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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Schliepmann, Hans: Fenster-Ausbildungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0153

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Juli-Heft. Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration. Seite sfZ.

Monster, -Musbildungen.

von tjans Schliexmann.


>s ist vielleicht keine allzukühne Behauptung, daßj'die
eigentliche Baukunst mit der Schöpfung des ersten
Fensters begonnen hat. Im Höhlenbau, im Zelt aus
Fellen, Matten oder palmblättern gab die Eingangsöffnung dem
Tageslichte so viel Einlaß, als es eben gerade gehen wollte.
Der Urmensch war zufrieden,
sobald seinen primitivsten Be-
dürfnissen genügt war. Es
setzt entschieden einen nicht uner-
heblichen Rulturgrad voraus,
bis man daran dachte, für
das Eindringen des Tages-
lichtes, für die Verbindung
des Wohnraumes mit der
Außenwelt besondere Geff-
nungen zu schaffen. Es war
eines der ersten Luxusbedürf-
nisse, obwohl ja natürlich auch
die realen Bedürfnisse: im
Inneren des Raumes arbeiten
zu können und die Gegend
rings um die Behausung
herum von innen beobachten
zu können, bei der ersten An-
ordnung von Fensteröffnungen
mitgesprochen haben.

Immerhin gibt erst die
Erfindung des Fensters die
Möglichkeit, einem abgeschlos-
senen Innenraum auch künst-
lerische Form zu verleihen,
denn erst mit dem Lichte dringt
die Poesie der Form und der
Farbe in das Innere. Wie
wunderbar diese Poesie auf
das Gemüth zu wirken ver-
mag, dessen werden wir erst
inne, wenn wir uns der höchsten
künstlerischen Ausbildung des

Fenstermotives gegenübersehen: den Glasgemälden einer mittel-
alterlichen Aathedrale. Und es ist merkwürdig, wie ungemein
wenig wir sonst im Allgemeinen ähnliche Wirkungen hervorzu-
bringen suchen.

Für das bürgerliche Wohnhaus nach der üblichen Schablone
ist das Fenster immer noch nichts Anderes, als das Loch in der
Mauer, durch welches das Licht und die Luft in den Raum
gelangt. Ein dunkles Gefühl, daß dieses Loch eigentlich riesig
kalt und todt und geschmacklos ist, läßt uns zwar irgend einen
Stoffbehang darum wickeln. Aber der stopft eigentlich nur die
Lichtquelle etwas zu und gehört seiner Idee nach gar nicht
nothwendig zum Fenstermotiv; seine ästhetische Wirkung beruht

Abbildung Nummer ;so. Treppen-Anlage i. e. amerik. Kaufe.

fast lediglich auf dem „wohnlichen Eindruck", den Stoffbehänge
ganz allgemein machen und auf einem primitiven Dämmerungs-
reiz; denn unser farbenscheues Publikum hält ja z. B. bereits
den rosigen Vorhang nicht mehr für „wohlanständig", da er von
gewissen, in der Wahl ihrer Mittel nicht mehr befangenen Damen
zur Erhöhung ihrer Reize benutzt wird.

Ist es dann aber eigentlich nicht ein merkwürdiges Zeichen
für die allgemeine Aunstscheu, daß man es für „anständiger"

hält, nicht alles Mögliche
zu thun, sich selbst und seine
Umgebung so schön, wie's
nur gehen will, zu gestalten?
Fast möchte man an die liebe
Eitelkeit appelliren, um die
ersten Spuren von Aunstsinn
in breiteren Areisen zu wecken!
Ist es unseren Damen noch
niemals ausgefallen, daß
Maler und Fotograf ganz
besondere Beleuchtungen schaf-
fen, um ein günstiges Bild
einer Person zu erhalten?
Muß nicht also die Zimmer-
beleuchtung eine ungünstige
sein? Und kann diese Er-
kenntniß nicht dazu führen,
daß wir endlich darauf achten
lernen, welche Reize man durch
eine künstlerische Anordnung
der Lichtquelle in unseren
Räumen zu erzeugen vermag?

Nur die Macht der Ge-
wohnheit läßt uns darüber
hinwegsehen, wie unkünstle-
risch im Allgemeinen die
Fenster - Anordnung unserer
Wohnräume ist. Eine heilige
Tradition, die einst in den
Palästen der Renaissance und
des Rokoko eine gewisse Be-
rechtigung hatte, schreibt nun
einmal die zwei Fenster mit
dem „Trumeau" dazwischen für jede „gute Stube" vor; der Herr
Architekt und Maurermeister macht deshalb das ganze Schneider-
kunststück seiner Hausfronten von vorn herein nach dem fest-
stehenden Schema, daß sich alle 2,5 bis Hm die doppelt so hohen
als breiten Löcher wiederholen, und klebt nach dem Besitzstand
des Eigenthümers nur hier weniger, dort mehr möglichst kribbeligen
und schwerfälligen Stuckkram um diese Löcher.

Es ist deshalb von vornherein ungemein schwer, irgend etwas
aus dem modernen Miethshausfenster zu machen, zumal es von
innen stets roh in die Mauer gefügt ist, da der schützende Gardinen-
behang ja doch als selbstverständlich vorausgesetzt wird.

Nicht ganz so traurig sieht es mit dem Villenbau aus, wo
 
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