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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Buß, Georg: Berliner Gobelins, [1]
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Statsmann, Karl: Bruno's Heim, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0055

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Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

März-Heft.

dieser Lohnsumme treten an sonstigen Ausgaben für Verwaltung
und für Material 2^50 Frcs. hinzu, so daß sich der Gesammt-
betrag für den Quadratmeter auf rund H500 Frcs. beläuft. Trotz
alledem macht der Staat mit den Gobelins keine Geschäfte, sondern
er verschenkt sie an befreundete Höfe
oder schmückt mit ihnen öffentliche
Gebäude und, zur Empfehlung der
Kunst und Kunstindustrie Frankreichs,
die Räume seiner Botschaften und
Gesandtschaften im Auslande. Zur
Zeit werden in seinem Aufträge
Wandteppiche für das Mdson, die
Tomsdie Franoaise und die National-
bibliothek nach Vorbildern von
Galland, Ehrmann, Mazerolle und
Blanc gewebt. Allerdings nimmt
die Manufaktur statutenmäßig auch
von Privatpersonen Bestellungen auf
Gobelins an. Da aber solche Auf-
träge selten eingehen, so begnügt
man sich mit dem indirekten Nutzen,
den die Manufaktur insofern bringt,
als sie dem französischen Kunst-
gewerbe zum Ruhme und zur Em-
pfehlung gereicht.

Unter der Förderung der Krone
und des Staates ist die pariser Ma-
nufaktur der Gobelins seit ihrer im
Jahre s662 durch Tolbert erfolgten
Gründung wie eine feste Säule be-
stehen geblieben, während die Gobelin-
Manufakturen anderer Länder längst
dahin gesunken sind. Die Manu-
faktur zu Brüssel, der Abkömmling der berühmten flandrischen
Webereien, in denen einst die viel gefeierten Arazzis her-
gestellt wurden, schloß ihre Pforten für immer im Jahre
s78H; die Gobelin-Webereien Italiens, jene zu Ferrara, Florenz,
Venedig, Modena, Torregio, Perugia und Neapel, sind nicht

mehr vorhanden; nur jene im »Ospi^io äi 8uu Lliobsls" ^
Rom, welche im vergangenen Jahrhundert Papst Tlemens XI.
(s72s— s730) gegründet hat, führt mit einem einzigen Haute-
lisse-Stuhle seit s870, da das Hospiz in die Verwaltung des

Staates überging, noch ein Schatten-
dasein; auch eine durch Pius IX.
im Jahre s870 eingerichtete Werk-
statt im Vatikan, in der zur Zeit
unter Leitung des Ehevalier Pierre
Gentili acht Mädchen den alten
Gobelin-Besitz des Vatikans aus-
bessern, kann nicht in Betracht kom-
men. So besitzt in unseren Tagen
die pariser Manufaktur mit ihren
57 besoldeten Webern und s6 Stühlen
gleichsam das Monopol für Gobelins,
es sei denn, daß man auch noch die
vom Staat unterhaltene Werkstatt
in Beauvais mit ihren Gesellen
und die s5 Privat-Manufakturen in
Aubusson, die gegen 2000 Arbeiter
beschäftigen, gelten läßt. Aber her-
vorzuheben ist, daß im Gegensätze
zu der in Paris betriebenen Haute-
lisse - Weberei in Beauvais und
Aubusson Basselisse gewebt wird.
Aus den Privat-Manufakturen zu
Aubusson gehen vornehmlich die viel-
fach im Handel vorkommenden Wand-
teppiche mit großen Baumparthien
und kleiner Figurenstaffage hervor,
die durch das Vorherrschen blaugrüner
Farbentöne in ihren Kompositionen
auffallen. Mögen auch diese Aubussons, für die der moderne
Dekoratör nach Kräften schwärmt, gut und wirkungsvoll sein, so
halten sie doch mit den meisterlichen Hautelisse-Webereien der
Staats-Manufaktur in Paris keinen Vergleich aus.

