Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

DOI Artikel:
Steinbrück, P. O.: Ueber "echte" altdeutsche Wohnungs-Einrichtungen und die sog. "echten" Ausstattungsstücke
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0026

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seite s2.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Zanuar-^eft.

Ukber „echte" altdeutsche und die sog. „echten" Musjtattungsltiiikk.

von p. G. Stein brück.

die nachfolgende Besprechung in das rechte Licht zu setzen,
KEÜAUtL scheint es geboten, etwas näher auf die karakteristische Ligenart
und Entwickelung der altdeutschen Renaissance, bis auf heute

und steifen, oft sehr einfachen Formen begnügen, wie sie eben der einfache
Handwerker damaliger Zeit zu schaffen im Stande war, und welche vor der
heutigen Arbeitsweise wenigstens noch den einen Vorzug hatten, daß sie von

überaus derber Solidität wa-

Die Ende des 15. Jahrhunderts
von Italien ausgehende Re-
naissance sollte besonders für
das altdeutsche Kunsthandwerk
von großem und bedeutsamem
Einfluß werden. Dasselbe ge-
langte dadurch zur herrlichsten
Entwickelung und zur höchsten
Blüthe, welche mit der letzten
Hälfte des ^6. Jahrhunderts
ihren Höhepunkt erreichte.

Durch ihren eigenartigen Ra-
rakter unterschied sich die alt-
deutsche ganz wesentlich von
der italienischen Renaissance,
während in der letzteren die
ursprünglichen römisch-antiken
Formen noch vorherrschten, ver-
banden sich dieselben in der
alten deutschen Renaissance in
oft ganz willkürlicher Weise
mit den schon vorhandenen
gothischen oder altdeutschen
Elementen; theilweise wurden
sie aber auch ganz und gar
umgemodelt, so daß dadurch
vollständig neue Formen ent-
standen. Außerdem waren aber
auch noch die verschiedenen
Richtungen, der Eigenart dieses
oder jenes Meisters entspre-
chend, von bestimmendem Ein-
fluß auf die vielseitige Ge-
staltung der altdeutschen Re-
naissance. Alle diese verschie-
denen Richtungen näher zu
erörtern, oder auch nur die
Meister alle namh ast zu mach en,
würde hier wohl zu weit füh-
ren. So will ich nur beispiels-
weise erwähnen, daß auch das
maurisch-arabische, wahrschein-
lich von Spanien überkommen,
von verschiedenen Meistern mit
Vorliebe zum Flachornament
auf Metallgesäßen, oder als
Linlege - Arbeit , verwendet
wurde, so z. B. von H. Hol-
dem d. I., der sich andrerseits
dagegen wieder mehr der italie-
nischen Art und weise zuwen-
dete. Durch alle diese viel-
seitigen Einflüsse wurde dem
altdeutschen Kunsthandwerk
so viel reicher Lebensstoff zu-
gewendet, daß sein kräftiges
Gedeihen eigentlich nur eine
ganz natürliche Folge davon
war. Für unsere späteren Aus-
einandersetzungen ist es aber
besonders geboten, auf den
einen Umstand aufmerksam zu

machen, daß die Erzeugnisse des Kunsthandwerks in damaliger Zeit den
breiten Schichten des Mittelstandes gar nicht oder doch nur ausnahmsweise
zugänglich waren; denn sie waren gewissermaßen kostbare Kunstschätze, welche
sich nur die bevorzugte Klasse der Reichsten und Begütertsten anschaffen
konnten; doch selbst diesen hätte es wohl schwer fallen müssen, sich davon
etwa Wohnungseinrichtungen in der heutigen Art und Weise zusammenzn-
ftellen, weil dazu wohl Millionen erforderlich gewesen wären. Jedenfalls
mußte sich die weit überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung mit den nüchternen

Abbildung Nr. 12. KrirsigeHll.Nichte Rokoko-Tchüts mit Gberlichtgitter.

ren. Mit Beginn des 17.
Jahrhunderts fing nun das
altdeutsche Kunsthandwerk an,
in Folge der Nachwirkungen
der Reformation mit ihren
wirren und heißen, 20 Jahre
anhaltenden Kämpfen immer
mehr und mehr zu erlöschen.
Zuerst in einen öden, trockenen
und wenig gehaltvollen Klassi-
zismus ausartend, begnügte
es sich schließlich nur noch mit
der sklavischen und geistlosen
Nachahmung dessen, was an-
dere Völker boten. So ging
jede deutsche Eigenart und
Selbständigkeit auf diesem Ge-
biete immer mehr und mehr
verloren. Ls wurde eher noch
schlechter, als an Stelle des
Kunsthandwerker das Kunst-
gewerbe mit seiner Massen-
erzeugung trat, so daß das-
selbe, wenn auch jetzt breite-
ren Schichten zugänglich, doch
durchaus nicht zur Verbreitung
guten Geschmacks beitragen
konnte. Auf lange, lange Zeit
blieb der Deutsche völlig ab-
hängig vom Franzosen, von
dem er sich aufs Schmählichste
am Gäugelbande führen ließ,
um seine Fußtapfen breit zu
treten, doch ohne ihn je er-
reichen zu können. So ging
es vom 18. Jahrhundert an
durch die ganze Rokokoperiode,
dann, mit nur wenigen Aus-
nahmen, durch alle Phasen des
Geschmacks bis weit über die
Hälfte des ist. Jahrhunderts.
Alle deutsche Erfindungsgabe,
alle Selbslthätigkeit auf dem
Gebiete des Kunstgewerbes
schien im Sumpfe des lieb-
gewordenen Schlendrians ret-
tungslos untergegangen zu
sein. Da trat nach den Jahren
70 und 71 unverhofft eine
Wandlung zum Besseren ein;
für das deutsche Kunstgewerbe
brach eine neue Aera an, nach-
dem französischer Dünkel und
frecher Uebermuth gedemüthigt
waren. Man wandte sich wie-
derum der altdeutschen Renais-
sance zu, mit der Absicht, in
demselben Sinne Neues zu
schaffen, um dadurch im Laufe
der Zeit womöglich eine neue
Stilart, gewissermaßen eine
neue deutsche Renaissance zu
gewinnen. Daß diese Idee aber eine durchaus fruchtbare und glückliche war,
sollte durch den ungeahnten Erfolg, welchen die Berliner Gewerbeausstellung
im Jahre 187Y errang, aufs Glänzendste bestätigt werden. Doch leider be-
mächtigte sich die Mode sehr bald dieser neuen so lebenskräftigen Strömung
und zwar in so durchaus verständnißloser und täppischer Weise, daß die noch
in ihren ersten Anfängen sich befindende neue deutsche Renaissance nach kaum
fünf Jahren wieder anfing zu erlöschen. Kurz vor, vielleicht auch gleich nach
der Berliner Gewerbeausstellung waren mit einem Male die altdeutschen
 
Annotationen