Zu neuen Arbeiten von Carl Schwalbach. Von Jorg Lampe
Der in Mainz geborene, aber schon mehr als drei Jahr-
zehnte in München lebende Maler Prof. Carl Schwal-
bach ist nicht nur den Lesern dieser Zeitschrift, son-
dern auch weiten Kreisen bekannt und ein Begriff, so
daß wir hier auf eine Wiedergabe seines Lebenslau-
fes und sonstiger genauer Daten verzichten können.
Da es jedoch unmöglich ist. ganz ohne Vorbereitung
an die neueren Werke des Künstlers heranzugehen
und sich mit ihnen zu befassen, sei uns eine kurze
Zusammenschau der künstlerischen Persönlichkeit
Carl Schwalbachs gestattet, die die Entwicklung zu
dem inneren und äußeren Stande in seiner gegenwär-
tigen Malerei verständlich macht.
Von jeher ist die figürliche Komposition, der Mensch
in rhythmischer Beziehung zu seinesgleichen und zum
Raum, das eigentliche Motiv in Schwalbachs Kunst.
Wir sagen nicht: das Thema, sondern das Motiv, weil
erst der wesentliche Bedeutungsgehalt in einem Kunst-
werk, der sich des Motivs als eines Vorwands be-
dient, um sich durch ihn zu offenbaren, als das Thema
verstanden werden möchte. Diese Unterscheidung ist
gerade vor der Malerei Carl Schwalbachs unerläßlich,
denn der Sinn seiner figürlichen Kompositionen wird
erst deutlich, wenn man sie nicht so sehr als solche,
sondern vom Charakter ihrer Gleichnishaftigkeit her
betrachtet. Gerade seine Bilder sind in hohem Maße
Übersetzung einer metaphysischen Idee in Erschei-
nungswirklichkeit. Weder die Ordnung noch ihre
Gliederung, weder der Rhythmus noch sein Bewe-
gungsspiel sind bei Schwalbach rein formal begrün-
det, sondern sie ergeben und bestimmen sich von der
Bedeutung her. um dessentwillen also, was im Künst-
ler zur Verkündung drängt.
Am klarsten, oder sagen wir lieber: am unmittelbar -
sten wurde die Ideenhaftigkeit in der malerischen
Thematik Schwalbachs in den zwanziger Jahren sicht-
bar. Zu jener Zeit tat sich das Metaphysisch-Geistige
in seiner Kunst gewissermaßen durch eine Zwischen-
f orm des Ausdrucks zwischen reiner Idee und körper-
licher Erscheinung kund. In vielen seiner damaligen
Bilder teilte sich das Geheimnis so hüllenlos wie mög-
lich durch eigenartig wirkende Gestaltvisionen mit.
Eines der stärksten und eindrucksvollsten Werke die-
ser Art ist der aus einem langen Reifeprozeß und
mehrfacher Verwandlung hervorgegangene ,Trost"
von 1924, der 1925 im Novemberheft dieser Zeit-
schrift abgebildet war.
Zur Erkenntnis der Grundideen Schwalbachs und da-
mit des eigentlichen Themas in seiner Kunst kann
uns das erwähnte Bild wichtige Anhaltspunkte lie-
fern. Eine in echter Haltung gebundene Trauer, Me-
lancholie und Gelassenheit zugleich, mit einem Wort:
ein tiefes Schicksalswissen, das mit kreatürlicher
Würde getragen wird, spricht aus den beiden Frauen-
gestalten des „Trostes" und nicht nur aus ihnen.
Kein Erlösungsglaube, sondern das Bekenntnis zu den
Mächten wie zur Tragik des in die Welt geborenen
Lebens prägt den Ausdruck in Schwalbachs Bildern
überhaupt. Sie haben etwas vom geistigen Charakter
der Spätantike und ihres erhöhten tragischen Be-
wußtseins in sich, ohne daß etwa schon die Frag-
würdigkeit der menschlichen Existenz als solcher
spürbar würde.
Kennzeichnend für Schwalbachs Kunst ist es ferner,
daß seine figürlichen Kompositionen fast ausschließ-
lich aus weiblichen Gestalten gebildet sind. Hiermit
wird das Naturhaft-Pathische, die Erleidnisnote in
seiner Lebensschau, die Unbewußtheit seiner geisti-
gen Erkenntnis, die sich weniger in Begriffen als
eben in Bildern und damit im Bereich des Künstleri-
schen niederschlägt, ersichtlich. Die Frau als das
Symbol der mütterlichen Erde, der Fülle und der ge-
bärenden Empfängnis, als das Gleichnis des an seine
leibhafte Wirklichkeit anheimgegebenen Lebens, ist
der Träger wie der Mittler seiner Idee-Verkündung.
Als Künstler aber und somit als männlicher Formge-
stalter ordnet er die weiblichen Bezüge, wodurch sie
erst symbolische Deutbarkeit gewinnen.
