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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Luthmer, Ferdinand: Die Wilhelma bei Cannstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0141

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Juni-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Leite jOZ.

der Bau des Astsaales und die Durchführung der ebenfalls dem
Architekten übertragenen Gartenanlagen mit ihren Rasenplätzen,
Wasserbecken und Blumen-Parterres die nächsten Jahre in An-
spruch genommen hatte, konnte das ganze Werk im Jahre l85s
als beendet übergeben werden. Im Jahre s855 veröffentlichte
Aanth die ganze Anlage in einem Spezialwerk, dessen farbige
Tafeln, bei Storch L Kramer in Berlin gedruckt, bereits einen
hohen Stand der Arben-Lithografie bezeichnen.

Die Art, wie sich der Künstler in der Vorrede dieses Werkes
über die Anwendung des maurischen Stils selbst ausspricht, ist
interessant genug, um einen kurzen Auszug an dieser Stelle zu
rechtfertigen. „Die maurischen Bauformen", sagt Zanth, „waren
in unseren Tagen noch
nicht dazu berufen ge-
wesen, als Vorbilder bei
einem Bauunternehmen
von einiger Bedeutung
zu dienen; dieses Vor-
recht hatten bis dahin
die Bauweisen der Grie-
chen und Römer, der
Byzantiner und Italie-
ner, endlich der Spitz-
bogen. Mit Ausnahme
der sogenannten Woschee
im Garten von Schwetz-
ingen bei Mannheim,
die hier kaum in Betracht
gezogen werden kann,
war meines Wissens,
wenigstens in Deutsch-
land, kein ernster Ver-
such gemacht worden,
die maurischen Baufor-
men, welche dem Klima
und den Bedürfnissen des
Heimathlandes entspre-
chen, einem wesentlich
verschiedenen Himmels-
striche anzupassen. Noch
waren die Stäbe nicht
ausgesteckt, um den rich-
tigen Weg zu bezeichnen,
der zur Lösung der Auf-
gabe führen konnte; die
Mittel zur Verfolgung
der guten Richtung waren

chischen Kunst gefunden
werden, die ihre Vollgültigkeit in den hervorragendsten, mannig-
faltigsten Denkmalen beurkundet haben. Sie waren Gegenstand
des Nachdenkens der berühmtesten Baumeister verschiedener Zeiten
und Völker, welche fruchtbare Lehren daraus entwickelten und
deren Beispiele ich um so mehr folgen zu müssen meinte, als
meine Aufgabe mir die Anwendung einer Bauweise zur Be-
dingung machte, deren Grundsätze, wenn ihr dergleichen eigen
sind, aus den vorhandenen Gebäuden nicht hervorleuchten; denn
diese tragen vielmehr das Gepräge des Waltens einer fessellosen
Eingebung, als anerkannt gültiger Gesetze. Es handelte sich
also in der That darum, die Verirrungen dieser Bauweise zu
meiden, ohne den Vortheilen zu entsagen, welche ihre oft verführe-
rische, im Allgemeinen aber launenhafte Ausschmückung bietet."

„Die Anwendung der Armen einer durchaus konventionellen
Pflanzenbildung mit ihren verwickelten, unentwirrbaren Geflechten
konnte nicht umgangen werden; aber dieser wesentliche Bestand-
teil der Verzierung mußte, ohne dessen Gepräge zu verwischen,
mit organischen Gesetzen in Einklang treten, die dort nur zu häufig
vermißt werden. Es schien mir nicht minder unerläßlich, jene
lebhaften Arben anzuwenden, welche von der orientalischen Bau-
weise unzertrennlich sind, ohne jedoch in dem Abwege zur Bunt-
scheckigkeit zu verirren."

Die Vorstellung, die man gewöhnlich mit der maurischen
Bauweise verbindet, beruhen im Allgemeinen auf den Beschrei-
bungen, wie sie die Morgenländer in ihre Erzählungen einflechten,

denen aber die Wirklich-
keit nicht grade ent-
spricht, nichts desto we-
niger begründet man
darauf Ansprüche an
etwas Wunderbares, de-
nen unmöglich immer
genügt werden kann;
aber wenn gleich diese
überspannte Erwartung
nicht vollständig zu be-
friedigen ist, so sollte sie
dennoch nicht ganz un-
gestilltbleiben; es mußte
deshalb, durch die eigen-
thümlichen Reizmittel
dieser Bauweise, kräftig
auf die Antasie gewirkt
werden, ohne zu jenen
Hülfsmitteln zu greifen,
welche der Vernunft
und dem prüfenden Ge-
schmacks widerstreben."

Aus dem Bauwerk,
welchem diese Darlegun-
gen gelten, liegen uns
etwa fünfzehn fotogra-
fische Aufnahmen vor,
deren Anfertigung und
Wiedergabe vom würt-
tembergischen Hofmar-
schallamt dem Heraus-
geber dieser Zeitschrift
in liebenswürdigerWeise
gestattet wurde. Schon
bei der Betrachtung der
fünf diesem Hefte bei-
gefügten Ansichten, bei
denen wir besonders die
Unmöglichkeit bedauern,
dem Hauptreiz dieser Bauweise, der Arbe, gerecht werden zu
können, wird der Beschauer bald inne werden, daß der Künstler
den fantastischen, märchenhaften Reiz, von welchem er spricht,
am meisten durch das all,nächtige Mittel der Beleuchtung erzielt
hat. Neben den unteren Anstern und Ansterthüren, welche ent-
zückende Aussichten auf den park und die Neckarberge eröffnen,
oder das Licht durch die grüne Dämmerung der Gewächshäuser
eindringen lassen, sind in verschiedenen Räumen, wie im Vorhof,
in, Badezimmer und im kleinen Saal (Abbildung Nr. lI8) Kuppeln
mit scharfem Zenithlicht angeordnet. Bei anderen, wie im großen
Astsaal (Abbildung Nr. dringt das Licht durch obere von
Gallerten verdeckte Achterreihen, sodaß eine wechselnde und un-
erwartete Lichtwirkung entsteht, welche den fantastischen Reiz der

erst zu suchen und konn-
ten, nach meiner Ueber-
zeugung, nur in den
Grundsätzen der grie-

Abbildung I-,Y. Parlhie aus dem grollen Saal der ,,Wilhelms" bei Lannstatt.
 
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