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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Schulze, Otto: Die Zimmerdecke und ihre Beziehungen zum Raum [1]
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Statsmann, Karl: Architektur und Innen-Dekoration, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0244

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Leite s86.

Zllustr. kunstg ewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Dezember-Heft.

sich bildete. Ver- oder Bekleidungen aus Gründen der Aalte,
Hitze, Glätte, Durchsichtigkeit, des Durchzuges oder auch des Ab-
schreckenden liegen außerhalb unserer Betrachtung. Für uns kann
es sich nur um die ersten Punkte handeln und zwar insofern, als
wir in dem Endergebniß der Bekleidung ein Dekorationsmoment
zu erblicken haben, das unsere Aufsas-
sungsthätigkeit wesentlich verschiebt.

Mein unvergeßlicher Lehrer,

Professor Alexander Schütz ff s892
zu Berlin), dessen Ausführungen in
seinen Borträgen über „Plafonds,
ihre sinngemäße Gestaltung und künst-
lerische Ausschmückung" ich hier im
Wesentlichen folge, ist leider nicht zur
Vollendung seines geplanten Werkes
„Die Geschichte der Znnen-Dekora-
tion", in welchem auch Aesthetik und
Stil erschöpfend behandelt werden
sollten, gekommen. Wir hätten gerade
in dieser Beziehung Bedeutendes er-
warten dürfen, schien er doch als
Architekt und Schüler Jakob Burck-
hardts, als feinsinniger Aenner italie-
nischer Architektur und Dekoration in
erster Linie berufen, uns mit einem
derartigen Werke zu beglücken. Was
Schütz erstrebte, hat die „Zeitschrift
für Znnen-Dekoration" unbewußt aus-
genommen und allgemeinverständlich
Fachgenossen und Laien in Wort und
Bild übermittelt, und so will auch
ich versuchen, dem von der Redaktion
gestellten Thema im Sinne meines
Lehrers gerecht zu werden.

Die ursprünglichste Aunst-Decke haben wir uns als ein
gespanntes, bortenumsäumtes Tuch zu denken, das auch für die
antike Stroterendecke — Decke mit kastenartigen Vertiefungen der
Steinbalken, sogenannte Aassettendecken der griechischen Tempel —

dem textilen Prinzip nach vorbildlich geblieben ist. Von der
ägyptischen Aunst an bis hoch in die kirchliche Aunst des Mittel-
alters ist dann im Sinne des freien Schwedens das Firmament
in seiner Farbe und mit seinen Erscheinungen: Sternen, Sonne,
Sternbilder, Thierkreis) und Vögeln für die flache Decke sowohl

als für das Gewölbe dekorativ
schmückend verwerthet worden. An
den Steindecken der ägyptischenTempel-
hallen prangen Sterne, befittigte Son-
nen und flügelschlagende Adler; noch
bekannter sind die spitzgestrahlten
Goldsterne auf blauem Grunde in
den griechischen Aassettendecken —
Theseus-Tempel zu Athen —; eine
Deckenmalerei der Aapelle St. Katha-
rina, Assisi, zeigt eine rosensörmig
gestaltete, in verschiedenen Farben des
Spektrums kolorirte und in goldene
Strahlen auslaufende Sonne aus
blauein Grunde, der mit Sternen
besät ist; auf Gewölbedecken in Airchen
der byzantinischen Zeit erscheint dann
der aus dem Regenbogen thronende
Heiland, umgeben von Seraphimen,
Engeln und Thierkreisbildern; in der
^os-äsmig, zu Venedig zeigt eine Flach-
decke in quadratischen Feldern acht-
flügelige Seraphime auf blauem
Grunde. Die Frührenaissance in
Italien greift dann neben Engeln zu
vegetabilen Motiven, wir sehen Laub-
zweize mit Blumen, Früchten, Vögeln
zwischen spielenden Aindern in den
Deckenmalereien; die Decken der Hoch-
Renaissance und des Barock steigern diese Motive in raffinirtester
Weise bis zu jenen realistischen Lustdecken mit Wogengebilden
aller Schattirungen, durch welche Sonnenstrahlen dringen und
unter denen Vögel ihren Flug ziehen. — Damit ist die Aarakteristik

Abbildung Nr. 2H?. Blick in'sHRauchzimmer. Siehe Jllustr.-Text.

