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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 54.1938-1939

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Bender, Paul: Wirklichkeit und Wahrheit im Porträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.16487#0050

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ALEXANDER
FISCHER

SELBSTBILDNIS

WIRKLICHKEIT UND WAHRHEIT IM PORTRÄT

Von Paul Bender

Ob ein Künstler vor einem Gesicht oder vor einer Landschaft sitzt,
ist im Prinzip dasselbe, denn in beiden Fällen verhält er sich gleich.
Die Gesetze, unter denen die Porträtkunst steht, sind die Gesetze der
bildenden Kunst, eine Eigengesetzlichkeit des Porträts gibt es nicht.
Deshalb ist auch jede Frage nach dem Porträt an die bildende Kunst
schlechthin gerichtet.

Es ist notwendig, bei der bildenden Kunst eine abbildende und eine
erfindende Variante zu unterscheiden. Porträtisten können aus beiden
Lagern kommen. Sind sie abbildende Künstler, dann setzen sie sich
vor ein Antlitz und entlocken ihm sein ästhetisches Geheimnis, als
erfindende Künstler lauschen sie der Form die Seele ab und bilden
diese neu aus sich heraus. Der abbildende Künstler kommt also mit
der Psyche des Modells nicht unmittelbar in Berührung, sie unter-
läuft ihm nur, weil sie mit der Form gekoppelt ist, der erfindende
Künstler aber treibt Psychologie und schreibt das Ergebnis mit neuen
Y\ orten nieder. Ob man das eine oder andre ist, hängt von der Be-
gabung ab: die Fähigkeit, die dem abbildenden Künstler angeboren
ist, besteht darin, daß er die Schönheit (als Zusammenklang von Far-
ben, Linien oder Körpern) in der Natur, d. h. in der Verschleierung
der Natur, wiedererkennt (beim Landschaftsmaler bedeutet das: Blick
für Motive haben), dem erfindenden Künstler aber ist die Kenntnis

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