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Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben [Hrsg.]
Ulm, Oberschwaben: Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben — 1.1876

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Nr. 7
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Sittenbilder aus dem XVI und XVII Jahrhundert, [5]
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Kuriosa
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https://doi.org/10.11588/diglit.52608#0062

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56

gegeben; er lasse Urtheile beschliessen und
thue nach seinem Gefallen, öffne und schliesse
das Thor wies ihm beliebe; in der Völlerei
dürfe sich ihm niemand nähern; er halte nicht
auf der Herren Ordnung, gehe am Sonntag
auf die Jagd; wenn man im Gericht nicht
nach seinem Willen spreche, so wünsche ei'
einem die Warzen und Franzosen.
Der Pfleger Johann Ehinger erhält allge-
mein ein gutes Zeugniss; dessgleichen die
Prädikanten Paulus Beck und Thomas (äusser
vom Vogt).
Mit dem Schulmeister ist man mässig zu-
frieden.
Götzerei wird noch viel getrieben. Im
Hause Johann Hennenbergs wahrscheinlich noch
Messe. Der alte Pfarrer habe noch immer
schriftlichen Verkehr mit Geislingern, katho-
lische Prädikanten, darunter Jerg Nafftzer,
seien aus dem Wirtembergischen wieder zurück
gekommen und stärken die Päpstler.
Laster der Trunkenheit sehr im Schwang.
Zu Orgensteig 8) ein beinahe öffentliches
Hurenhaus.
Die Kastenvögte lassen sich von den Bauren
schmieren.
Uber den Burgvogt9) Ulrich Neithart,
der gestand, dass er von den Prädikanten
nichts sagen könne, weil er sie nicht höre,
klagen die Prädikanten, dass er die Leute vom
Nachtmahl abhalte.
Dem Bettelherrn Hans Bantieon gefällt
das Wort Päpstler von den Prädikanten nicht.
(Fortsetzung folgt.)

JCuriosa.1)
i.
Unsern frdl. Gruss zuvor. Sonders 1. Herrn!
Betreffend die Geburt und Tauf
eines newgeborenen Kinds sexus
dubii.
Als jüngst bei einem newgebornen Kind in allhie-

8) Rorgensteig.
9) Vogt der Burg Helfenstein.
’) Nach Mittheilung des Herrn Pfarrers Pfizen-
meier in Hörvelsingen aus dem dortigen Kirchenbuch.

sieger Herrschafft, an dessen sexu man zu dubitiren ge-
habt hat, die Frag auf die Bahn kommt und Einem
Wohllöbl. Magistrat vorgelegt worden, ob nicht der-
gleichen Kind ohne Aufschub zu Hauss privatim sine
impositione nominis getauft und hernach erst, wenn es
der Hr. Medicus für diesen oder jenen sexum erkennt,
bei dessen Präsentation und Tauf-confirmation in öffent-
licher Kirchen ihme ein gewisser Name beygelegt wer-
den könnte und sollte, erstwohlgedachter Ein Löbl.
Magistrat aber ein solches nicht vor practikabel an-
gesehen, sondern dargegen, in konformität eines ein-
geholten theologischen Bedenkens , darvon zu abstra-
hiren und die Veranstaltung machen zu lassen resolviret,
dass bei dergleichen sexu dubio, wo zumal das Sentiment
der Herrn Medicorum nicht in Zeiten beygebracht wer-
den kann, denen newgebornen Kinder ein solcher Nam,
der sich auf beederley Geschlecht richten lässt, als e. g.
Christian, Johannes, Gottlieb, welche in die Namen
Christina, Johanna, Gottliebin allenfalls ohne Änderung
des Namens verwandelt werden können, bey der Heyl.
Tauf (so niemalen privatim und zu Haus, nisi in casu
necessitatis, sondern allezeit publice und in der Kirchen
solle administriret werden), je nachdem man meint, dass
es ein Mascula oder Femella seye, beygeleget werden
solle, bis gleichwohlen die Zeit ein Mehreres anzeig und
die Herrn Medici ihr Sentiment darüber gegeben haben,
als haben wir solches ohne längeren Anstand und da es
an Gelegenheit, diese Materi füglich mit anhangen zu
können, gemanglet, zur gebührend Nachricht und Vor-
halt hiemit intimiren wollen, umb sich in gleichem er-
eignendem casu, so wohl bey dene publiquen als im
Fall der Noth denen Privat-Taufen reguliren und so-
thaner Verordnung nachgeleben zu können.
Wormit wir denen gesummten Herrn unter allseitiger
göttl. Schirms Erlassung mit günst. und frdl. Willen zu-
gethan verbleiben.
Sig. Ulm d. 30. Aprilis anno 1709.
Pfarr-Kirch enbaw-Pflegamt.
2.
Unsern frdl. Gruss zuvor. Sonders 1. Herrn!
Betreffend die Geburt und Tauf
eines newgebornen monströsen
Kindes von zweyen Gesichtern
aber nur einem Kopfe, 4 Armen
und 4 Füssen, in Altheim ge-
schehen, aber todt zur Welt
kommen ist.
Bey dieser Gelegenheit hat man zugleich wegen
einer ohnlängsthin in der Herrschaft (Altheim) ereig-
neten monströsen Geburt, da ratione derselben die Frag
einkommen, wie ein Geistlicher bey einer dergleichen
(quod quidem Deus in posterura avertat), wenn dieselbige
lebendig an das Tageslicht käme, sich wegen der Tauf
zu verhalten haben möge, aus einem dessentwegen ab-
geforderten und erstatteten theologischen Bedenken, das
 
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