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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Schulze, Otto: Wege und Ziele der neueren Tapetenfabrikation
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0113

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Mai-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 8f.

^egp und -Hielh dep neuererl Mapetenfadrikatinn.

Tapeten und ihrer Fabrikation ist in den letzten
Jahren ein außergewöhnlich lebhaftes Interesse ent-
gegengebracht worden. Heute gerathen Laie und Fach- !
mann aneinander über die Tapete und ihre Aufgabe als Wand-
bekleidungsmittel. Glaubt der Letztere
das Recht auf seiner Seite zu haben
aus so und so viel Gründen und dem
Hauptgrund, daß der Laie angeblich
nichts oder gar wenig davon verstünde,
so ist dieser ihm doch in verschiedenen
Punkten so scharf auf den Leib ge-
gangen, um die fachmännische Autorität
erschüttern zu machen. Das Blatt zeigt
heute schon eine Aehrseite; es hat doch
nicht an manchen guten Winken und
mit diesen an einer sanften Aufrüttelung
für die Aonsumenten gefehlt, um diese
endlich dahin zu bringen, als Besteller
und Abnehmer kunstgewerblicher Artikel
ein Wörtchen — und zwar ein ganz
gewichtiges mitreden zu dürfen. Was
heute „unverkauft" bleibt, hat nicht
immer das Gespenst Aeberproduktion
hinter sich; Mängel der Arbeit, Ge-
schmacklosigkeit im Entwurf und Iln-
solidität im Material kommen den
Abnehmern immer mehr zum Bewußt-
sein und zwingen sie, Unzulängliches in
der modernen Fabrikation kunstgewerb-
licher Erzeugnisse schlechthin abzuweisen.

Die Wirklichkeit lehrt, daß unsere
Mühen für die künstlerische und kunst-
gewerbliche Erziehung breiterer Volks-
schichten keine vergeblichen gewesen sind.

Es läßt sich nicht ganz vermeiden, daß
hier und da Thorheiten und Verstöße
gegen den guten Ton in der Wohnungs-
ausstattung begangen werden; sie sind
aber trotz vieler Schimpfereien kleinlicher Neider gerade bei den
Vornehmen und Bemittelten so selten geworden, daß wir alle
Ursache hätten — diesen Areisen recht dankbar zu sein. Wir
haben von dieser Seite so viel Anregung erhalten durch die Ge-
stattung der Publikation vornehmer und vollendeter Interieurs,
an denen wir unsere Augen schulen konnten, daß wir nicht mehr
die Schein-Dekorationen der Mittellosigkeit als Vorbilder wahrer
Aunst betrachten dürfen. Wir sind davon abgekommen, Imita-
tionen und Surrogaten als einer Vorspiegelung falscher Thatsachen
so ohne Weiteres Thor und Thür zu öffnen. Wir wissen, daß ein
nußbaum gestrichener kieferner Schrank eben kein Nußbaum-Schrank
ist, und daß ein Lithographie- oder Diaphanie-Glasbild nie eine

Glasmalerei ersetzen kann. Wir wollen keinen Ersatz des Besseren
durch Schlechteres, sondern höchstens durch Einfacheres, dem aber
die Natur, die Wahrheit, das Stoffeigenthümliche an der Stirn
stehen sollte. Unsere technischen Errungenschaften sollen nicht für

Lüge und Schein ausgebeutet werden;
sie sollen jedem Stoff und Material das
geben, was ihrem innersten Wesen zu-
sagt. Zinn muß Zinn, Eisen muß Eisen,
Holz muß Holz, aber auch Papier muß
Papier und Stoff—-Stoff, Leder —
Leder bleiben.

Das gilt wohl in erster Linie mit
für die Tapete, die papierne, die nicht
mehr eine Imitation von Geweben oder
ein Surrogat für Stoffe und Leder sein
will.*) Man ist seit Jahren davon
abgekommen, Texturen und stilistisch-
technische Eigenthümlichkeiten und Zu-
fälle textiler Gebilde, wie Damast,
Brokat oder Sammt nachzumalen und
nachzudrucken. Musterzeichner, Fabri-
kanten und Publikum scheinen ein stilles
Uebereinkommen nach dieser Seite ge-
troffen zu haben.**) Alle streben mit
einem gewissen Stolz danach, zu zeigen,
daß auch das Papier, die Papiertapete
Eigenschaften besitzt, die werth sind,
hervorgehoben zu werden. Aber auch
nach der papiernen Schwäche hin will
die Tapete nicht gemißbraucht werden;
sie will nicht zu einem elenden Bilder-
bogen herabsinken, mit welchem man
nötigenfalls Puppenstuben auskleistern
könnte. Daß wir das Papier in der
Tapete als solches erkannten, bedeutet
einen außerordentlichen Fortschritt, das
Aufgeben der Nachbildung textiler
Strukturen einen zweiten; eine weitere
Errungenschaft würde darin liegen, wenn wir uns auch von den

*) Anmerkung der Schristleitung. Nit diesen Anschauungen des
Autors können wir uns nicht ganz'einverstanden erklären; die Nachbildung
von Stoffen bei der Tapete istjnicht nur eine erlaubte, sondern
durchaus berechtigte. In gleichem Sinne haben sich bereits viele Fach-
leute und Aesthetiker geäußert, Wer die vorzüglichen deutschen und fran-
zösischen Gobelin-Tapeten, desgl. die japanischen Leder-Tapeten
kennt, wird zugeben müssen, daß eine derartige Imitation als Wandbekleidung
wohl erlaubt ist und unserem Auge nicht nur einen wohlthuenden Anblick,
sondern geradezu einen Genuß gewährt. Selbst in den reichsten Familien
erlaubt man sich nur höchst selten den Luxus einer echten Leder-Tapete, jedoch
findet man die vorzüglichen Leder-Imitationen in zahlreichen Villen und
modernen Schlössern und werden zur Zeit mehr denn je zuvor gekauft.

Davon ist uns, als Herausgeber der „Tapeten-Zeitung", nichts bekannt.

Abbildung Nr. ;07. Gepreßte Tapete für Salons

von I. Zuber L Lie. in Rixheim (Elsaß).
 
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