Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

DOI Artikel:
Walsch, Ignatz: Antiquitäten als Zimmer-Dekoration
DOI Artikel:
Statsmann, Karl: Architektur und Innen-Dekoration, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0214

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seite s62.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Oktober-Heft.

Zn den Erker wandert der alte Spinnrocken, dessen lustiges
Schnurren längst verklungen, der aber mit seiner zierlichen Arbeit
Runde gibt vom Gewerbefleiß längst vergangener Zeiten.

Unendlich groß ist die Verwendungsart antiker Stoffe, fast so
vielseitig als die Formen, in denen die Stoffe auf uns überkommen
sind, bald als Teppich, bald als Gewand oder Decke. Der präch-
tigste uns überlieferte
Wandschmuck sind die
alten figurenreichen
Gobelins. Es gibt
nur ein Nittel, die-
selben nach Verdienst
zur Geltung kommen
zu lassen, und das ist
unumschränkte Ein-
räumung der Haupt-
wand im Zimmer,
damit nichts die Auf-
merksamkeit des Be-
schauers ablenkt. Aber
nur Wenige sind es,
die sich des Besitzes
eines solchen Stückes
erfreuen können; die
Mehrzahl begnügt sich
mit antiken Wand-
teppichen für die am
besten durch Borden
und Friese geeignete
Wandfelder geschaffen
werden. Alte Boden-

. < , Abbildung Nummer 220. Damen-

teppiche lege man recht ^

frei und verdecke die-
selben möglichst wenig. Eine vielseitig zu verwendende Antiquität
sind die alten Meßgewänder. Wir wollen neben einer Sitzbank
einen Abschluß anbringen, der die Bank zu einem recht lauschigen
Plätzchen macht; da befestigen wir an der Wand einen Tragearm
mit Ringen, nähen hieran das Meßgewand, aus dem wir durch

Ansetzen passenden, glatten Stoffes und durch Besetzen mit einer
ganz einfachen Franze einen viereckigen Vorhang gemacht haben
und stellen so einen Abschluß her, der nach beiden Seiten hin
einen ebenso originellen als schönen Schmuck bildet. Oder aber
wir werfen das Gewand über einen niedrigen, etwa 60 om hohen
Sockel und stellen hierauf eine Vase nebst einigen alten Leder-
einbänden und haben
sofort eine passende
Dekoration für eine
freie Ecke oder einen
Fensterpseiler. Auch
alte Decken lassen sich
recht gut zur Dekora-
tion des Zimmers ver-
wenden, sei es als
Bezug für Rissen und
Polster, sei es zum
Bedecken von Tischen,
oder in Verbindung
mit modernen Stoffen,
welche als Einfassung
um die antiken Decken
gelegt werden. Auch
alte gestickte Schab-
racken sind eine für
Herrenzimmer, wie be-
reits im Eingänge er-
wähnt, sehr geeignete
Dekoration.

Von besonderer
Pracht sind häufig
antike Rostüme, die
sowohl zu Bezügen als

zu Dekorationen Verwendung finden. — Sehr interessant orna-
mentirte Stücke finden sich unter den alten Leder-Arbeiten. Das
Mittelalter hat besonders an Leder-Einbänden Vieles zurückge-
lassen, das wohl verdient, die Bordbretter und Büchertische im
Herrenzimmer zu schmücken, aber auch an Ledertapeten sowohl

Zimmer aus einem Berliner Hause.

rchitektue und

Plauderei von Karl Ttatsmann, Architekt. (Lortsetzg. a. d. s-xtbr.-yeft.)

oft wurde hervorgehoben, daß Form und Beleuch-
mg und gegenseitige Beziehung der Wohnräume von
> wesentlicher Bedeutung seien! Wir ersehen also,
wie groß die Bedeutung des Architekten bei der Gestaltung des
Wohnungsinnern ist. Doch noch mehr! Nicht allein die Art
der Zimmer selbst machen ein Heim gemüthlich, sondern, auch
außer ihrer Wechselbeziehung, die Art der Vorräume, Zugänge,
Nebenräume, die ganze Lage des Hauses. Schließlich meldet sich
auch noch die dekorative Architektur zum Worte, jene, welche nicht
bloß durch Wände, Böden, Decken und alle Baustrukturformen,
sondern auch durch das malerische Linienspiel in die Erscheinung
tritt, die Architektur der Gesimse, Umrahmungen, Stützen, Felder-
theilungen, des Treppenschmuckes, Deckendekors usw., wie sie in
Stein, Eisen und Holzwerk zumeist sich darbietet. Sehr gerne
schließt diese letztere einen Bund mit der Plastik und beide geben
dem Bauwerke vereint einen Rarakterzug, vom zurückhaltend
Strengen, vom würdevoll Ernsten oder Weihevollen bis zum
prunkhaften und festlich Freudigen.

Schon in der Grundriß-Anlage der Wohnungen kann das
„Malerische" durch die Architektur vorgesehen werden durch Vor-
hallen (Dielen) mit Treppeneinbauten und Durchsichten, Nischen,
Eckplätze, Raumtheilungen, Deckenfelder rc. Daß auch eingebaute

städtische Miethshäuser dies malerische Element trotz örtlicher
Beschränkungen aufnehmen können, können wir an Hunderten
von Beispielen aus jüngster Zeit ersehen, welche zeigen, wie ein
Haus von unten bis oben bis zum einfachsten Bautheil vom
Baumeister mit Herz und Sinn erdacht und erstellt werden soll.

„Und kann", sagt der geehrte Leser, „wenn man aus-
reichende Mittel dazu hat!" O nein, die Mittel allein machens
nicht. Auch in der Beschränkung, und meist gerade durch sie,
zeigt sich der Meister! Dasselbe gilt für Wohnungsdekor, bei
letzterem spricht noch weiter die Eigenart des Eigenthümers mit,
dem auch Schrullen verziehen werden, wenn sie für ihn karakte-
ristisch sind und nicht beleidigen. Zm Uebrigen gibt es für keinen
Runstzweig allgemein gültige Normen. Man kann nur sagen,
jede Schöpfung, wie es auch im Worte selbst liegt, wird uns
befriedigen, wenn sie wie ein Organismus erscheint, dessen Haupt,
Rumpf und Glieder zusammenstimmen und der außen und innen
gesund und lebensvoll erscheint.

Nun ist allerdings bei freistehenden Wohnhäusern und villen-
artigen Gebäuden leichter ein organisches Ganze zu erstellen, als
bei eingezwängten Miethshäusern und bei diesen letzteren ein
Wohnungsideal aus vielen Gründen vielfach entweder unmöglich
oder schwer zu erreichen. Da treten, bedingt durch unsere Städte-
ordnungen, sozialen Verhältnisse und Sitten mancherlei hemmende
Umstände für den Zinsbau aus. Die Nachfrage nach billigen
Wohnungen in großen und kleinen Orten bedingt und befördert
die Ausnutzung der Bauplätze in Breite, Tiefe und Höhe, die
 
Annotationen