Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

DOI Artikel:
Mielke, Robert: Aus nordafrikanischen Fürsten-Schlössern
DOI Artikel:
Zimmermann, Ernst: Das venezianische Kunstgewerbe der Gegenwart, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0124

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Leite HO.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Zuni-Heft.

architektonische Gedanke hier keinem Verständniß begegnet, zuckt
es an allen Leiten auf in blendenden Geistesblitzen, die bald hier,
bald dort in ornamentalen Einzelheiten sich an dem dürren kon-
struktiven Gerüst emporranken. Wo immer auch der Fuß eines
Eroberers zerstörend hintrat in dem
Lande von Tripolis bis zu den
Läulen des Herkules, immer wieder
wuchs hinter ihm diese Kunst
empor, die Schloß auf Schloß baute,
gleichviel ob sie morgen wieder in
Trümmer sanken, die bauen mußte,
weil das vergängliche Material auf
der einen Leite dazu zwang, und
weil das Naturell der Völker auf
der anderen dazu lockte. Zn keinem
Lande ist Macht so an Glanz ge-
bunden wie hier, in keinem aber
sind beide so rasch verflogen wie
in dieser Heimath der Gegensätze.

Vor einigen Jahrzehnten errichtete
sich ein Bey von Tunis mit dem
Aufwand von einigen sO Millionen
einen Palast, nur einige Kilometer
von dieser Ltadt entfernt. Nach
wenig Zeit starb er und sein Werk
zerfiel, da kein Fürst in dem Hause
wohnen will, in dem sein Vorfahr
gestorben; heute steht die Riesen-
anlage, Mohamedija, als moderne
Ruine, ihres Schmuckes brutal be-
raubt vor den Thoren der Ltadt.

Das ist karakteristisch für Nord-
afrika; es bezeugt, wie die vielen
Schlösser entstanden sind, die von der großen Lyrrthe bis nach
Marokko hin zu treffen sind; es bezeugt aber auch, wie bei dem
Fehlen baukünstlerischer Grundsätze sich doch eine so volksthüm-
liche Kunst erhalten konnte.

Die Fürstenschlösser von Nordafrika, von denen ich die zu

Grunde meiner Ausführungen lege, welche in den Städten von
Tripolis bis zur Stadt Algier noch vorhanden sind, stammen
fast alle aus unserem Zahrhundert; sie sind aber so übereinstim-
mend unter einander gebaut, daß man eine uralte Neberlieferung

annehmen muß, die fast unmittelbar
an die Antike anknüpft. Wie diese,
hat auch das islamitische Haus im
afrikanischen Litoral einen Hof,
um den es die Räume gruppirt,
ja es kann als eine muhamedanische
Abwandlung des Mittelmeerhauses
überhaupt betrachtet werden. Die
einzige Abweichung besteht darin,
daß es aus eine Fassadenentwicke-
lung verzichtet, wenn man von
dem Eingangsportal absieht, das
häufig, selbst bei kleinen Hütten,
besonders liebreich ausgeführt ist.
Die Abbildung Nr. l38 (Straße
Bu Krissan in Tunis) zeigt diese
schöne Art der halb römischen
Monumentalumfassung und der
überaus prachtvollen Nägelorna-
mentik der Thür in ihrer schönsten
Ausbildung, welche ein ehemaliges
Pascha-Palais in Tunis schmückt.
Diese Nägelornamentik—bisweilen
sind die Köpfe noch gravirt — ist
von so bestrickendem Reiz, daß ich
sie zu den schönsten Blüthen der
orientalischen Kunst überhaupt rech-
nen möchte. Zn Tripolis über-
wiegt noch die Umrahmung — kein
Wunder, denn man plünderte einfach das benachbarte Leptis —
nach Westen wird dann in den Städten die Holzthür immer reicher
in dieser weise geschmückt, bis sie in Tunis, das zum größten
Theile aus Trümmern des römischen Karthago aufgebaut ist,
sich zur vollsten Pracht entfaltet. Zch vermuthe, daß dieses

Abbildung Nr. 134. Salon aus Schloff Hydra.

