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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Butz, Georg: Berliner Gobelins, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0064

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März-ksefl.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite


(Schluß von Seite Zy.)

lerlmer Wovelins.

von Georg Bu

2 eben dem Weben neuer Gobelins wird in der Manu-
faktur ganz so wie in der pariser, noch ein anderes
sehr wichtiges Geschäft betrieben: das Reinigen und
Ausbessern alter Gobelins. Die Mehrzahl der H6 Weberinnen ist
mit dem Ausbessern, einer vortrefflichen Vorübung für die spätere
Arbeit am lhautelisse-Stuhle, beschäftigt. Das Reinigen, welches
nach dem Ausklopfen und Bürsten der
Gobelins vornehmlich mit kaltemWasser,
dann mittelst Dampfstrahl betrieben
wird, erfordert verhältnißmäßig wenige
Kräfte. Die Leistungen sind geradezu
bewundernswerth — mehrhundertjäh-
rige Gobelins, deren ehemaliges Kolorit
unter einer dicken Staubkruste verborgen
ist, so daß sie nur schmutzig braun und
grau erscheinen, und deren Gold- und
Silberfäden gänzlich oxydirt sind, er-
stehen unter sachgemäßer Behandlung
wieder zu neuer Farbenpracht und
Schöne, ohne daß irgendwelches Bleichen
der Farben oder eine Schwächung des
Gewebes stattfände. Auch das eigen-
thümliche Zusammenschrumpfen alter
Gobelins, das die Wirkung selbst der
kostbarsten Arbeiten beeinträchtigt, wird
beseitigt. Und nun das Ausbessern!

Vor zwei Jahrzehnten wurden einige
Gobelins aus dem Lharlottenburger
Schloß zum Ausbessern einer schwe-
dischen Anstalt für Kunststopferei über-
geben. Aber sie kamen zurück in einem
Zustande, daß jener vor der Ausbesse-
rung entschieden vorzuziehen war. Ge-
genüber dieser fragwürdigen Leistung
muß das Können der Berliner Manu-
faktur geradezu vollkommen genannt
werden. Sie verfährt mit größter Ge-
wissenhaftigkeit, künstlerischem Verständ-
niß und technischem Geschick. Zunächst
wird der angelieferte Gobelin auf

Farben empfindlicher Platte fotografirt, dann erfolgt seine Rei-
nigung, und nunmehr wird seitens eines Künstlers eine farbige Vor-
lage für diejenigen Stellen angefertigt, die sich als ausbesserungs-
bedürftig Herausstellen. Ist das geschehen, so wird, wenn noth-
wendig, jedes schadhafte Stück aus dem Gobelin herausgeschnitten,
dieser, so weit es nothwendig, in einen horizontal liegenden Rahmen
gespannt und dort, wo sich die durch Ausschneiden entstandenen Lücken
befinden, mit neuen Kettenfäden versehen. Die Vorbereitungen sind
beendet, und die Weberinnen können ihre Arbeit mit den Gobelin-
fäden nach genauer Anweisung und Vorzeichnung des Künstlers
beginnen, und zwar verfahren sie ganz so, als ob sie an dem

Abbildung Nr. HS. Veiderivandstotk für Wandbespannung.

kjautelisse-Stuhle mit senkrecht aufgehängter Kette die Fäden ein-
schlagen. Die auf diese Weise hergestellten neuen Stücke fügen
sich völlig harmonisch dem älteren Gewebe ein. Ls handelt sich
also bei diesem Ausbessern nicht um Stopfen, sondern um wirk-
liche Gobelintechnik. Daß solche mühsame Arbeit nicht leicht ist,
sondern größter Geschicklichkeit und scharf blickender Augen bedarf,
ist erklärlich. Aber alle Mühe wird ausgewogen durch die hoch-
erfreuliche Thatsache, daß es aus diese Weise gelingt, kostbare
Werke alter Kunst, die dem Untergange verfallen zu sein scheinen,

wieder in einen Zustand zu versetzen,
der sie nochmals einige Jahrhunderte
überdauern läßt.

So hat sich denn auch die Krone
die neue Berliner Manufaktur zu Nutzen
gemacht — sie läßt den in den König-
lichen Schlössern noch vorhandenen Be-
stand an kostbaren Gobelins einer
gründlichen Reinigung und Ausbesse-
rung unterziehen. Vornehmlich ist das
geschehen aus Veranlassung Vr. Paul
Seidels, des Direktors der Königlichen
Kunstsaminlungen.

Line derartige Auffrischung des
kostbaren, alten Besitzes ist um so noth-
wendiger, als dieser im Laufe unseres
Jahrhunderts gerade keine glimpfliche
Behandlung erfahren hat. Beispiels-
weise hing im Vorzimmer der einst
von der Königin Luise im Lharlotten-
burger Schloß benutzten Wohnung eine
Folge von Gobelins mit Don Quijote-
Szenen nach LH. Löypel, meisterliche
Arbeiten der pariser Manufaktur, die
man, weil sie zu groß waren, einfach
umgeschlagen hatte. Aus einem anderen
großen Gobelin war ein Stück in Größe
eines Quadratmeters und im Werths
von ^sOOOMk. herausgeschnitten worden
wegen einer — Thür! Noch andere
Gobelins fanden sich im Berliner Schloß
vernachlässigt und vergessen in der
Rumpelkammer. Sicherlich, es war
die höchste Zeit, daß dieser Besitz an
Gobelins, der einen Gesammtwerth von mehreren Millionen
Mark darstellt, dem Verfall entrissen wurde.

Zur Zeit wird in der Berliner Manufaktur an der Reinigung
und Ausbesserung aller dieser Wandteppiche, unter denen sich auch
sechs der oben erwähnten Mercier'schen Gobelins mit Darstellungen
der Thaten des Großen Kurfürsten befinden, eifrig gearbeitet.
Aus der Reinigung sind bereits in neuer Schöne die wundervollen
Gobelins nach Boucher hervorgegangen, die den großen Speise-
saal der Kaiserlichen Wohnung im Berliner Schloß schmücken.
Ls sind 8 große Wandteppiche von je 20 und 5 schmälere von
je s2 Quadratmeter Fläche. Sie gehören zu den besten Leistungen,
 
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