Wurde im Vorstehenden der pariser Manufaktur gleichsam

Abbildg. 28. HauPt-EiiMNg zur Girard'schk» Uersnh.-Ges., Philadelphia.

d^uno's Meim.

Plauderei über Innen-Dekoration von Karl Statsmann. fFortsotzg.a.d. Januarheft.»

nteressant ist, in welcher Weise sich gerade in der
erwähnten Vaterstadt Bruno's Kunstschätze eingebürgert
und erhalten haben. Die Stadt war lange Zeit Sitz
der französischen Gesandtschaft, zugleich Sitz des Malteserordens
und verschiedener Klosterorden. Es war üblich, daß von den
Söhnen der Patrizier die einen dem geistlichen Stande, die anderen
dem weltlichen, vornehmlich dem Offizierstande unter des pracht-
liebenden Ludwig XIV. Regime sich widmeten. Hierdurch blieben
die Traditionen der patres innerhalb der Familien gewahrt und
zugleich ihr Einfluß auf Kirche und Staatswesen. Den fürstlichen
Hofhaltungen nach französischem Muster entsprechend, entfaltete
sich bis zum Ende des s8. Jahrhunderts in den begütertsten
Familien ein hoher Luxus, dessen Spuren noch heute erkennbar
sind und welcher sich auch bis in die Ausstattungen der Kirchen
erstreckt hat. Hiervon zeugt der prächtige und hochwerthige Dom-
schatz in Reliquarien und Paramenten.

Ich gebe zu, daß ein ungeübtes Auge der Eindruck einer
vornehmen oder luxuriösen Innen-Ausstattung von Wohnräumen
verblüffen und befremden, vielleicht auch wenig befriedigen muß.
Erst die genauere Kenntniß der Geschichte der Alterthümlichkeiten,
der gewerblichen Techniken, der Stile, wird Jenen das Geschaute
verständlicher und schmackhafter machen, ja, sie werden sich nach

Hebung des Geschmackes sogar heimisch fühlen unter Kunstwerken.
Zu einem befriedigenden Betrachten einer mit Kunstwerken aller
Art ausgestatteten Wohnung ist es allerdings nöthig, daß eine
ordnende und mit Verständniß geführte Hand das Heterogene
gruppirt und nicht durch Fülle, sondern durch weises Abwägen
und Maßhalten eine Harmonie hervorzubringen sucht. Man ver-
gleicht solche Ausstattungen oft mit Museen. Ganz recht! Kann
man aber nicht auch Museen behaglich gestalten, so daß man in
denselben heimisch wird? In der bescheidenen Bürgerswohnung
wird sich ein Anhäufen von Kunstobjekten von selbst verbieten,
und es würde auch ihrem Karakter nicht entsprechen. In den
reicher dotirten wird eine ordnende Hand, ein maßvoller Schön-
heitssinn schon die rechten Grenzen finden.

Bruno verstand das nun ausnehmend. Die Mobilien und
alle Einrichtungen schauten so drein, als seien sie für den ihnen
angewiesenen Platz geschaffen und als könnten sie weder anders
sein noch stehen. Im Großen und Ganzen herrschen ruhige,
noble Linien vor, in Dessins, Rahmen, Mobilien, und der zumeist
vertretene Stil aus dem Ende des s8. Jahrhunderts fügt sich
wohl in den Geschmack der vornehmen bürgerlichen Wohnung.
Nicht allein aber gewählte Formen, Altehrwürdiges bei noblem
Modernem, schöne Gruppirung aller Theile und dezente Farben
geben einer Wohnung ein gewinnendes Aussehen, sondern noch
ein Anderes ist's — und daran hatte die bescheiden in Hintergrund
tretende Wirksamkeit der Frau Hertha Schuld: allüberall herrscht
peinlichste Ordnung und Sauberkeit. (Aber all das hat ja ein
 
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