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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Schliepmann, Hans: Fenster-Ausbildungen
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Zimmermann, Ernst: Das Venezianische Kunstgewerbe der Gegenwart, [4]
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Auf den Pariser Boulevards, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0154

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Seite PH.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Juli-Heft.

der Individualismus in erfreulichster Weise mehr und mehr zur
Geltung zu kommen beginnt. Mit Rücksicht auf ihn verlohnt es
sich daher durchaus, auf dem Gebiete der Fensterausbildung ein
wenig Umschau zu halten, um zu sehen, was hier von der Vorzeit
und von anderen Nationen etwa Vor-
bildliches geschaffen wurde und was
vielleicht noch für Aufgaben gelöst zu
werden verdienen.

Natürlich, das sei im Voraus
bemerkt, will ich den Gardinenbehang
keineswegs in allen Fällen für thöricht
und unschön erklären; ist er doch vor
der Hand bei uns überhaupt nicht
zu entbehren. Auch wird er. für
lauschige Damenzimmer und ver-
wandte Räume in schicklicher Form
immer wieder von wohlthuender und
anheimelnder Wirkung sein. Ueber
ihn aber noch besonders zu sprechen,
würde bei der Fülle von Stoff, den
die „Innen-Dekoration" für dieses
Motiv bereits bietet, fast eine Ver-
messenheit sein.

Betrachten wir zunächst einen
Augenblick das Konstruktive, denn
alle richtigen ästhetischen Ausbildungen
müssen von ihm ausgehen. Für Wohn-
räume kommen eigentlich nur beweg-
liche Fenster in Betracht, und zwar
werden diese kaum anders als in
Holz ausgeführt. Im Gegensätze zu
den in Frankreich und Deutschland
fast ausschließlich zur Anwendung ge-
langenden Fensterflügeln, die um eine senkrechte Achse drehbar
sind, werden in England und Amerika meist nur Schiebefenster,
die sich in vertikalem Sinne bewegen, hergestellt. Beide Kon-
struktionen haben zur Zeit noch gleich viel Vorzüge und Mängel,
so daß bei der Wahl eigentlich wohl nur die Gewöhnung den

Abbildung Nr. ;s;. Biiffet-Nische i. e. Hause in Cambridge.

Ausschlag gibt. Aber wenn wir nach der Zukunft beider Kon-
struktionen fragen, so möchte doch dem Schiebefenster der Vorzug
gegeben werden. Nicht blos, weil es den Faltenwurf der Gardinen
beim Geffnen unbehelligt läßt und weil es die ganze Breite

der Fensteröffnung freimacht, auch die
Glasscheibe beim Hinauslehnen von
Personen der Beschädigung entzieht —
Vorzüge, die den Amerikaner die
schwierigere Reinigung und die un-
vollkommene Luftdichtung bereits jetzt
in Raus nehmen lassen. Aber vor
Allem wird beim Schiebefenster der
ästhetische Grundfehler unserer zwei-
theiligen Fenster vermieden, daß näm-
lich gerade die Mitte des Aussichts-
feldes durch das breite Rahmenwerk
verdeckt, das einfallende Licht unruhig
gemacht und die Wirkung der Außen-
welt als Bild für das Zimmer ge-
radezu zerschnitten wird. Nur die
Gewohnheit läßt uns diese Abscheu-
lichkeit ertragen, wie der Buckelige
seines Höckers nicht mehr achtet. Beim
dreitheiligen Fenster ist der Uebelstand
weniger groß, da wenigstens die Mitte
frei bleibt. Aber die Ronstruktion
wird bei diesen Fenstern stets schwierig,
zumal man — ich fürchte, um der
lieben Bequemlichkeit willen beim
Airkelführen aus dem Papier — fast
stets drei gleichbreite Flügel wählt,
die natürlich das gleiche Recht der
Ausbildung verlangen. Würde man
den Mittelflügel so breit machen, als die Scheibengröße irgend
zuläßt, so brauchte nur dieser zum Oeffnen eingerichtet werden,
die Seitentheile würden nur zur Reinigung herausnehmbar her-
zustellen sein. Auch in diesem Falle aber ergäbe eine Kombination
mit einem Schiebefenster in der Mitte den Vortheil, daß das

Das venezianisch^

sMunstgelverbH der

Von Ernst Zimmermann. (Schluß von Sette mr.)

ier in Burano wird allein die genähte Spitze angefertigt;
auf dem Lido und einigen Inseln hat sich dagegen
merkwürdiger Weise dis Klöppelarbeit, die früher
in und um Venedig nie gepflegt wurde, als Hans-Industrie ein-
gebürgert. Weiber, junge und alte, sitzen dort vor den Thüren
am Rande des Meeres und der Kanäle und regen fleißig die
Hände. Was hier und was in Burano geschaffen wird, fällt
in Venedig in die Hände von Großhändlern, die diese kleinen
Kunstwerke zu ziemlich bedeutenden Preisen verkaufen.

So hat auch die Frau ihren wohlangemessenen Antheil an
der reichen Kunst-Industrie ihrer Vaterstadt und bewahrt diese
an der Seite des Mannes durch ihrer Hände Werk vor dem
drohenden Schicksal, in ihrem kräftigen individuellen Karakter
durch das Eindringen mechanisch arbeitender Maschinen gestört
zu werden. Venedig selber aber darf sich rühmen, in seiner noch
auf der Basis des alten Kunsthandwerkes beruhenden Kunst-
Industrie von keiner zweiten Stadt übertroffen zu werden, wie es
denn auch hinsichtlich der Vielseitigkeit derselben in keiner ihr an
Umfang und Einwohnerzahl gleichstehenden Stadt eine Rivalin
finden dürfte.

Mus den Boulevards.

in Spaziergang über die pariser Boulevards gehört zu
den Dingen, die sich der Fremde, der zum ersten Mal
unsere Stadt betritt, vor allen Dingen leistet. Es ist
aber nicht nur angenehm, sondern auch im hohen Grade interessant,
die prächtigen Läden daselbst in Augenschein zu nehmen, denn
dieselben geben ein genaues Bild einheimischer Kunstfertigkeit.
Was nur Hervorragendes in ganz Frankreich auf irgend einem
Industriegebiete geleistet wird, finden wir auf den pariser Boule-
vards vertreten und das schöne Arrangement dieser verschiedenen
Gegenstände legt Zeugniß davon ab, daß, wenn auch manches
Andere in Paris jetzt in die Brüche geht, der gute Geschmack
hier bis jetzt nicht verloren gegangen ist. Zunächst fesselt ein
Magazin mit orientalischen Stoffen und alterthümlichen Dingen
jeder Art die Aufmerksamkeit. Ueber ein niedriges Sofa, eigentlich
nur aus einigen übereinander gelegten Kissen bestehend, ist ein
wunderschöner Teppich gebreitet. Ein Baldachin wölbt sich darüber,
an dem die Draperien aus schwerem goldgesticktem Seidengewebe
.von langen Lanzen mit vergoldeten Spitzen gehalten werden.
Darüber fällt wie ein Schleier ein weißer tartarischer Shawl mit
breitem Goldsaum, mit bunten Sternen durchweg bedruckt, die sich
an den Enden zur Borte zusammenfinden. Ein weicher türkischer
Teppich verhüllt den Fußboden, Vorhänge in verschiedener Farbe
schmücken die Wände dieser morgenländischen Ecke, die nicht viel
 
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