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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Minkus, Fritz: Atelier-Stil, [2]
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Statsmann, Karl: Bruno's Heim, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0025

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Zanuar-Hefl.

Zeile ff.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Der „Atelier-Stil", wie wir ihn nennen wollen, hat sich
bei uns nach und nach immer breitere Bahn gebrochen: allüberall
begegnen wir jenen echt persönlichen Aarakter tragenden Woh-
nungseinrichtungen, und es ist
nicht zuletzt die Hand der deutschen
Hausfrau, der wir dieses Ar-
rangement verdanken.

Drei Punkte sind es, die
bei der Wohnungseinrichtung
obengeschilderter Art vornehm-
lich in Betracht kommen: f. sorg-
fältige Hut vor Ueberladung, zu
der der Stil hochgradig verlockt;

2. die genaue Beobachtung des
Umstandes, daß sich stilistisch
ungleichartige Gegenstände nur
dann nebeneinander vertragen,
wenn sie Harmonie der Linie
und Farbe zu einem Ganzen
verbindet; Z. die Berücksichtigung
der Thatsache, daß eine zu sehr
von eigener Hand ausgeführte
Znnen-Dekoration gar leicht den
Aarakter des Dilettantischen und
Zmprovisirten trägt; und daß,
die nöthigen Angaben voraus-
gesetzt, der Tapezierer und der
Dekoratör leicht im Stande sind,

Wohnungen streng im Aarakter
und Geschmack ihrer Besitzer
auszustatten.

Die Ueberladung ist eine
Hauptgefahr des Stiles: allzu-
verschwenderische Anhäufung

von Teppichen, Paravents, Makartsträußen, Zierstücken und
Mobiliargegenständen selbst, benimmt einem Wohnraum die Be-
quemlichkeit und gibt ihm das Aussehen eines Uköbellagers.
Auch hier gilt jenes kategorische Hauptgebot aller Aunst, das

Abbildung Numiiier ,2. Treppen-Haus aus einer pariser Villa

Gebot des Naßhaltens. Zn Bezug auf die Vereinigung von
Werken der verschiedensten Stile in ein und demselben Raume sei
betont, daß sie unser Stil eher begünstigt als verpönt: theils aus

praktischen Gründen, denn es
ist undurchführbar die nach und
nach in einem Haushalte sich
ansammelnden Gebrauchs- und
Ziergegenstände allesammt in
ein und demselben Stile zu halten,
theils aus malerischen Gründen,
da oft die Erzeugnisse der ver-
schiedensten Stile miteinander
einen äußerst pittoresken Akkord
bilden, theils in der ausgespro-
chenen Vorliebe unserer Zeit für
die kunstgewerblichen Produkte
aller Stilepochen. Ein massiger
Renaissanceschrank verträgt sich
ganz gut in einem Raume mit
einem graziösen Rokokofauleuil,
wenn ihre krassen Gegensätze
durch eine geschickte Verbindung,
durch zwischenstehende Gegen-
stände ausgeglichen werden;
ebenso läßt sich gegen eine Ver-
einigung der feindlichsten Farben
nichts einwenden, wenn ihre
Aontraste durch entsprechende
Uebergänge gemildert werden.
Bei allen solchen Aombinationen
muß aber eben der richtige Sinn
für Harmonie von Farben und
Formen die Hauptrolle spielen.
— Berücksichtigt man die oben
angeführten Punkte, so kann man sicher sein, mit Ausdauer und
Liebe die Ausschmückung des Heimes zu einer wohnlichen und
stilvollen zu machen, in ihr persönliche Ansprüche und Geschmacks-
richtung in trefflichster Weise zur Geltung zu bringen. —

sichtbar. Ein paar große Gelgemälde in geschnitzten Goldrahmen,
meist Feldherren aus der Zeit Ludwigs XIV. mit glänzenden,
Pallasch, Nänner mit Allongeperrücken, mit stolzem Gesichts-
ausdruck, mit großen dunkelen Augen, gerötheten Wangen, wulstigen
Lippen, schmücken die Wände und Pfeiler und verleihen dem
Gemache eine gewisse Würde, vermitteln durch das Gold des
Rahmwerks das vielfarbige des Raumes.

Die Abmessungen der Zimmer sind nicht übermäßig. Zm
Durchschnitt das bürgerliche Naß von 5 : 6 Meter und 3,50 bis
3,70 Meter lichte Höhe. Es sind behagliche Räume, auch die
Sitzmobilien in den verschiedenen Zimmern sind behaglich. Neben
festen, berohrten Stühlen ist eine Auswahl gepolsterter vorhanden,
so daß man sich die passende Art des Sitzes leicht auswählen
kann. Unter den gepolsterten sind solche mit holzgeschnitzten,
theilweise vergoldeten Gestellen bevorzugt, bequeme Rokoko- oder
Empiremöbel, im Stoff geblümt oder mit buntem geometrischem
Grnament geziert.

Der größte Theil der Mobilien ist alt und wird in Folge
dessen stets gefällig und nicht nach Art moderner Möbel der
Mode unterworfen sein. Meine Betrachtungen über Bruno's
Alterthümer hatte ich im Stillen fortgesetzt, was ich um so eher
thun konnte, als Bruno ein schweigsamer Mensch ist und Frau
Hertha mit den Aindern in den Garten gegangen war, wohin
wir unter den Apfelbaum, von dem aus man die prächtige Rund-
sicht genießt, nachzufolgen versprachen.

Wenn es sich um seine Aunstschätze handelte und man ihn

anzapfte, war Bruno übrigens recht mittheilsam. So erfuhr ich
denn, wie und woher er seine Sammlungen erworben. Seine
benachbarte Vater- und Aantonalstadt ist selbst Fundort der vor-
züglichsten Alterthümer, welche sich hier besonders lange erhalten
haben, weil sich die Stadt nicht nach Art anderer Städte durch
den modernen Verkehr geändert hat. Zn diesen. Orte sitzt eine
große Zahl von Patriziern, theilweise Abkömmlingen von Adels-
geschlechtern, welche mit großer Pietät das Erworbene bewahren,
insbesondere für gute Aunstschätze Sinn und Verständniß haben.
Wir treffen da noch die alten Wohnungen der Nobiles mit Wendel-
treppenzugang oder Renaissance-Prachttreppenaufgängen, mit
Marmorkaminen, die Wände, auch die Aorridore, mit Gelbildern
des f7. und s8. Zahrhunderts geziert, und diese Wohnungen ent-
sprechen ja gerade wieder dem heutigen Geschmacks, weil sie stim-
mungsvoll sind, abwechslungsreich und mit Leichtigkeit in ihrer
altehrwürdigen Form benutzt oder umgestaltet werden können.
Freilich eignen sie sich mit ihrem überkommenen Schmucke besonders
nur für den Grt, an welchem die alten Traditionen noch lebhaft
sind. Daran dachte auch Bruno bei der Einrichtung seines Hauses.
Unter den Zierrathen desselben befindet sich doch eine stattliche
Anzahl solcher, die er ererbt von seinen Vätern und solchen, an
denen entweder eine Erinnerung hängt an eigene Ahnen oder
welche von solchen selbst hergestellt worden. Unter den Gelbildern
glaubte ich selbst da und dort verwandte Züge des Geschlechtes
Bruno zu erkennen. Und unter den Mobilien sind einige, welche
Bruno's Urgroßmutter mit Schäferszenen bestickte. u°rts-tzg.imzebr.-hest.>
 
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