; in Wirklichkeit
von einem Erolt, Herolt), Schreikapelle (vom
Jammergeschrei in der Pestzeit, wogegen Ba-
zing Ulm—-Oberschw. 1872 S. 28 nach Bensen
und Maurer schrei, gschrei, schrain für alte
Gerichtsstätten nimmt, — vom Ausschreien,
Pranger? Schmeller 2, 592 -— Birlinger, Aus
Schwaben 1, 474 das mhd. schrega, Stangen-
einfriedigung, und schraejen = hageln ver-
gleicht), Wettis, O.-A. Tettnang (jetzt wett’
-—- wollt’ — i’s), Wurzach (Ach, nur noch
eine Wurz), Auendorf (Ganslosen sei au a
Dorf), Laushalde im Blauthal, Laustanne, O.-A.
Leutkirch u. s. f. (allerlei Neckereien mit pe-
diculis, statt von Loos, verloostem Grund und
Boden) Laurenbühl, Leutk. (Ritterfräulein
Laura, statt horchend, ausschauend wachen).
Ob in den nachstehenden gelehrten Deu-
tungen alles Ernst, oder auch ein Gran Schalk-
heit mit enthalten ist, wer weiss es? Ulm
— V. (quintae) L(egionis) M(ansio) oder
V. L(egio) M(anlii); Drackenstein, O.-A. Geis-
lingen = Dracuina bei Ptolemäus; Planken-
thal, O.-A. Riedlingen = planctus Alamanno.
 
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