Man hat nun verschiedentlich die Malerei Schwal-
bachs auf Botticelli und Ingres zurückzuführen ver-
sucht, doch will uns damit nicht viel gewonnen schei-
nen, ichtiger und wesentlicher ist es vielmehr, das
dem Künstler und nur ihm Eigene herauszustellen.
Eine Malerpersönlichkeit von der inneren Geschlos-
senheit Schwalbachs gehört vornehmlich ihr selber
an. denn sie hat eine Ausdruckswelt geschaffen, die
allen verwandtschaftlichen Zusammenhängen zum
Trotz in erster Linie als „schwalbachisch" anzuspre-
chen und das Ergebnis einer eigenen künstlerischen
Sendung ist.
In den letzten 15 Jahren vollzog sich nun in Schwal-
bach eine Wandlung, die besonders in den neuen Ar-
beiten erkennbar wird. Das Geistig-Ideenhafte hat
sich mehr und mehr mit „Fleisch" umkleidet. Es hat
sich sozusagen in die Stofflichkeit der Natur gebettet
und scheint nun als deren Gesetz und Rhythmus auf.
Jedoch sowohl der Mensch als auch die Landschaft,
obgleich in gewissenhaften Studien der Natur abge-
lauscht, ja abgerungen, erwachsen meistens aus der
inneren Vorstellung Schwalbachs und aus seinem
eigenen Formerleben, gleichsam als eine neue und
zweite Schöpfung von der Kunst her. Sie werden um
der geistigen Thematik willen komponiert, sofern sie
nicht auch hier und da der Komposition an sich zu
dienen haben.
Die Freude an der Form ist bei einem Künstler wie
Schwalbach, der in allem und jedem das Maß er-
strebt und liebt, zu groß, als daß er sie nicht als
solche pflegen und bilden sollte. Tritt darum viel-
leicht auch in manchem seiner Bilder der innere Be-
deutungsgehalt zurück, so sind das doch nur Atem-
pausen, Studien in jenem tieferen Sinne, die das
Können wie den Ausdruck bereiten und bereichern,
um sie jederzeit einsatzfrisch und -reif zu halten,
wenn zu Verkündendes Gestalt erheischt.
Unter den hier gebrachten Bildern ist der Zyklus der
„Vier Jahreszeiten" besonders aufschlußreich, -weil
sich in ihm Bedeutung und Gestalt zu innerer Ein-
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Der in Mainz geborene, aber schon mehr als drei Jahr-
zehnte in München lebende Maler Prof. Carl Schwal-
bach ist nicht nur den Lesern dieser Zeitschrift, son-
dern auch weiten Kreisen bekannt und ein Begriff, so
daß wir hier auf eine Wiedergabe seines Lebenslau-
fes und sonstiger genauer Daten verzichten können.
Da es jedoch unmöglich ist. ganz ohne Vorbereitung
an die neueren Werke des Künstlers heranzugehen
und sich mit ihnen zu befassen, sei uns eine kurze
Zusammenschau der künstlerischen Persönlichkeit
Carl Schwalbachs gestattet, die die Entwicklung zu
dem inneren und äußeren Stande in seiner gegenwär-
tigen Malerei verständlich macht.
Von jeher ist die figürliche Komposition, der Mensch
in rhythmischer Beziehung zu seinesgleichen und zum
Raum, das eigentliche Motiv in Schwalbachs Kunst.
Wir sagen nicht: das Thema, sondern das Motiv, weil
erst der wesentliche Bedeutungsgehalt in einem Kunst-
werk, der sich des Motivs als eines Vorwands be-
dient, um sich durch ihn zu offenbaren, als das Thema
verstanden werden möchte. Diese Unterscheidung ist
gerade vor der Malerei Carl Schwalbachs unerläßlich,
denn der Sinn seiner figürlichen Kompositionen wird
erst deutlich, wenn man sie nicht so sehr als solche,
sondern vom Charakter ihrer Gleichnishaftigkeit her
betrachtet. Gerade seine Bilder sind in hohem Maße
Übersetzung einer metaphysischen Idee in Erschei-
nungswirklichkeit. Weder die Ordnung noch ihre
Gliederung, weder der Rhythmus noch sein Bewe-
gungsspiel sind bei Schwalbach rein formal begrün-
det, sondern sie ergeben und bestimmen sich von der
Bedeutung her. um dessentwillen also, was im Künst-
ler zur Verkündung drängt.
Am klarsten, oder sagen wir lieber: am unmittelbar -
sten wurde die Ideenhaftigkeit in der malerischen
Thematik Schwalbachs in den zwanziger Jahren sicht-
bar. Zu jener Zeit tat sich das Metaphysisch-Geistige
in seiner Kunst gewissermaßen durch eine Zwischen-
f orm des Ausdrucks zwischen reiner Idee und körper-
licher Erscheinung kund. In vielen seiner damaligen
Bilder teilte sich das Geheimnis so hüllenlos wie mög-
lich durch eigenartig wirkende Gestaltvisionen mit.
