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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 54.1938-1939

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Bethe, Hellmuth: Ein wenig bekanntes Werk von Runge
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Christoffel, Ulrich: Michelangelo
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https://doi.org/10.11588/diglit.16487#0257

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Ein wenig bekanntes Werk von Runge. Von Hellmuth Bethe

Von Rünges zahlreichen Freunden hat keiner nach
einem Wort Daniel Runges „seinem Herzen und
Geiste" so nahe gestanden wie sein pommerscher
Landsmann Friedrich August von Klinkowström1).
Als preußischer Leutnant a. D. kam er. der Sproß
einer von den Schweden geadelten Stralsunder Patri-
zierfamilie, 1802 zusammen mit Caspar David Fried-
rich zum Studium der Malerei nach Dresden und
schloß dort mit Runge eine bis zu dessen frühem
Tode währende innige Freundschaft. 1804 teilte er
mit Runge dessen Atelier in Hamburg, 1806 und
1807 traf er sich mit ihm in Runges Heimatstadt
"Wolgast und auf dem Klinkowströmschen Gut Lud-
wigsburg bei Greifswald, 1808 besuchte er ihn auf
der Reise nach Paris in Hamburg und blieb fortan
bis 1810 in dauernder brieflicher Fühlung mit ihm.
Würden diese Tatsachen an sich schon genügen, uns
für die Persönlichkeit Klinkowströms zu interessie-
ren, so wächst unsere Aufmerksamkeit noch ange-
sichts des prachtvollen lebensgroßen Porträts (65 mal
48 cm), das Runge im Spätherbst 1808 in Hamburg
von ihm gemalt hat (Abb. S. 242). Das Bildnis, das
nach einem Brief Runges vom 22. November 1808
unmittelbar vorher entstand"), ga.lt in der Runge-
Literatur als verschollen3), trotzdem es bereits 1928
in den Besitz der Galerie des 19. Jahrhunderts in
Wien gelangt und in der neuesten Auflage des Gale-
riekatalogs kurz erwähnt und in kleinem Maßstab
auch abgebildet ist4).

Wenn es hier mit Genehmigung der Direktion der
Galerie reproduziert wird, so geschieht das nicht nur,
um die Kenntnis der Forschung von Runges Werk
zu erweitern, sondern aus der Uberzeugung heraus,
daß diese besonders reife Porträtschöpfung weiteren
Kreisen bekannt zu werden verdient.
Wie die Personifikation des Mannestums der Zeit er-
scheint der dreißigjährige einstige Leutnant im bür-
gerlichen Rock, fesselnd durch seine jugendliche Schön-
heit, die Kühnheit seiner Züge und die Bestimmtheit
&es Blicks. Kein Attribut weist auf seinen Beruf als

Michelangelo. Von Ulrich Christoffel

Die Größe Michelangelos ist nicht allein in dem Be-
sondern seiner Konzeption zu suchen, sondern ebenso
in der persönlichen Spannung, die er in jedem seiner
Hammerschläge dem Gestein mitteilt und durch die
die vergeistigende Wirkung seiner Meißelarbeit her-
vorgerufen wird. Auch wenn man in der Sagrestia
nuova von San Lorenzo in Florenz Stunden um Stun-
den vor denMedicäergräbern zubringt, wird man kaum
zu einem totalen Erfassen der einzelnen plastischen
Gestaltungen gelangen können und immer mit dem
Gefühl scheiden müssen, daß man an diesem Formen-
reichtum nur herumrätseln kann. Die Abbildung
einer Hand oder eines Kopfes, die durch die Tren-
nungsarbeit des Photographen aus dem Zusammen-

Maler und seine geistigen Interessen. Aller Nachdruck
ist auf den Kopf gelegt, so breit und flüssig Rock,
Kragen und Halsbinde auch ausgeführt sind. Ein
Hauch des Lebens geht von dem Kunstwerk aus, das
in seiner unkonventionellen Haltung als das schönste
Zeugnis der Freundschaft zwischen Runge und
Klinkowström bezeichnet werden darf.
Runge selbst war das Gemälde offenbar besonders
wert. Denn während er seine Porträts von Familien-
mitgliedern vielfach verschenkte, behielt er das seines
„teuersten Freundes". Mit Runges künstlerischem
und literarischem Nachlaß kam das Bild in die Ob-
hut seines Bruders Daniel in Hamburg, der Klinkow-
ström ebenfalls freundschaftlich verbunden war. Erst
als Daniel Runge 1856 unvcrmählt starb, fiel es an-
scheinend den in Wien lebenden Nachkommen Klin-
kowströms zuJ) ; jedenfalls ist es aus deren Besitz
1928 in die Wiener Galerie gelangt.
Über den Lebensweg Klinkowströms nach Runges
Tod sei nur soviel gesagt, daß er sich 1810—11 in
Rom aufhielt und dann nach Wien ging, wo er sich
verheiratete, eine Erziehungsanstalt gründete und
1855 starb. Als Maler hat er es — halb Romantiker,
halb Klassizist — über ein schwaches Nachahmertum
nicht herausgebracht0). Als Mensch aber wird er un-
vergessen bleiben, solange Runges Briefe an ihn ge-
lesen werden, und solange sein Bildnis den Reiz seiner
Persönlichkeit offenbart.').

Philipp Otto Runges Hinterlasselle Schriften, herausgegeben von
Daniel Runge, Band II, 1841, S. 493.

2) Hinterlassene Schriften II, S. 372.

3) So noch bei Otto Böttcher, Philipp Otto Runge, 1937, S. 295.

4) Österreichische Galerie, Wien. Galerie des 19. Jahrhunderts im
oberen Belvedere, 2. Aufl., 1957, S. 47, Abb. Taf. 23 links.

5) 1840 war das Gemälde nachweislich noch in Hamburg. Vgl. Hinter-
lassene Schriften I, 1840, S. 367.

6) Sein einziges größeres Werk, die 1806 in Dresden geschaffene Kopie
von Correggios Nacht, wegen dessen Verkauf sich Runge 1807 an
Goethe wendete, hängt als Altarbild in der Greifswalder Marienkirche.
") Ein Selbstbildnis Klinkowströms ist in dem Buche A. v. Klinkow-
ströms F. A. v. Klinkowström und seine Nachkommen, Wien 1877,
wiedergegeben.

hang der Figur herausgelöst wird, erscheint daher oft
als etwas Neues, was man vor dem Original noch nie
gesehen hat, und man erstaunt über die Veränderung,
die das Bild eines Kopfes bei verschiedenem Stand-
punkt der Betrachtung oder durch Isolierung erfah-
ren kann. Die Photographie kann die Formen der
plastischen Figuren aus einer Nähe und in einer Be-
lichtimg festhalten, wie sie sich dem menschlichen
Auge nicht darbieten, das nur durch erhebliche gei-
stige Arbeit die volle Klarheit der bildnerischen For-
men erkennen kann. So wird der Betrachter bisweilen
durch ein neues Photo daran erinnert, daß es keine
Selbstverständlichkeit ist, einen Michelangelo richtig
sehen und erfassen zu können, und daß alle Kräfte

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