Mrchitektuh und -Dunen-^Mekoratwn.

Plauderei von Karl Statsmann, Architekt. Fortsetzung a, d. Novbr.-Heft.)

bezüglich der Konstruktion der Wohnungen sei bemerkt,
daß man mit Unrecht oft die Forderung aufstellen hört,
wir müßten das „altdeutsche Bürgerhaus" als Vorbild
nehmen, das sei das Urbild eines deutschen, gemächlichen Heims.
Das ist leicht gesagt, weniger leicht ausführbar. Was ein „alt-
deutsches" Bürgerhaus traulich machte, das waren theils Um-
stände, die sich aus der Lage der Häuser in engen Straßen ergaben,
aus den engen Häuserfronten, theils aus der vielfachen Anwen-
dung des Holzwerks.

Was wir für unsere heutigen Zwecke zur architektonischen
Innen-Dekoration aus dem Ueberlieferten der altdeutschen Woh-
nung an Motiven herübernehmen können, das ist das Folgende:
Malerische Effekte in Raumgruppirung und Raumtheilung, Ver-
meidung allzugroßer peinlicher Symmetrie und Geradlinigkeit,
Abwechselung in Aonstruktionsmaterialien, vor Allem die Erzielung
einer überwiegenden Bedeutsamkeit des rein architektonischen
Elements der Raumerscheinung und eine sekundärere Stellung
der zufälligen Dekoration.

Indeß kann uns eine Verwendung solcher Motive allein
ebensowenig bei der Gestaltung der modernen Wohnung nützlich
sein wie eine gedankenlose Anwendung aller Einzelheiten einer
durch das Beengtsein „malerisch" gewordenen „altdeutschen" Woh-

nung, wenn wir diese Motive gewaltsam in unsere moderne
Wohnung dann hineinpropfen wollen, wenn sie geradezu unpraktisch
sind und werden. Das „gute Alte" ist eben dann für den beson-
deren Zweck nicht gut. Wenn also Wendeltreppen für Begehen
und Verkehr unpraktisch sind, so werden wir sie heutzutage in
Miethsbauten weglassen. Soll ein Raum eine Fülle von Licht
erhalten, so werden enge Bogenfenster nicht statthaft sein. Gert-
liche Vorschriften verbieten oft Erker und Thürme sowie Anwen-
dung von Holzwerk. Es ist demnach nicht allerwärts möglich,
die „guten alten Vorbilder" anzuwenden. Ist man heute schon
in der Lage, auch den Miethsbauten wieder mehr malerisches
Gepräge innen und außen zu verleihen, so konnte dies nur bei
Aufwendung reichlicherer Mittel geschehen, als früher üblich war,
und deshalb, weil in unserer Zeit die Nachfrage nach solch
malerischen und etwa gemächlicheren und gefälligeren Wohnungen
gewachsen ist, weil also das Publikum selbst nunmehr solche
Ausbildungsweise der Wohnungen mit befördern half. Ob diese
Bereicherung der Erscheinung solcher Wohnhäuser aus der Art
unserer Bauspekulation, dem Modedrang, der Gefallsucht, Rivalität,
aus größerem Genußbedürfniß, wachsenderen Lebensansprüchen
oder irgend welchen anderen Gründen, hervorgegangen ist, mag
hier weiter nicht erörtert werden. Die Thatsache aber, daß auf
diesem Gebiete des modernen Wohnhausbaues frisches Streben
erkennbar ist und wachsende Erfolge auftreten in einer, möglichst
weiten Bevölkerungsschichten wohnlich und traulich zu erstellenden
Wohnungs-Einrichtung und daß diese Bestrebungen parallel gehen
 
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