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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 54.1938-1939

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Hohoff, Curt: Über das Meer und die Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.16487#0352

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Lukas Moser. „Meerfahrt." Ausschnitt aus dem linken Flügel des Tiefenbronner Altars

Über das Meer und die Malerei. Von Curt Hohoff

Über dem Meere liegen tiefblaue Schatten. Das Ideine
Schiff gleitet über die stille Oberfläche, man weiß
nicht recht, wie es geschieht, daß der Strand zurück-
bleibt und die Gegenstände auf dem Lande kleiner
werden für unser Auge. Es ist ein gleichmäßiges Vor-
wärtskommen, mühelos fast in der undurchsichtigen
Flut, und erst nach einigen Minuten faßt einen der
frische Wind, der um das Vorgebirge streicht. Zu-
gleich verändert sich die Art der Bewegung, denn das
Schiff hebt und senkt sich mit den Wellen; endlich,
noch weiter draußen, taucht es auf und nieder, sinkt
in die Wellentäler und hebt sich auf die Wogen-
kämme, so daß die Küste sichtbar wird und ver-
schwindet und man das Gefühl hat, von ihr gelöst,
auf einem anderen Element zu sein. Man gelangt aus
den tiefen Schatten, welche von den Bergen auf die
Wasserfläche geworfen wurden, heraus und gewahrt,
wie die Wellen grüngolden in der Sonne leuchten,
mit silbernen Schaumkronen. Das Wasser ist ganz
klar, man vermeint bis zum Grunde hinabsehen zu

können. Andere Schiffe kommen entgegen und schwan-
ken geschwellten Segels vorüber. So ist das Meer auf
Mosers Bild eine poetische und in ihrer Unbefan-
genheit köstliche Vorstellung. Es ist das Meer der
Legende, über welches Heilige vertrauensvoll fahren
können in herzlicher Gemeinschaft, mit demselben
Sinn für das Natürliche als das Wunderbare, mit dem
der Künstler sie gemalt hat.

Bei allen in Mittelalter und Antike wurzelnden
Malern ist das Meer nie um seiner selbst willen dar-
gestellt worden, so wenig, wie es selbständige Land-
schaften gibt, sondern immer als Sinnbild der Ferne,
des Fremden und Abenteuerlichen. Odysseus' großer
Widersacher ist Poseidon, der Meergott, und er treibt
den Heimatlosen jahrzehntelang von Gefahr zu Ge-
fahr, von Abenteuer zu Abenteuer, zur Circe, Poly-
phem und den Lästrygonen über die weinfarbene
Meerflut, wie Homer dichtet. Wir bewundern auf
pompejanischen Wandbildern den Realismus der
Schilderung; tiefgrün ist das Wasser, das Geschrei

Kunst für Alle, Jahrg. 54, Heft 11, August 1939

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