Eugene Delacroix. Pferde am Meer
Die Delacroix-Ausstellung in Zürich. Von Eduard Briner
Eugene Delacroix nimmt unter den großen französi-
schen Malern in zweifacher Beziehung eine Sonder-
stellung ein. Wie der Kunstkritiker Maximilian Gau-
thier hei Gelegenheit der Zürcher Ausstellung
schrieb, ist Delacroix noch nicht in jene ruhevolle
Unsterblichkeit eingegangen, vor welcher der Tumult
des Lebens schweigt. „DieUmwälzung, die er einleitete,
dauert noch fort." Seine Geltung unter den Großen
steht außer Frage; aber die glühende A^italität seines
Schaffens, die Vielgestalt seiner Ideen und Ausdrucks-
mittel läßt noch heute, obgleich wir uns hier auf rein
kunstgeschichtlichem, historisch distanziertem Ge-
lände bewegen, starke Unterschiede und Abstufun-
gen in der individuellen Wertung zu. Als zweite,
noch wesentlich wichtigere Sonderbedeutung ist na-
türlich die Universalität, die erstaunlich weitgespannte
geistige Tragweite bei Delacroix hervorzuheben. Er
war einer der letzten großen Universalmenschen auf
dem Gebiet der Kunst. Die motivische Vielgestaltig-
keit seines Schaffens und die geistige Untermauerung
seiner Ausdruckswelt sind für das 19. Jahrhundert
etwas Einzigartiges, und durch die Gesamtheit seiner
Tagebücher und Briefe rückt Delacroix in den Be-
reich der schöpferischen Denker.
Eine Künstlerpersönlichkeit von so hohem geistigem
Rang, ein Schaffen mit so weitgespannten Beziehun-
gen in einer Ausstellung, und dazu noch außerhalb
Frankreichs, zu veranschaulichen, das war eine un-
gewöhnlich anspruchsvolle Aufgabe. Das Kunsthaus
in Zürich sah sich hier weit schwieligeren Proble-
men gegenüber als bei der umfassenden A7orführung
des Schaffens von Corot, Courbet oder der großen
Impressionisten. Dank der Unterstützung behörd-
licher und musealer Kreise und der unermüdlichen
Aktivität von Direktor Dr. Wilhelm Wartmann ist
hier die größte Delacroix-Ausstellung seit der Retro-
spektive, die der Louvre im Jahre 1950 zur Hundert-
jahrfeier der französischen Romantik durchgeführt
hat, zustande gekommen.
Louis Gillet, Mitglied der französischen Akademie,
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Die Delacroix-Ausstellung in Zürich. Von Eduard Briner
Eugene Delacroix nimmt unter den großen französi-
schen Malern in zweifacher Beziehung eine Sonder-
stellung ein. Wie der Kunstkritiker Maximilian Gau-
thier hei Gelegenheit der Zürcher Ausstellung
schrieb, ist Delacroix noch nicht in jene ruhevolle
Unsterblichkeit eingegangen, vor welcher der Tumult
des Lebens schweigt. „DieUmwälzung, die er einleitete,
dauert noch fort." Seine Geltung unter den Großen
steht außer Frage; aber die glühende A^italität seines
Schaffens, die Vielgestalt seiner Ideen und Ausdrucks-
mittel läßt noch heute, obgleich wir uns hier auf rein
kunstgeschichtlichem, historisch distanziertem Ge-
lände bewegen, starke Unterschiede und Abstufun-
gen in der individuellen Wertung zu. Als zweite,
noch wesentlich wichtigere Sonderbedeutung ist na-
türlich die Universalität, die erstaunlich weitgespannte
geistige Tragweite bei Delacroix hervorzuheben. Er
war einer der letzten großen Universalmenschen auf
dem Gebiet der Kunst. Die motivische Vielgestaltig-
keit seines Schaffens und die geistige Untermauerung
seiner Ausdruckswelt sind für das 19. Jahrhundert
etwas Einzigartiges, und durch die Gesamtheit seiner
Tagebücher und Briefe rückt Delacroix in den Be-
reich der schöpferischen Denker.
Eine Künstlerpersönlichkeit von so hohem geistigem
Rang, ein Schaffen mit so weitgespannten Beziehun-
gen in einer Ausstellung, und dazu noch außerhalb
Frankreichs, zu veranschaulichen, das war eine un-
gewöhnlich anspruchsvolle Aufgabe. Das Kunsthaus
in Zürich sah sich hier weit schwieligeren Proble-
men gegenüber als bei der umfassenden A7orführung
des Schaffens von Corot, Courbet oder der großen
Impressionisten. Dank der Unterstützung behörd-
licher und musealer Kreise und der unermüdlichen
Aktivität von Direktor Dr. Wilhelm Wartmann ist
hier die größte Delacroix-Ausstellung seit der Retro-
spektive, die der Louvre im Jahre 1950 zur Hundert-
jahrfeier der französischen Romantik durchgeführt
hat, zustande gekommen.
Louis Gillet, Mitglied der französischen Akademie,
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