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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Luthmer, Ferdinand: Die Wilhelma bei Cannstatt
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Holzleisten-Geflecht: von der Firma M. Schubert in Görlitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0142

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Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Juni-Heft.

farbenprunkenden Gemächer erhöht. Daß außerdem aber das
ganze Arsenal von sinnefesfelnder Ornamentik aufgeboten ist,
welches diesem Stil zu Gebote steht, lehrt ein Blick auf unsere
Abbildungen. Welche Mannigfaltigkeit schon in der Deckenbildung!
Die flache Decke, durch Stabwerk zu einem reichen Sternmuster
gegliedert, wie sie uns das Jagdzimmer (Abbildung Nr. (H2)
vorführt. Die durch sogenannte Stalaktiten von der Wand aus
vorbereitete Aach-Decke, wie sie im Arbeitszimmer (Abbildung
Nr. (H( u. (50) vertreten ist, und endlich die maurische Kuppel,
von welcher unsere Abbildung Nr. (H8 leider nur die interessante
Lösung der Achteck-Uebersetzung zeigt — wieviel verschiedene Auf-
fassungen des einen Nlotives! Nicht weniger reich ist das karr-
ieristische Aach-Ornament, welches alle Bauglieder überzieht —
jenes Ornament, bei dem es so schwer, in diesem Alle aber so wohl-
gelungen ist, die einzelnen parthien unterzuordnen, sodaß bei aller
Buntheit keine Unruhe entsteht.

Daß die „Wilhelma" noch
heute nach fast einem halben Jahr-
hundert besonders in ihrer Innen-
wirkung nichts von ihrer Aische
eingebüßt hat, muß auf Rechnung
der sehr sorgfältigen Ausführung,
besonders der Verwendung echter
Materialien geschrieben werden.

So ist im Vorhof und dem kleinen
Saal (Abbildung Nr. (H8) der
untere Theil der Wände mit
glasirtenKacheln verkleidet, welche
Originalen aus der Alhambra
und den Moscheen von Kairo
nachgebildet sind. Die Wände
des Wohnzimmers (Abbildung
Nr. (Hs u. (50) sind durchaus
mit Holz vertäfelt, welchem durch
Schnitzwerk, Vergoldung und
Malerei der Karakter fürstlicher
Pracht ausgeprägt ist. wenn
die „Wilhelma" auch nach dem
Vorbild orientalischer Paläste
außer den obligaten Divans kein
Mobiliar enthält, so birgt sie
doch manches bemerkenswerthe
Schmuckstück dekorativer Kunst;
erwähnt sei nur der aus Kristall-
glas gebildete Brunnen des Vor-
hofes, die verschiedenen dem Stil
aufs Beste angepaßten Beleuch-
tungskörper (Abbildung Nr. (H8,

(H9 u. (50) und eine große Sammlung japanischer und chinesischer
Zierrathen, welche in verschiedenen Räumen vertheilt sind.

Es ist unfraglich, daß unsere Zeit mit ihrer erweiterten
Kenntniß der Originale, ihrer gesteigerten Technik in Glasmalerei
und Keramik, ihren elektrischen Beleuchtungseffekten ein prunk-
volleres Schloß im maurischen Stil schaffen könnte als die
„Wilhelma" ist. Schwerlich wird sich aber ein Meister finden,
der L. von Zanth an ernster und liebevoller Vertiefung in seine
Aufgabe überträfe.

Wand-Anfirilfi mit Paraffin. Line Lösung von ( Th.
Paraffin in 2 bis 3 Th. schwerem Steinkohlentheeröl, welche man
durch Zufammenschmelzen bei mäßiger Temperatur herstellt, soll
sich vorzüglich zum Anstrich von Häusern, insbesondere von
Mauern, die der Einwirkung des Wetters ausgesetzt oder feucht
sind, eignen. Die Lösung ist bei der Anwendung etwas zu erwärmen,
damit sie die geeignete Dünnflüssigkeit erhalte. —

^ntzleisten-gesiecht

von der Jirnr« M. Schubert in Körkih.
--H^euerdings hat man mehrfach versucht, den Zimmerdeckenputz
zweckentsprechend zu verbessern. Derselbe wurde seither als
Rohrputz auf Deckenschalung ausgeführt, doch hat dies den großen
Nachtheil im Gefolge, daß die Decke rissig wird, sobald die Schal-
bretter entweder sich werfen, d. h. windschief werden, oder stark
schwinden. Dem erwähnten Uebelstande kann wirksam begegnet
werden, wenn die Schalbretter eine sehr geringe Breite erhalten
oder durch dünne Latten resp. Leisten ersetzt werden

Vereinigt man eine größere Anzahl solcher Holzleisten durch
Einschaltung eines Drahtgewebes, so entsteht ein Holzleisten-Geflecht,
welches beliebig lang und so breit gemacht werden kann, daß es
zwei oder drei Balkenfelder deckt. Die Leisten sind von quadra-
tischem Querschnitt, etwa (2 bis
(5 mm stark und bei dem Schubert-
schen Holzleisten-Geflecht übereck
gestellt. Die Verbindung des
Holzleisten-Geflechts mit der Zim-
merdecke erfordert nur sehr kurze
Zeit; dieselbe erfolgt durch Nage-
lung, wobei die Nägel durch
einzelne Stäbe in schräger Rich-
tung in die Balken eingetrieben
werden, oder auch unter gleich-
zeitiger Anwendung von Halfter-
nägeln, welche in ihren recht-
winkelig zur Achse umgebogenen
Köpfen den Draht zwischen je
zwei Leisten unterstützen. Der
Stoß zweier Holzleisten-Geflecht-
Tafeln wird auf der Balkenmitte
derartig ausgeführt, daß die
Leistenköpfe ein wenig auf Ver-
zahnung ineinandergreifen.

Da die Ästigkeit des Holz-
leisten-Geflechts eine größere als
die des doppelten Rohrgeflechts
ist, auch der Putzmörtel auf der
rauhen Oberfläche der Leisten
besser als an dem glatten Rohr
haftet, so ist dem Holzleisten-
Geflecht der Vorzug vor dem
Rohrgeflecht zu geben. Bei der
Verwendung des Holzleisten-Ge-
flechts zur Herstellung von Scheide-
wänden sind Doppellatten anzu-
wenden und diese beiderseits zu bekleiden. Der Zwischenraum wird
alsdann mit einem Material ausgefüllt, welches nicht nur unver-
brennlich ist und die Leitung des Schalles verhindert, sondern
gleichzeitig auch als schlechter Wärmeleiter wirkt.

Um Dachböden feuersicher herzustellen, wird man den Kalkputz
auf Leisten-Geflecht zur Anfertigung von Scheidewänden zwischen
den einzelnen Dachbodenkammern und zur Bekleidung der Unter-
flächen des Dachgespärres anwenden können.

Bei den im vorigen Jahre in Berlin abgehaltenen Brennproben
wurde u. a. auch das Schubertsche Holzleisten-Geflecht auf seine Auer-
sicherheit einer Prüfung unterzogen. Das Urtheil des Preisgerichts
über die Schubertsche Konstruktion lautete folgendermaßen: Der
Kernpunkt des Schubertschen Systems besteht in der Anbringung
von putzflächen auf Schalung von Holzleisten-Geflecht. Dieses
System hat sich bewährt und muß anerkannt werden, daß der so
hergestellte Verputz dem Auer einen bedeutend größeren Widerstand
entgegensetzt, als der gewöhnliche Putz auf Rohr rc. —

Abbildung i so. Arbeits-Zimmer v. König Wilhelm I. Mit Text S. 102.
 
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