Eines der stärksten und eindrucksvollsten Werke die-
ser Art ist der aus einem langen Reifeprozeß und
mehrfacher Verwandlung hervorgegangene ,Trost"
von 1924, der 1925 im Novemberheft dieser Zeit-
schrift abgebildet war.
Zur Erkenntnis der Grundideen Schwalbachs und da-
mit des eigentlichen Themas in seiner Kunst kann
uns das erwähnte Bild wichtige Anhaltspunkte lie-
fern. Eine in echter Haltung gebundene Trauer, Me-
lancholie und Gelassenheit zugleich, mit einem Wort:
ein tiefes Schicksalswissen, das mit kreatürlicher
Würde getragen wird, spricht aus den beiden Frauen-
gestalten des „Trostes" und nicht nur aus ihnen.
Kein Erlösungsglaube, sondern das Bekenntnis zu den
Mächten wie zur Tragik des in die Welt geborenen
Lebens prägt den Ausdruck in Schwalbachs Bildern
überhaupt. Sie haben etwas vom geistigen Charakter
der Spätantike und ihres erhöhten tragischen Be-
wußtseins in sich, ohne daß etwa schon die Frag-
würdigkeit der menschlichen Existenz als solcher
spürbar würde.
Kennzeichnend für Schwalbachs Kunst ist es ferner,
daß seine figürlichen Kompositionen fast ausschließ-
lich aus weiblichen Gestalten gebildet sind. Hiermit
wird das Naturhaft-Pathische, die Erleidnisnote in
seiner Lebensschau, die Unbewußtheit seiner geisti-
gen Erkenntnis, die sich weniger in Begriffen als
eben in Bildern und damit im Bereich des Künstleri-
schen niederschlägt, ersichtlich. Die Frau als das
Symbol der mütterlichen Erde, der Fülle und der ge-
bärenden Empfängnis, als das Gleichnis des an seine
leibhafte Wirklichkeit anheimgegebenen Lebens, ist
der Träger wie der Mittler seiner Idee-Verkündung.
Als Künstler aber und somit als männlicher Formge-
stalter ordnet er die weiblichen Bezüge, wodurch sie
erst symbolische Deutbarkeit gewinnen.
Man hat nun verschiedentlich die Malerei Schwal-
bachs auf Botticelli und Ingres zurückzuführen ver-
sucht, doch will uns damit nicht viel gewonnen schei-
nen, ichtiger und wesentlicher ist es vielmehr, das
dem Künstler und nur ihm Eigene herauszustellen.
Eine Malerpersönlichkeit von der inneren Geschlos-
senheit Schwalbachs gehört vornehmlich ihr selber
an. denn sie hat eine Ausdruckswelt geschaffen, die
allen verwandtschaftlichen Zusammenhängen zum
Trotz in erster Linie als „schwalbachisch" anzuspre-
chen und das Ergebnis einer eigenen künstlerischen
Sendung ist.
In den letzten 15 Jahren vollzog sich nun in Schwal-
bach eine Wandlung, die besonders in den neuen Ar-
beiten erkennbar wird. Das Geistig-Ideenhafte hat
sich mehr und mehr mit „Fleisch" umkleidet. Es hat
sich sozusagen in die Stofflichkeit der Natur gebettet
und scheint nun als deren Gesetz und Rhythmus auf.
Jedoch sowohl der Mensch als auch die Landschaft,
obgleich in gewissenhaften Studien der Natur abge-
lauscht, ja abgerungen, erwachsen meistens aus der
inneren Vorstellung Schwalbachs und aus seinem
eigenen Formerleben, gleichsam als eine neue und
zweite Schöpfung von der Kunst her. Sie werden um
der geistigen Thematik willen komponiert, sofern sie
nicht auch hier und da der Komposition an sich zu
dienen haben.
Die Freude an der Form ist bei einem Künstler wie
Schwalbach, der in allem und jedem das Maß er-
strebt und liebt, zu groß, als daß er sie nicht als
solche pflegen und bilden sollte. Tritt darum viel-
leicht auch in manchem seiner Bilder der innere Be-
deutungsgehalt zurück, so sind das doch nur Atem-
pausen, Studien in jenem tieferen Sinne, die das
Können wie den Ausdruck bereiten und bereichern,
um sie jederzeit einsatzfrisch und -reif zu halten,
wenn zu Verkündendes Gestalt erheischt.
Unter den hier gebrachten Bildern ist der Zyklus der
„Vier Jahreszeiten" besonders aufschlußreich, -weil
sich in ihm Bedeutung und Gestalt zu innerer Ein-
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