Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur (54.1938-1939)

Alfred Kubin. Gestrandeter Wal

Von der Bedeutung Alfred Kubins

,,Das Außere ist ein in Geheimniszustand versetztes Inneres." Novalis

Eine Gestalt wie die des am 10. April 1877 in Leit-
meritz in Böhmen als Sohn eines ehemaligen Jäger-
offiziers geborenen Alfred Kubin wird stets umstrit-
ten sein. Für alle, denen sich die Erscheinungswelt
in ihrer Augenfälligkeit erschöpft, ist Kubin ledig-
lich ein Phantast, dessen zu Papier gebrachte ^Hirn-
gespinste" als private und intellektuelle Konstruktio-
nen anzusprechen sind, so daß ihnen keinerlei Be-
deutung für die Allgemeinheit zukommt.
Es dürfte schwierig sein, diese Verneinung Kubins
und seiner Kunst logisch zu entkräften, weil die Ur-
teilsebene, auf der die Logik zu Hause ist, mit den
Gehalten jener Kunst keinerlei Berührung aufweist.
Im Bereiche der greifbaren Sachlichkeit wie des be-
greifbar Verstandlichen ist für Gesichte, die das
Wesen in den Dingen betreffen, kein Platz. Kubin
verständlich machen heißt daher die Worte wie die

Gedanken aus einem anderen Bereiche schöpfen, in
dem das Erlebnis, das Bild und die "Wahrheit mehr
gelten als die Begriffe des logisch Bichtigen. Es heißt
einer Erkenntnis dienen, zu der eben jenes Wort des
Novalis, das als Motto diesem Aufsatz voransteht,
den Zugang bildet.

Man kommt Kubin wohl am nächsten, wenn man
sich die eigentliche Bedeutung dessen klarmacht,
was wir gemeinhin ein Märchen nennen. Dieses darf
dann aber nicht bloß als eine rührende moralische
Fabel verstanden werden, mit der Großmutter die
Enkel in den Schlaf erzählt. Wir müssen vielmehr
zwischen den echten und den bloß scheinbaren Märchen
unterscheiden. In jenen tut sich ein lebendiges Wissen
um die inneren Mächte, um die dämonischen Gewalten
in der Natur kund, die bezwungen werden, indem der
Mensch sie bei ihrem Namen nennt, das heißt erkennt.

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