heit fügen. Wie sich beispielsweise auf dem „Winter"
die Starre von Eis und Schnee in der aufragenden Er-
loschenheit der nackten Bäume widerspiegelt, wäh-
rend sie in den beiden armen Holzsammlerinnen, die
sich am schmalen Feuer wärmen, fast noch gesteigert
als die Macht der Elemente über den Menschen erleb-
bar wird, das prägt sich dem Beschauer unverlierbar
ein. Der ,.Sommer11 wieder ist nicht als eine leuch-
tende Heiterkeit, sondern von der Dämonie des Ge-
witters wie des Sturmes her seiner Idyllik beraubt
und von starker innerer Bewegimg durchflutet, die
gleichfalls den Menschen heimzusuchen scheint. Im
,,Herbst" berühren sich die Reife und das Sterben,
so daß auch hier friedevoller Segen und Schicksals-
tragik als polarer Widerstreit zur Geltung kommen.
Einzig der „Frühling" gehört dem Blühen und der
Hoffnung, die sich wie ein geheimnisvolles Verspre-
chen über die Menschen und die Landschaft breiten.
Die „Weinlese11 oder „Die klugen und die törichten
Jungfrauen11 als reiche Kompositionen von verhalte-
nem Rhythmus legen von Schwalbachs Begabung für
die musikalische Gestaltung figürlicher Zusammen-
klänge Zeugnis ab. Man beachte bei dem zweitge-
nannten Bilde den Horizontal- und Vertikalaufbau
sowie die charakterlich verschiedene Antlitzprägung,
die sich links bis zur Törin mit dem Spiegel steigert,
dagegen Reife und Besinnlichkeit aus den Gesichtern
der klugen Mädchen sprechen. Während das ganze
Bild tonig gehalten ist. geben ihm einige stärkere
Farbakzente, wie das Blau im Kasten auf dem Boden
und das Gelb im Rock der einen törichten Jungfrau
ausstrahlende Bedeutungspunkte.
Zu den feinsten und beseeltesten Bildern gehört die
„Bast11 mit zwei Mädchen, von denen sich das eine
mit dem nackten Oberkörper die Haare aufsteckt,
während das andere, in völliger Entspannung auf
einen Mauer kränz gelehnt, besinnlich auf die Freun-
din niederschaut und dabei doch fast mehr nach
innen als nach außen blickt. Der Blumenstrauß, der
von der Mauer herabhängt, der Rechen, der an sie
gelehnt ist, der Krug neben der Sitzenden und nicht
zuletzt auch die Raumtiefe des Hintergrundes sowie
die hell und warm getönten Farben tragen das Ihre
dazu bei, daß dieses Bild eine große Ruhe und den
Frieden echter Rast ausströmt, denen die Klarheit
der kräftig-gesunden Formen eine naturhafte Weihe
gibt. Nacken- und Rückenlinie der Sitzenden, die
Haltung der Arme und das Spiel der Hände mit dem
Haar, die füllige Rundung der Stehenden und die
Gelöstheit ihrer müßigen Hände sowie der leicht nach
rechts geneigte Kopf drücken derbe Anmut von erd-
hafter Frische aus. Hier ist das schicksalhafte Krea-
tursein in eine tiefere Heiterkeit eingegangen, die
uns erfreut und innerlich befreit.
Sowohl von seiner kultiviert tonigen Malerei als auch
von seiner Form her, durch sein reifes Verhältnis zur
menschlichen Gestalt sowie durch seine gepflegte und
reiche kompositionelle Erfahrung dürfte Schwalbach
in hohem Maße berufen sein, die vielfach geschwächte
Kunstform der Darstellung des Menschen um wesent-
liche Gestaltungswerte zu bereichern. Seine geistige
wie künstlerische Schau und Ideenschöpfung, die auf
ein Tieferes, auf die Verkündung echter Lebenswahr-
heit gerichtet sind, erfüllen seine Formenwelt mit
innerer Notwendigkeit, die der Kunst erst die Macht
gibt, den Alenschen erlebnismäßig anzusprechen.
Möge diese Notwendigkeit in der Malerei Carl Schwal-
bachs erhalten bleiben. Was er in seinem „Trost" und
ähnlich tiefen Bildern säte, ist heute zur Ernte reif
geworden. Frucht ist es, was wir uns von seiner Kunst
erwarten, Frucht, die geheimnisvolles Sein und Leben
in gleichnishaft bewegter Formgestaltung offenbart.
