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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Walsch, Ignatz: Antiquitäten als Zimmer-Dekoration
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Bötticher, Georg: Amerikanische Tapeten
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0220

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Seite s66.

Gktober-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

das Zimmer mehr den Eindruck einer Festung oder einer alten
Raubritter-Burg, als eines gemächlichen Wohnraumes. Hat man
ein paar alte, wirklich schöne Waffen, dann hänge man dieselben
im Herrenzimmer auf und ordne dieselbe auf dunkelem Stoff-
hintergrund, von dem sich das blanke Metall vortheilhaft abhebt.

Ein sehr schöner, leider aber zu wenig verwendeter Zimmer-
schmuck sind alte schmiedeeiserne Geräthe. Alte Supraporten,
Wandarme, Laternen und Gebrauchsgegenstände sind wohl würdig,
ihrer ursprünglichen Bestimmung gemäß wieder verwendet zu werden.

Sehr beliebt und vielfach vorhanden sind alte Messing-
Arbeiten, die in Holland gefertigt wurden und für Speisezimmer
und Vorhallen passend verwendbar sind. Besonders häufig finden
sich alte Leuchter, Blaker, Kaminständer. Vornehm in der Wir-
kung sind alte Bronzegeräthe, Uhren rc., die auch in den Empfangs-
räumen Aufnahme finden können.

Ueberall unterzubringen sind Lackarbeiten, die in so verschie-
denen Ausführungen erhalten sind, daß sich dieselben zu jedem
Interieur passend finden.

Der Umstand, daß Kunst und Kunstgewerbe früher ungetheilt
Eines waren, nöthigt uns, unsere Arbeit von den kunstgewerb-
lichen Antiken auch theilweise auf die rein künstlerischen hinüber
zu leiten. Es gibt einige dieser Arbeiten, bei denen eine Trennung
auch gar nicht möglich ist, so bei der Porzellanmalerei, bei Email,
Mosaik und bei bunter Majolika, wie sie beispielsweise in Italien
(Urbino, Gubbio) in höchster künstlerischer Vollendung gefertigt
wurden. Auch an Holzschnitzarbeiten süddeutscher Meister gibt
es viele, die über das Handwerksmäßige hinaus sich in das Gebiet
der hohen Kunst begeben haben. Natürlich müssen derartige
Arbeiten, wie jedes Kunstwerk, voll exponirt werden, Reliefs in
Rahmen, die zum Karakter der Reliefs passen — für italienische
Majolika Leder, mattes Holz oder matter Stoff — Gefäße, wie
vorher schon bemerkt, auf Säulen, kleinere Gefäße auf Konsolen.

Ueber die Aufstellung von Skulpturen und Bildern Vor-
schriften geben, hieße Eulen nach Athen tragen. Wer ein antikes
Kunstwerk zu würdigen weiß, wird leicht auch den geeigneten
Platz finden und in jedem Falle das Kunstwerk nach dessen Eigenart
plaziren, denn nichts ist der Kunst mehr zuwider, als die Schablone.

Das gilt auch, trotz obiger Anweisungen für die Vertheilung
kunstgewerblicher Antiquitäten. Die Anweisungen sollen nur einen
Anhalt bieten, nur den Pfad weisen; das Ziel muß der Wanderer
selbst finden. Alles künstlerische Empfinden ist subjektiv, und
künstlerisch Empfinden ist für die geschmackvolle Durchführung
eines Interieurs erforderlich, ganz besonders aber dort, wo es
gilt, Altes und Neues zu verweben und den Weg herzustellen
zwischen Jetzt und Einst.

Murerikanische 'Mapeten.

von Georg Bötticher.

-W^uächst den Engländern, die in der neuen Richtung unzweifelhaft
an der Spitze marschiren, darf den Amerikanern aus
kunstgewerblichem Gebiete und nicht zuletzt in der Tapeten-
fabrikakion, zumal was dekorative Wirkungen bei ein-
fachen Mitteln betrifft, entschieden Lob gespendet werden.
Noch hat sich da drüben nicht (wie bei den Engländern z. B.)
der allgemeine Geschmack zu einem ganz bestimmten Stil heraus-
gearbeitet, wenn er auch auf bestem Wege dazu ist! Aber ein
anderes, immerhin nicht zu unterschätzendes Verdienst darf Amerika
für sich in Anspruch nehmen. Von ihm zuerst ging die Anregung
aus, die Bemusterung der Wandfläche minder dicht, freier, ein-
facher, ruhiger in den Formen zu gestalten. Mögen praktische
Gründe — Ersparniß an Stecherei und Farben — Veranlassung
zu dieser Auffassung gegeben haben, die Thatsache ist unleugbar,
daß der amerikanische Fabrikant es war, der zuerst Tapeten in
den Handel brachte, die mit erstaunlich wenigen Formen und

