Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

DOI Artikel:
Schliepmann, Hans: Deutsche Meister des Kunstgewerbes, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0044

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Februar-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite 25.

entsche Weister drs -Munstgewrrlies.

von r^ans Schliepmann. (Schluß von Seite 23.,

ein Aünstler, dem auch der materielle Erfolg seines
unermüdlichen Wirkens nicht ausgeblieben ist, sich mit
den Gegenständen seines steten Interesses zu umgeben
strebt, ist selbstverständlich. So sind denn auch die Räume dieses
Aünstlerheimes fast ein Museum zu nennen, in dem gleicher Weise
die Liebe des Sammlers, wie die Verehrung und Anerkennung
von Freunden und Mäcenaten
wahre Schätze der Kunst und
theurer Erinnerungen vereinigt
haben. Was sich für den Aünstler
mit all diesen alten und modernsten
Aunstgegenständen aus allen Aul-
turländern verknüpft, könnte nur
er selbst im vertrauten Areise er-
zählen. Daß er selbst auch
„Sammler" ist, zeigen die alten
Renaissancemöbel, die Glasge-
mälde der Balkonthür im Salon,
aus rheinischen Wappenfenstern
(H560) bestehend, der Tabernakel
mit der in Elfenbein geschnitzten
zierlichen Madonna (Abbildung
Nr. 2st) und der aus Rottweil in
Württemberg stammende Zier-
schrank (siehe Aunstbeilage II) in
demselben Raume, der reich ein-
gelegte Wandschrank aus dem
Aloster zu Schwarzach im Arbeits-
zimmer, die trefflichen Wappen-
scheiben aus der Mitte des
s6. Jahrhunderts im Wohnzim-
mer und die beiden Engel, zu
denen der Aünstler den großen
Wappenschild für das Treppen-
haus (Abbildg. 28) schnitzen ließ.

Nach einer Richtung nun
sind diese Abbildungen ganz be-
sonders belehrend: sie zeigen, wie hier der „Aünstler" immer noch
dergestalt über dem „Sammler" stand, daß überall mit feinem
Verständniß die Grenze gewahrt ist, jenseits deren das Verwirrende,
Ueberladene anfangen würde. Es zeigt sich auch mit überraschender
Deutlichkeit, wie vortrefflich Gegenstände der verschiedensten Stil-
richtungen mit einander harmoniren können, wenn nur künstlerisches
Feingefühl sie richtig zu vereinigen weiß, wenn das Ganze zum
Ausdruck eines individuellen Geschmackes, zum deutlich erkennbaren
Werk einer bestimmten Persönlichkeit wird. Nach dieser Rich-
tung hin werden, hoffe ich, diese Abbildungen ermuthigend wirken,
die Ehrfurcht vor der philologenmäßig aufgefaßten „Stilreinheit",
d. h. Stileinheit nur im geschichtlichen Sinne zu brechen, und
an ihre Stelle die Stileinheit im ästhetischen Sinne zu setzen,
d.h. das Zusammenklingen in Folge verwandter innerer Auf-

fassung — wie sie z. B. zwischen Gothik und deutscher Früh-
renaissance, zwischen Rokoko und Zapanismus besteht.

Allerdings aber verlangt das Erkennen dieser Zusammen-
hänge ein künstlerisch geschultes Auge; alle Weisheit eines
Museumsbeamten könnte ohne diesen Blick nur ein Thaos schaffen,
während der Aünstler das Auge von Ueberraschung zu Ueber-
raschung leitet, ohne daß wir ermüden oder verwirrt werden.

So kann man denn die Dekorationsweise, wie sie Hermann
Götz in voller Aünstlersouverainetät durchgeführt hat, auch nur

Demjenigen empfehlen, der seiner
vollständig geklärten individuellen
Geschmacksrichtung sicher ist.

Suchen wir jetzt nun, nach-
dem wir das Material gesammelt,
zu einer Umschreibung der künst-
lerischen Eigenart unseres Meisters
zu gelangen, so sind uns zwei
Seiten seines Wesens bereits bei
dem Besuche seiner Räumlichkeiten
lebendig zum Bewußtsein gelangt:
ein feinsinniges Verständniß für
die Erzeugnisse aller Aunstepochen
und ein sorgfältig abwägender
Geschmack, der über jeder ein-
seitigen Auffassung steht.

Als eigentliche Vorbedingung
echter Aünstlerschaft kommt hierzu
ein technisches Aönnen, das sich
in allen Sätteln fest weiß, und
das Verständniß für eine dem
Werkstoff und dem Zweck gemäße
und deßhalb „stilgerechte" Be-
handlung jedes Aunstgewerbs-
gegenstandes. Wer als Aenner
die Arbeiten von Hermann Götz
betrachtet, der erstaunt über die
Vielseitigkeit seines „Striches",
des besten Prüfsteines für den
Ornamentisten. Nach dieser Rich-
tung vergleiche man nur das
wirkungsvolle, derbe Pflanzenwerk des Heidelberger Titelkopfes
mit dein feinen, schier antiken Ornament des Madonnenschreines
und dem fast naturalistischen Lorbeerband um die Bronze-Tafel,
Abbildung Nr. 22, das gar nicht vollendeter zu denken ist. Es
ist mehr als Glätte, Vollendung oder Klassizität in diesem Striche.
Er besitzt Liebenswürdigkeit. Und das ist ein Zug von Götz'
Wesen, der über allem seinem Schaffen liegt. Sie läßt ihn jede
Härte fliehen und wie eine Biene Honig aus jeder Blüthe saugen,
aber zurücklassen, was seinem Wesen fremd ist. So werden denn
unter seiner Hand, die durchaus für den feinsinnigen Klassizismus
der Renaissance geboren ist, auch die gothischen Formen — wie bei
dem Zffezheimer Rennpreis — oder die des Rokoko — wie bei
dem Mosbacher Ofen — schier unbewußt vielleicht, von ihm mit
dem Geiste graziösen Maßhaltens und klassischen Formenadels

Abb. 28. Kimstlkr-UInM» aus dem (Irep-kiilMsr von sirof. D. Götz in Karlsruhe.
 
Annotationen