Die Bildsäule. Von Adalbert Stifter*)
„Warum habt Ihr mir denn nicht gesagt", sprach ich
weiter, „daß die Bildsäule, welche auf Eurer Mar-
mortreppe steht, so schön ist?"
„Wer hat es Euch denn jetzt gesagt?11 fragte er.
„Ich habe es selber gesehen", antwortete ich.
„Nun, dann werdet Ihr es um so sicherer wissen und
mit desto größerer Festigkeit glauben'", erwiderte
er, „als wenn Euch jemand eine Behauptung darüber
gesagt hätte."
„Ich habe nämlich den Glauben, daß das Bildwerk
sehr schön sei11, antwortete ich, mich verbessernd.
„Ich teile mit Euch den Glauben, daß das Werk von
großer Bedeutung sei", sagte er.
„Und warum habt Ihr denn nie zu mir darüber ge-
sprochen?" fragte ich.
„Weil ich dachte, daß Ihr es nach einer bestimmten
Zeit selber betrachten und für schön erachten wer-
det", antwortete er.
„Wenn Ihr mir es früher gesagt hättet, so hätte ich
es früher gewußt", erwiderte ich.
*) Aus dem ,.Nachsommer".
..Jemanden sagen, daß etwas schön sei", antwortete
er, „heißt nicht immer, jemanden den Besitz der
Schönheit geben. Er kann in vielen Fällen bloß glau-
ben. Gewiß aber verkümmert man dadurch demjeni-
gen das Besitzen des Schönen, der ohnehin aus eige-
nem Antrieb darauf gekommen wäre. Dies setzte ich
bei Euch voraus, und darum wartete ich sehr gerne
auf Euch."
„Aber was müßt Ihr denn die Zeit her über mich
gedacht haben, daß ich diese Bildsäule sehen konnte
und über sie geschwiegen habe?11 fragte ich.
„Ich habe gedacht, daß Ihr wahrhaftig seid", sagte
er, „und ich habe Euch höher geachtet als die, welche
ohne Uberzeugung von dem Werke reden, oder als
die, welche es darum loben, weil sie hören, daß es
von andern gelobt wird."
„Und wo habt Ihr denn das herrliche Bildwerk her-
genommen?" fragte ich.
„Es stammt aus dem alten Griechenlande", antwor-
tete er . . .
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die Starre von Eis und Schnee in der aufragenden Er-
loschenheit der nackten Bäume widerspiegelt, wäh-
rend sie in den beiden armen Holzsammlerinnen, die
sich am schmalen Feuer wärmen, fast noch gesteigert
als die Macht der Elemente über den Menschen erleb-
bar wird, das prägt sich dem Beschauer unverlierbar
ein. Der ,.Sommer11 wieder ist nicht als eine leuch-
tende Heiterkeit, sondern von der Dämonie des Ge-
witters wie des Sturmes her seiner Idyllik beraubt
und von starker innerer Bewegimg durchflutet, die
gleichfalls den Menschen heimzusuchen scheint. Im
,,Herbst" berühren sich die Reife und das Sterben,
so daß auch hier friedevoller Segen und Schicksals-
tragik als polarer Widerstreit zur Geltung kommen.
Einzig der „Frühling" gehört dem Blühen und der
Hoffnung, die sich wie ein geheimnisvolles Verspre-
chen über die Menschen und die Landschaft breiten.
Die „Weinlese11 oder „Die klugen und die törichten
Jungfrauen11 als reiche Kompositionen von verhalte-
nem Rhythmus legen von Schwalbachs Begabung für
die musikalische Gestaltung figürlicher Zusammen-
klänge Zeugnis ab. Man beachte bei dem zweitge-
nannten Bilde den Horizontal- und Vertikalaufbau
sowie die charakterlich verschiedene Antlitzprägung,
die sich links bis zur Törin mit dem Spiegel steigert,
dagegen Reife und Besinnlichkeit aus den Gesichtern
der klugen Mädchen sprechen. Während das ganze
Bild tonig gehalten ist. geben ihm einige stärkere
Farbakzente, wie das Blau im Kasten auf dem Boden
und das Gelb im Rock der einen törichten Jungfrau
ausstrahlende Bedeutungspunkte.
