H. R. Lichtenberger. Obsternte
Form Und Inhalt In der Malerei. Von Otto Andreas Schreiber
Nach einigen hundert Jahren wird die Malerei unse- immer dann sehr verantwortungsvolle Aufgabe,
rer Tage für den in die Vergangenheit zurück- wenn aus ihr praktische Schlußfolgerungen gezogen
schauenden Kunsthistoriker eine Einheit sein und werden sollen: es mit voller Sicherheit zu erkennen
diese Einheit wird sich auf Merkmale gründen, die ist unmöglich.
wir Zeitgenossen dieser Kunst nicht zu sehen ver- Durch die Kunstentwicklung aller Jahrhunderte geht
mögen. Wer sich dieser durch die gesamte Kunstge- das Ringen zwischen Substanz und Transsubstantia-
schichte erhärteten Tatsache bewußt bleibt, sucht tion: auch hierauf lassen sich die Verschiedenheiten
nach der Qualität, der echten Empfindung und dem der künstlerischen Gestaltungsrichtungen zurückfüh-
starken künstlerischen Ausdruck. Er läßt sich nicht ren. Die Antike, die Katakomben, die Gotik, der
auf äußerliche Kennzeichen festlegen, weil sie, die Naturalismus sind Stationen dieses Weges, der nie zu
Malmethoden, wohl etwas über landschaftliche Her- Ende gegangen werden kann. Beobachtung und Ein-
kunft, Schule und persönliches Temperament der Ordnung dieser Zusammenhänge soll den Historiker
Künstler, nichts aber über die künstlerische Kraft interessieren, für den Künstler ist alles belanglos
selbst aussagen. außer diesem einen: daß er die Sprache, die ihm ge-
Es gibt „Moderne", die jedes Bild ablehnen, auf dem geben wurde, spricht und daß der historisierende Sche-
Naturgegenstände „durchgezeichnet" sind und es matismus nicht verhindert, daß er gehört wird. Dieser
gibt die „Naturalisten", die jedes Bild ablehnen, das Schematismus macht allzuleicht den Kunstkritiker
über ein koloriertes Photo hinausstrebt. Beide sind im und den Kunstbetrachter ungerecht gegenüber der
gleichen Maße unsachlich und leichtfertig gimuir. das künstlerischen Leistung, weil er nicht Kunst und
künstlerische Element für durchaus an der Oberfläche Dilettantismus, sondern Richtung und Richtung
liegend zu halten. Dieses künstlerische Element zu unterscheiden lehrt.
erkennen, ist eine außergewöhnlich schwierige und Die kolorierenden Photographen scheiden bei dieser
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Form Und Inhalt In der Malerei. Von Otto Andreas Schreiber
Nach einigen hundert Jahren wird die Malerei unse- immer dann sehr verantwortungsvolle Aufgabe,
rer Tage für den in die Vergangenheit zurück- wenn aus ihr praktische Schlußfolgerungen gezogen
schauenden Kunsthistoriker eine Einheit sein und werden sollen: es mit voller Sicherheit zu erkennen
diese Einheit wird sich auf Merkmale gründen, die ist unmöglich.
wir Zeitgenossen dieser Kunst nicht zu sehen ver- Durch die Kunstentwicklung aller Jahrhunderte geht
mögen. Wer sich dieser durch die gesamte Kunstge- das Ringen zwischen Substanz und Transsubstantia-
schichte erhärteten Tatsache bewußt bleibt, sucht tion: auch hierauf lassen sich die Verschiedenheiten
nach der Qualität, der echten Empfindung und dem der künstlerischen Gestaltungsrichtungen zurückfüh-
starken künstlerischen Ausdruck. Er läßt sich nicht ren. Die Antike, die Katakomben, die Gotik, der
auf äußerliche Kennzeichen festlegen, weil sie, die Naturalismus sind Stationen dieses Weges, der nie zu
Malmethoden, wohl etwas über landschaftliche Her- Ende gegangen werden kann. Beobachtung und Ein-
kunft, Schule und persönliches Temperament der Ordnung dieser Zusammenhänge soll den Historiker
Künstler, nichts aber über die künstlerische Kraft interessieren, für den Künstler ist alles belanglos
selbst aussagen. außer diesem einen: daß er die Sprache, die ihm ge-
Es gibt „Moderne", die jedes Bild ablehnen, auf dem geben wurde, spricht und daß der historisierende Sche-
Naturgegenstände „durchgezeichnet" sind und es matismus nicht verhindert, daß er gehört wird. Dieser
gibt die „Naturalisten", die jedes Bild ablehnen, das Schematismus macht allzuleicht den Kunstkritiker
über ein koloriertes Photo hinausstrebt. Beide sind im und den Kunstbetrachter ungerecht gegenüber der
gleichen Maße unsachlich und leichtfertig gimuir. das künstlerischen Leistung, weil er nicht Kunst und
künstlerische Element für durchaus an der Oberfläche Dilettantismus, sondern Richtung und Richtung
liegend zu halten. Dieses künstlerische Element zu unterscheiden lehrt.
erkennen, ist eine außergewöhnlich schwierige und Die kolorierenden Photographen scheiden bei dieser
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