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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Jaffé, Franz: Der Reichstagsbau und seine Innen-Dekoration, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0082

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April-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 57.


Meichstagsban und seniH

Mllen -^Mekorativn.

^^rinnern diese hohen Gestühls an den Wänden zunächst an
^ Kirchen - Innenbauten, so
werden sie doch durch eine graziöse,
wundervoll ausgebildete Orna-
mentik in das Reich des Welt-
lichen gerückt; dazu tritt ein heral-
disches Moment in Krönungen,
welche Adlerfiguren darstellen, und
in den Rücklehnen, welche nach
ihrer Vollendung in Lederschnitz-
arbeit den Reichsadler auf einem
Grunde von stilisirten Kornblumen
zur Anschauung bringen sollen.

In Verbindung mit dem Vorsaal
für den Bundesrath stehen mehrere
kleinere Räume, die hierzu gehören,
von vornehmster Ausstattung. Ab-
bildung Nr. 73 gibt z. B. die Thür
zum Zimmer des Reichstags-
Präsidenten.

Aus den ebengenannten Räu-
men gelangt man unmittelbar in
die quadratisch angelegten Räume,
welche die Ecken der Ostfront bilden.

Es ist einerseits die Hand-Bibliothek
für die Abgeordneten, welche eine
reiche Holzausbildung in ihrem
Inneren erfahren hat, nach Dan-
ziger Motiven, unter künstlerischer
Mitwirkung von Professor Wide-
mann von Wirth's Löhnen in
Stuttgart hergestellt. Die Abbildung
Nr. 70 gibt eine gute Gesammt-
Ansicht des Raumes. Eine ganz
besonders prachtvolle Ausstattung
hat dagegen der Sitzungssaal
für den Bundesrath erhalten
(Abbildung Nr. 7H). Vier Meter
hohe Paneele aus Eichenholz mit
den köstlichsten Holzschnitzereien
umziehen den Raum, dessen obere Panneel-Ecke mit Kartusche
Wand dereinst den Schmuck echter

Gobelins erhalten soll und gegenwärtig mit einer grünen Seiden-
damast-Tapete bedeckt ist. Das reiche Rahmenwerk der Decke ist
in Linden- und Kiefernholz hergestellt und wird später nach
berühmten Vorbildern im Dogenpalast Deckengemälde in seinen
Füllungen erhalten, welche abwechselnd auf grauem und auf
blauem Grunde gemalt werden sollen. Das vergoldete Rahmen-
werk soll dann gewissermaßen die Rahmen zu den eingeschlossenen

Bildern bieten. Die Holzarbeiten, von deren künstlerischem Werthe
das Detail Abbildung Nr. 67 eine Anschauung gibt, stammen
von der Firma Epple L Ege in Stuttgart. Um dem Raum
eine gewisse Behaglichkeit zu sichern, hat er einen mächtigen Kamin
erhalten, dessen künstlerischer Schmuck in ausgezeichneter Weise
von Professor Vogel in München hergestellt ist. Die Kamin-
bekleidung ist aus istrischem Kalk-
stein und enthält Reliefs, die sich
auf den Krieg beziehen.

Die vier Haupteingänge zu
dem Gebäude liegen, wie vorher
erwähnt, in den Mitten der vier
Fronten. Außer der oben beschrie-
benen Ostvorhalle sind es beson-
ders die Nord- und die Süd-
vorhalle, welche ein tieferes
architektonisches Interesse verdienen;
denn die Westvorhalle am Königs-
platz, im Anschluß an den großen
Portikus, wird wohl nur in sehr
seltenen Fällen benutzt werden.
Die Nord- und Südvorhalle bilden
vielmehr die überwiegend benutzten
Eingänge zum Innern. Dieselben
sind fast gleichmäßig ausgebildet;
der Unterschied besteht nur darin,
daß in der Nordvorhalle Pfeiler
das große Leitmotiv der scenisch
aufgebauten, wuchtigen Steinarchi-
tektur bilden und Säulen in der
Südvorhalle an deren Stelle treten.
Auf einem hohen Sockelgeschoß
stehen die letzteren, zwischen sich
eine Brüstung mit außerordentlich
originell gebildeten Eartouchen, die
ebenso wie der gesammte plastische
Schmuck der Hallen selbst und der
anschließenden Räume von Professor
Vogel aus München herstammen.
Die hervorragendste Leistung hat
der Künstler augenscheinlich in zwei
hier befindlichen Portalen hervor-
gebracht, von deren einem Ab-
bildung Nr. 68 den Thürsturz ver-
anschaulicht. Im Sockelgeschoß
im Vundrsraths-Sihungssaale. dieses Raumes sollen dereinst die

Bronzestatuen von politischen und
Geisteshelden des Vaterlandes zur Aufstellung gelangen. Von
zwingendster und packendster Wirkung sind diese beiden Räume
in ihrer erhabenen und ernsten Steinarchitektur, die sogar an
Kirchen-Innenräume erinnern würde, wenn nicht die Vorwürfe
der in die Räume eingefügten Glasfenster kolossalen Maßstabes
heraldischer, resp. weltlicher Natur wären.

Ganz besonders feierlich wirkt die Pfeilerstellung in der
 
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