Zu den feinsten und beseeltesten Bildern gehört die
„Bast11 mit zwei Mädchen, von denen sich das eine
mit dem nackten Oberkörper die Haare aufsteckt,
während das andere, in völliger Entspannung auf
einen Mauer kränz gelehnt, besinnlich auf die Freun-
din niederschaut und dabei doch fast mehr nach
innen als nach außen blickt. Der Blumenstrauß, der
von der Mauer herabhängt, der Rechen, der an sie
gelehnt ist, der Krug neben der Sitzenden und nicht
zuletzt auch die Raumtiefe des Hintergrundes sowie
die hell und warm getönten Farben tragen das Ihre
dazu bei, daß dieses Bild eine große Ruhe und den
Frieden echter Rast ausströmt, denen die Klarheit
der kräftig-gesunden Formen eine naturhafte Weihe
gibt. Nacken- und Rückenlinie der Sitzenden, die
Haltung der Arme und das Spiel der Hände mit dem
Haar, die füllige Rundung der Stehenden und die
Gelöstheit ihrer müßigen Hände sowie der leicht nach
rechts geneigte Kopf drücken derbe Anmut von erd-
hafter Frische aus. Hier ist das schicksalhafte Krea-
tursein in eine tiefere Heiterkeit eingegangen, die
uns erfreut und innerlich befreit.
Sowohl von seiner kultiviert tonigen Malerei als auch
von seiner Form her, durch sein reifes Verhältnis zur
menschlichen Gestalt sowie durch seine gepflegte und
reiche kompositionelle Erfahrung dürfte Schwalbach
in hohem Maße berufen sein, die vielfach geschwächte
Kunstform der Darstellung des Menschen um wesent-
liche Gestaltungswerte zu bereichern. Seine geistige
wie künstlerische Schau und Ideenschöpfung, die auf
ein Tieferes, auf die Verkündung echter Lebenswahr-
heit gerichtet sind, erfüllen seine Formenwelt mit
innerer Notwendigkeit, die der Kunst erst die Macht
gibt, den Alenschen erlebnismäßig anzusprechen.
Möge diese Notwendigkeit in der Malerei Carl Schwal-
bachs erhalten bleiben. Was er in seinem „Trost" und
ähnlich tiefen Bildern säte, ist heute zur Ernte reif
geworden. Frucht ist es, was wir uns von seiner Kunst
erwarten, Frucht, die geheimnisvolles Sein und Leben
in gleichnishaft bewegter Formgestaltung offenbart.
Die Bildsäule. Von Adalbert Stifter*)
„Warum habt Ihr mir denn nicht gesagt", sprach ich
weiter, „daß die Bildsäule, welche auf Eurer Mar-
mortreppe steht, so schön ist?"
„Wer hat es Euch denn jetzt gesagt?11 fragte er.
„Ich habe es selber gesehen", antwortete ich.
„Nun, dann werdet Ihr es um so sicherer wissen und
mit desto größerer Festigkeit glauben'", erwiderte
er, „als wenn Euch jemand eine Behauptung darüber
gesagt hätte."
„Ich habe nämlich den Glauben, daß das Bildwerk
sehr schön sei11, antwortete ich, mich verbessernd.
„Ich teile mit Euch den Glauben, daß das Werk von
großer Bedeutung sei", sagte er.
„Und warum habt Ihr denn nie zu mir darüber ge-
sprochen?" fragte ich.
„Weil ich dachte, daß Ihr es nach einer bestimmten
Zeit selber betrachten und für schön erachten wer-
det", antwortete er.
„Wenn Ihr mir es früher gesagt hättet, so hätte ich
es früher gewußt", erwiderte ich.
*) Aus dem ,.Nachsommer".
..Jemanden sagen, daß etwas schön sei", antwortete
er, „heißt nicht immer, jemanden den Besitz der
Schönheit geben. Er kann in vielen Fällen bloß glau-
ben. Gewiß aber verkümmert man dadurch demjeni-
gen das Besitzen des Schönen, der ohnehin aus eige-
nem Antrieb darauf gekommen wäre. Dies setzte ich
bei Euch voraus, und darum wartete ich sehr gerne
auf Euch."
„Aber was müßt Ihr denn die Zeit her über mich
gedacht haben, daß ich diese Bildsäule sehen konnte
und über sie geschwiegen habe?11 fragte ich.
„Ich habe gedacht, daß Ihr wahrhaftig seid", sagte
er, „und ich habe Euch höher geachtet als die, welche
ohne Uberzeugung von dem Werke reden, oder als
die, welche es darum loben, weil sie hören, daß es
von andern gelobt wird."
„Und wo habt Ihr denn das herrliche Bildwerk her-
genommen?" fragte ich.
„Es stammt aus dem alten Griechenlande", antwor-
tete er . . .
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