B Kunstbibllothek
Staatliche Museen
zu Berlin
Nikiaus Manuel Deutsch
Frauenbildnis
Kupferstichkabinett Basel
EIN BILDNIS DER DEUTSCHEN RENAISSANCE
In der deutschen Kunst des 16. Jahrhunderts hahen
nur wenige Zweige des so gewaltigen Baumes der
Spcätgotik einige letzte Blüten getragen, die man im
wahren Sinne als deutsche Renaissance bezeichnen
kann. Hans Holhein der Jüngere als Maler und Peter
Vischer der Jüngere als Bildhauer, beide geniale
Söhne bedeutender, noch in der Gotik verwurzelter
Meister, schaffen Werke, in denen Renaissance nicht
als ertötender Fremdeinfluß erscheint, sondern als
eine innere Wandlung des Lebensgefühles, das seinen
eigenwüchsigen und vollkommenen Formausdruck
sich bildet, nicht Fremdformen übernimmt.
Auch das Frauenbildnis des Berner Meisters Nikiaus
Manuel Deutsch, eine farbige Zeichnung im Basler
Museum, gehört zu den Bildern, in denen ein Stück
cisalpiner Pvenaissanceempfindung ihren echten bild-
nerischen Ausdruck findet. Das Bildnis der Bernerin
erscheint wie ein vollendetes nordisches Gegenstück
der italienischen Frauen, wie sie eine Generation
früher in Florenz in unsterblichen Bildern verewigt
wurden.
Denken wir aber an ein solches Bildnis — des Ghir-
landajo zum Beispiel—, dann spüren wir, wie in den
Formen unserer Zeichnung doch das gotische Emp-
finden durchwirkt: wir sehen wie der wunderbar
straffe Zug des Profiles, die feine Biegung der Lip-
pen, die groß gespannte Wölbung des Auges gebogen
und gewellt sind von jenem Drängen, das alle goti-
sche Form von innen her bewegt und das sie in ihrem
Empfindungsgehalt unterscheidet von dem nach allen
Seiten Ausgeglichenen des südlichen Formaus-
druckes.
Aber dieser Bewegungsdrang schwingt hier nur wie
ein Unterton des Empfindens mit, er bestimmt nicht
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Staatliche Museen
zu Berlin
Nikiaus Manuel Deutsch
Frauenbildnis
Kupferstichkabinett Basel
EIN BILDNIS DER DEUTSCHEN RENAISSANCE
In der deutschen Kunst des 16. Jahrhunderts hahen
nur wenige Zweige des so gewaltigen Baumes der
Spcätgotik einige letzte Blüten getragen, die man im
wahren Sinne als deutsche Renaissance bezeichnen
kann. Hans Holhein der Jüngere als Maler und Peter
Vischer der Jüngere als Bildhauer, beide geniale
Söhne bedeutender, noch in der Gotik verwurzelter
Meister, schaffen Werke, in denen Renaissance nicht
als ertötender Fremdeinfluß erscheint, sondern als
eine innere Wandlung des Lebensgefühles, das seinen
eigenwüchsigen und vollkommenen Formausdruck
sich bildet, nicht Fremdformen übernimmt.
Auch das Frauenbildnis des Berner Meisters Nikiaus
Manuel Deutsch, eine farbige Zeichnung im Basler
Museum, gehört zu den Bildern, in denen ein Stück
cisalpiner Pvenaissanceempfindung ihren echten bild-
nerischen Ausdruck findet. Das Bildnis der Bernerin
erscheint wie ein vollendetes nordisches Gegenstück
der italienischen Frauen, wie sie eine Generation
früher in Florenz in unsterblichen Bildern verewigt
wurden.
Denken wir aber an ein solches Bildnis — des Ghir-
landajo zum Beispiel—, dann spüren wir, wie in den
Formen unserer Zeichnung doch das gotische Emp-
finden durchwirkt: wir sehen wie der wunderbar
straffe Zug des Profiles, die feine Biegung der Lip-
pen, die groß gespannte Wölbung des Auges gebogen
und gewellt sind von jenem Drängen, das alle goti-
sche Form von innen her bewegt und das sie in ihrem
Empfindungsgehalt unterscheidet von dem nach allen
Seiten Ausgeglichenen des südlichen Formaus-
druckes.
Aber dieser Bewegungsdrang schwingt hier nur wie
ein Unterton des Empfindens mit, er bestimmt nicht
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