Farben eine gewaltige Wirkung machten. Geschah dies anfangs
unter Anwendung einer ziemlich rohen Formengebung, die nicht
eben wählerisch aus allen möglichen Stilarten entlehnte, so hat
sich doch nach und nach auch in dieser Hinsicht der Geschmack
dort sehr verfeinert und heute ersehen wir aus den Musterkarten
der großen amerikanischen Fabriken mit Staunen, wie gewandt,
sicher und verständnißvoll man dort seine Wahl unter den Mustern
englischer, deutscher, französischer und einheimischer Zeichner trifft.
Was die besseren Fabriken produziren, selbst in den Stilarten
solcher Epochen, die den Amerikaner in seiner Entwickelung gar
nicht beeinflußt haben, hat Hand und Fuß und darf sich neben
den guten europäischen Erzeugnissen in Ehren sehen lassen.

Was aber die amerikanischen Muster vor den europäischen
geradezu auszeichnet, ist eben jener große, freie, auf bedeutende,
einfache und klare Wirkung gerichtete Zug, dessen wir schon
anfangs gedachten.

Vor uns liegt die Musterkarte der New-Yorker Firma
Fr. Beck L Lo. — Saison s893/9^- Diese Karte enthält eine
, Anzahl Muster in französischem Stil: Rokoko, Marie-Antoinette,
Empire rc., die das eben behauptete vollauf bestätigen. Selbst
wenn — wie anzunehmen — französische Künstler die in Rede
stehenden Muster entworfen haben sollten, muß jeder Kundige
zugeben, daß diese Muster hinsichtlich der freien, großwirkenden
Art der Vertheilung und Behandlung einen ganz besonderen, von
den französischen Mustern abweichenden, Karakter zeigen, der
eben der amerikanische ist. Diese Erscheinung erklärt sich dadurch,
daß der amerikanische Fabrikant, wenn er auch bei fremdländischen
Künstlern seine Muster bestellt, letzteren doch, durch Angabe seiner
! Wünsche dem betreffenden Zeichner gegenüber, seinen Stempel
aufzudrücken weiß. Ganz entschieden sind die ausländischen
Musterzeichner, die für Amerika entwerfen, genöthigt, sich der
amerikanischen Eigenart bezüglich der Hauptsache: der Wirkung,
unterzuordnen. Beweis dafür ist der eminente Karakter, um nicht
zu sagen Stil, der allen besseren amerikanischen Erzeugnissen des
Kunstgewerbes anhaftet.

Liebenswürdiger, einschmeichelnder und selbstverständlich echter
! im Karakter der Epoche mögen die Muster der französischen
Tapetenfabriken sein — besser in ihrer Wirkung an der Wand,
j ruhiger und wohlthuender vertheilt sind sie gewiß nicht, eher
haftet ihnen eine gewisse Kleinlichkeit in der Wirkung, eine Un-
j bekümmertheit und Rücksichtslosigkeit bezüglich der Wiederholung
an,-—Eigenschaften, die überhaupt das französische Muster selbst
in seinen virtuosesten Erscheinungen tief unter das englische —
und auch unter das amerikanische — stellen.

Die in Amerika beliebte Dekorationsweise begünstigt solche
größere, freiere Verzierungsart, oder vielleicht hat auch die Lust
an dieser jene erzeugt. Die Amerikaner kennen nicht unsere Börtchen
von Hand-, ja Fingerbreite; ein mächtiger Fries schließt die Tapete
nach oben ab, zur Decke überleitend, die nicht, wie bei uns so
häufig, mit einem kaum sichtbaren Müsterchen, sondern mit klar
hervortretenden, der Wandtapete entsprechenden Formen in großer,
freier Linienführung bedeckt ist.

Mit wenig Mitteln größtmögliche Wirkung zu erzielen, wirb
immer ein Grundsatz aller, und also auch der dekorativen Kunst
bleiben. Und in dieser Hinsicht sind die amerikanischen Tapeten
für uns entschieden beachtenswerth. Sie sind es auch in koloristischer
Hinsicht: die Tönung ist ähnlich der englischen — hell und doch
nicht stumpf, farbig und doch harmonisch. So ist also Vielem
aus ihrer Betrachtung zu lernen und unseren Kunstgewerbetrei-
benden wird das Studium dieser Formen gewiß mancherlei An-
regung bieten. Zwar erheben gewisse Deutschthümler jedesmal,
sobald man auf eine fremdländische Erscheinung aufmerksam macht
und sie zum Studium empfiehlt, ein Zetergeschrei, aber unseres
Erachtens ist es eine sonderbare Bethätigung des Patriotismus,
von Fremden nichts lernen zu wollen! n°ch'- Taxet-n-Zeitung.
 
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