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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Mängel der gegenwärtigen kirchlichen Kunstthätigkeit in Deutschland, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0190

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327

1889. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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für kleinere Meister. Dafs viel Unvollkommenes
und Unverständiges, manch' Einseitiges und
Thörichtes produzirt wurde, lag in der Natur der
Sache. Hier wurde das Nebensächliche betont,
dort das Schematische gepflegt, das eine wie
das andere mifsverstanden; hier artete der Nach-
ahmungstrieb in Verknöcherung, dort die Sucht
nach Originalität in allerlei Willkürlichkeiten aus.
Manches von dem, was im ersten Eifer geschaffen
wurde, verdient noch jetzt Anerkennung, fast aus
Allem aber spricht ernstes Streben und guter Wille.

Wenn man nach diesen achtungswerthen und
verheifsungsvollen Anfängen heute, da seitdem
ungefähr ein halbes Jahrhundert vergangen ist,
nach den Fortschritten fragt, die inzwischen auf
diesem Wege des Anschlusses an die mittel-
alterlichen Kunsterzeugnisse gemacht worden
sind, so wird die Antwort auf diese Frage
keine sehr befriedigende sein. Freilich sind
auf einzelnen Gebieten, z. B. dem der Glas-
malerei- und Eisenschmiede-Kunst, auch die
allgemeinen Fortschritte ganz unverkennbar und
sehr erfreulich; freilich sind einzelne Künstler,
zumeist solche, welche den Anfängen der Be-
wegung näher gestanden, auf dem längst be-
tretenen Pfade mit grofser Konsequenz und mit
reichem Erfolge fortgeschritten, — fortdauernde
glänzende Beweise für die Richtigkeit des Weges.
Leider sind aber diese Fortschritte nicht so
allgemein, wie sie höchst erfreulicherweise auf
anderen Gebieten konstatirt werden können,
z. B. auf dem der Kirchenmusik, die jetzt fast
in ganz Deutschland nach einheitlichen Grund-
sätzen im alten Geiste wieder gepflegt wird.
Wie Vieles fehlt an dieser Einheitlichkeit der
Grundsätze und der Ausführung noch auf den
anderen Kunstgebieten! Wie oberflächlich sind
da vielfach die Anschauungen, wie getheilt die
Meinungen, wie willkürlich die Bestrebungen,
wie unbedeutend die Leistungen!

Eine Verständigung ist da nicht nur noth-
wendig, sondern auch dringlich. Ihr mufs aber
eine Prüfung der Hauptmängel voraus-
gehen, an welchen die gegenwärtige kirch-
liche Kunstthätigkeit in Deutschland
leidet. Diese Prüfung ist weder eine leichte,
noch eine dankbare Aufgabe. Wenn sie aber
mit bestem Wissen und Gewissen, mit aller
Mäfsigung und Objektivität nur im Interesse
der Wahrheit versucht wird, dann darf dieser
Versuch auf das Vertrauen rechnen, welches
hier für die Verständigung nicht entbehrt

werden kann. Die Mängel liegen ohne jeden
Zweifel auf beiden Seiten, auf derjenigen der
Besteller, wie auf jener der Künstler.

Zu den Bestellern zählen in erster Linie
die Geistlichen, sodann die Kirchenvor-
stände, in gewissem Sinne anch die Ober-
hirten. —

Die letzteren, um mit diesen zu beginnen,
haben wie das Recht, so die Pflicht, über die
kirchliche Kunstthätigkeit in ihren Sprengein
zu wachen und zwar nicht blofs, indem sie t
Unkirchliches ausschliefsen, sondern auch indem
sie den richtigen Kunstanschauungen in Theorie
und Praxis, in Wissenschaft und Leben Eingang
und Geltung zu verschaffen suchen. Einen all-
gemein gültigen und mafsgeblichen Kanon dieser
Grundsätze gibt es nun freilich nicht und es
kann sogar auf dem kirchlichen Kunstgebiete
in dem einen Lande etwas zulässig sein, was
in anderen Ländern, die eine wesentlich andere
Kunstentwickelung durchgemacht haben, bean-
standet, ja bekämpft werden rm'fs. So ist z. B.
die sogen. Renaissance in Italien, wo sie aus
nationalen Verhältnissen herausgewachsen ist,
ganz anders, viel milder zu beurtheilen, als in
Deutschland, wo sie vielmehr den nationalen Stil
(wenn auch nicht nach der Intention aller Be.
theiligten) tendenziös und gewaltsam verdrängen
sollte. Es kann also nicht die Aufgabe der Ge-
sammtkirche sein, eine gewisse Richtung zu pri-
vilegiren, einen bestimmten Stil vorzuschreiben.
Wohl aber dürften vielleicht die Bischöfe eines
Landes sich in dieser Hinsicht über gewisse
Grundsätze verständigen und ihre Geistlichen mit
bestimmten Anweisungen versehen können. Die
Mittel, über welche sie zu diesem Zwecke ver-
fügen, sind ja mannigfach: Eigene, klare und
zweifellose Stellung den verschiedenen Richtun-
gen und Schulen gegenüber unter stetigem Hin-
weis auf die Bedeutung des Mittelalters und seine1'
Kunstschöpfungen; Unterweisung ihrer Alumnen
an den Universitäten und in den Seminarien durch
ernstlich vorgebildete zuverlässige Dozenten;
Gründung von aus Geistlichen und Laien be-
stehenden Kunstgilden mit möglichst auf das
Praktische gerichteten Bestrebungen; Beeinfli's'
sung der Neubauten und Restaurationen, wie
sämmtlicher Anschaffungen durch eine wohl-
unterrichtete, zielbewufste, einheitlich wirkende
Kommission; Einrichtung, wenigstens Förderung
einer in bestimmter Richtung sich bewegendei
mit den besten Werkstätten eng verbundenen
 
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