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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 54.1938-1939

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Kroll, Bruno: Vom malerischen Sehen: zu den Bildern des Malers Erwin Filter
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich: Rechter Kunstgenuß
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https://doi.org/10.11588/diglit.16487#0119

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und Geheimnisse. So bezwingt sie ihn bald in einer
herbstlichen Stimmung und lockt dem Pinsel des
Malers braune, rauchgraue, violette Klänge hervor:
bald reizt das gedämpfte verhangene Licht über der
glasigen Klarheit der vereisten Altoder und die Far-
ben ersterben im dumpfen Blaugrün und fahlem
Ocker. Dann aber erklingen im Frühling und Som-
mer der Landschaft die freudigen Akkorde empor.
Das Ocker lichtet sich zum strahlenden Gelb, zu
einem leuchtenden Korngelb: das dumpfe Blau-
schwarz zu einem schmetternden Kobalt, und Rosa
stellen sich ein und Lila und ein lichtes Grün. Der
Pinsel flitzt jubilierend über die Leinwand und zau-
bert eine Vision von steilem Abhang, breitem trägem
Fluß, verklingender Ferne, so unmittelbar, so lebendig,
daß dies Erdreich in seiner bezaubernden Anmut und
doch auch in seiner herben Größe wieder erstrahlt.
Breiter ist in den letzten Jahren der Pinselhieb ge-
worden. Flüssiger die Malerei. Selbstbewußter das
Handwerk. Größer die künstlerische Anschauung.
Er ist gewachsen, dieser Maler Erwin Filter. Bedeu-
tend sogar. Und doch nicht ohne innere Sorge dar-
über. Die bange Frage ist es, die auf ihm lastet: darf
der Maler malen, auch heute noch? Oder muß er

Rechter Kunstgenuß. Von W. H. Wackenroder

Immerfort höre ich die kindische und leichtsinnige
Welt klagen, daß Gott nur so wenige recht große
Künstler auf die Erde gesetzt habe: ungeduldig starrt
der gemeine Geist in die Zukunft, ob der \ ater der
Menschen nicht bald einmal ein neues Geschlecht von
hervorglänzenden Meistern werde auferstehen las-
sen. Ich sage euch aber, es hat die Erde der vortreff-
lichen Meister nicht zu wenige getragen: ja es sind
ihrer einige so beschaffen, daß ein sterbliches Wesen
sein ganzes Leben hindurch an einem einzelnen zu
schauen und zu begreifen hat: aber wahrlich! viel,
viel zu wenige sind derer, welche die Werke dieser
(aus edlerem Tone geformten) Wesen innig zu ver-
stehen und (was dasselbe ist) inniglich zu verehren
imstande sind.

Bildersäle werden betrachtet als Jahrmärkte, wo man
neue Waren im Vorübergehen beurteilt, lobt und ver-
achtet: und es sollten Tempel sein, wo man in stiller
und schweigender Demut und in herzerhebender Ein-
samkeit die großen Künstler, als die höchsten unter
den Irdischen, bewundern und mit der langen, un-

seine ursprüngliche malerische Begabung der Tyran-
nei des Zeichnerischen und der abtastbaren plasti-
schen Klarheit unterstellen? Soll der Satz, daß jede
Schönheit ihre tiefste Berechtigung und Rechtferti-
gung in sich selber trage, nicht mehr wahr sein? Ich
glaube, wo wie im Werk von Erwin Filter nie das
Gleichgewicht von organischer, kreatürlicher Ganz-
heit und künstlerischer Freiheit gefährdet ist —
da ist ein Künstler auf dem richtigen Weg. Er möge
die anderen streiten lassen, ob die malerische Form
auch heute noch berechtigt sei oder nicht, oder ob der
Maler sich auf die sogenannte .,Neuromantik" — die
stählerne Romantik — festlegen müsse. Hauptsache:
seine Form lebt.

Doch: möchten diese Zeilen auch den jungen, ent-
wicklungsfähigen Maler, von dem nun seit einigen
Wochen eine größere Sammelausstellung durch die
deutschen Gaue geht, auf das Höchste verpflichten
und nicht zuletzt auf die Forderungen einer neuen
Zeit, deren auch der ,,reine Maler" sich nicht auf die
Dauer wird entziehen dürfen. Bei dem Ernst dieses
jungen Malers verspricht die weitere Entwicklung
interessant zu werden. ~\ ielleicht wegweisend für die
Beihe verwandter Veranlagungen. K K-

verwandten Betrachtung ihrer Werke, in dem Son-
nenglanze der entzückendsten Gedanken und Emp-
findungen sich erwärmen möchte.
Ich vergleiche den Genuß der edleren Kunstwerke
dem Gebet. Der ist dem Himmel nicht wohlgefällig,
welcher zu ihm redet, um nur der täglichen Pflicht
entledigt zu werden. V orte ohne Gedanken herzählt
und seine Frömmigkeit prahlend nach den Kugeln sei-
nes Rosenkranzes abmißt. Der aber ist ein Liebling
des Himmels, welcher mit demütiger Sehnsucht auf
die auserwählten Stunden harrt, da der milde himm-
lische Strahl freiwillig zu ihm herabfährt, die Hülle
irdischer Unbedeutendheit, mit welcher gemeiniglich
der sterbliche Geist überzogen ist. spaltet und sein
edleres Innere auflöst und auseinanderlegt: dann
kniet er nieder, wendet die offene Brust in stiller
Entzückung gegen den Himmelsglanz und sättigt sie
mit dem ätherischen Licht: dann steht er auf, froher
und wehmütiger, volleren und leichteren Herzens
und legt seine Hand an ein großes, gutes Werk. —
Das ist die wahre Meinung, die ich vom Gebet hege.

Künstleranekdoten

Max Slevogt hatte den Auftrag übernommen, einen
Parvenü zu porträtieren. Das Bild machte ihm ent-
setzliche Schwierigkeiten, weil das Objekt für den
Künstler alles andere als anregend war. Außerdem
war es störend, daß der Auftraggeber dauernd an der
Arbeit herummäkelte. Mal fand er die Farben zu
grell, dann gefiel ihm die Darstellung seiner Nase nicht,
und überhaupt sähe er auf dem Bild unfreundlich aus.

Schließlich brach Sievogts Geduld. .,Schweigen Sie
endlich!" herrschte er ihn an. ,.Sonst male ich Sie ge-
nau so. wie Sie aussehen!"

Whistler wurde gefragt, was er von Rodin halte. Er
zögerte, wand sich und sagte schließlich: ..Rodin? oh.
oh — gut. aber er macht aus dem Menschen eine
Landschaft."

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