Das venezianisch^

-Munstgewerbp der LH egenwart.

von Ernst Zimmermann.

enedig war in den großen Zeiten der Renaissance, da
noch einmal ein echt antikisch-heidnischer Geist mit
aller seiner naiven Fröhlichkeit und Sinnenlust die ver-
feinerte Welt Ztaliens durchzog, die Stadt des Reichthums, des
Luxus pur sxosllsrws. Durch das Andrängen der siegreichen
Türkenmacht von ihren Unternehmungen in die Ferne zurück-
gedrängt, durch die von Natur aus unübertrefflich günstige Lage
der Stadt in ihrer Heimath vollauf gesichert, und dann im Besitze
unermeßlicher Schätze, welche der friedliche Handel und die kriege-
rische Eroberung in der nie bezwungenen Stadt zusammengebracht
hatten, gelangten seine Bewohner wie von selber dazu, die Stätte
ihres Daseins mit allem, was ein gesteigerter Luxus erfinden kann,
zu umgeben und, da es im Zeitalter des reinen Geschmackes
geschah, auch wirklich zu veredeln. Damals war Venedig für
die Welt das elegante Paris des s6. Zahrhunderts, das seine
Moden dem Auslande übermittelte; damals entwickelten sich hier
mit sonst kaum gesehener Eile die großen und die kleinen Künste
zur vollsten Blüthe. Kaiser und Könige rissen sich um die Wette
darum, die großen Künstler für ihre Dienste zu gewinnen, die
schönsten Erzeugnisse des Kunsthandwerkes für sich zu erwerben.
Wer überhaupt an Luxus dachte, wandte sich an die Kaufleute,

die mit Venedig handelten. Zn dem deutschen Volkslieds dieser
Zeit ist Venedig die Stadt märchenhaften Reichthums und Glanzes.

Das heutige Venedig verhält sich zu allem diesem nur noch
wie ein verblaßter Schatten. Der Reichthum ist verschwunden
und mit ihm der Luxus, die hohe Kunst mit Tiepolo und piazetta
in ihrer schier unerschöpflichen Kraft doch endlich versiegt, und
nur die Kleinkünste, das Kunstgewerbe, haben sich dank dem neu-
erwachten Nationalgefühle der Ztaliener und zugleich dem prak-
tischen Sinne dieses Znselvölkchens mit aller Energie von Neuem
aufgerafft, haben, man darf es wohl sagen, ihr früheres Niveau
bereits aus allen Gebieten wieder erreicht und sind dabei zu einem
ausschlaggebenden Faktor in dem Leben und Treiben, selbst in
der Physiognomie dieser Stadt geworden. Auf dem Markusplatze,
nicht mehr wie einst, dem Mittelpunkte einer großen, weitumfassenden
Politik, breiten sich jetzt unter den weltbekannten Arkaden der
prokuration in den Läden, Fenster an Fenster, die kostbarsten, von
einer früheren, großen Kunstepoche eingegebenen Erzeugnisse aus.
Zu dem müßiggehenden Venezianer gesellt sich hier der Fremde
mit seinen wohlgefüllten Taschen. Was hier dargeboten wird,
wandert in der Letzteren Hände und damit aus Venedig hinaus.
Venedig, das einstmals in erster Linie zur Befriedigung der eigenen
Luxusbedürfnisse schuf, ist jetzt nur noch die Lieferantin fürs Aus-
land. Das ganze Ztalien vermag ja in seiner Armuth heute
nur knapp die wichtigsten Forderungen des unmittelbaren Be-
dürfnisses zu befriedigen.

Unter diesem Gesichtspunkte, d. h. mit dem Ausblick auf
 
Annotationen