Fritz Witschetzky. Mein Haus in Mürwik
Kunst und Natur
Jede Form, auch die gefühlteste, hat etwas Unwah-
res, allein sie ist ein für allemal das Glas, wodurch
wir die heiligen Strahlen der verbreiteten Natur an
das Herz des Menschen zum Feuerblick sammeln.
Goethe
Der Künstler hat zur Natur ein zwiefaches Verhält-
nis: er ist ihr Herr und ihr Sklave zugleich. Er ist
ihr Sklave, insofern er mit irdischen Mitteln wirken
muß, um verstanden zu werden; ihr Herr aber, inso-
fern er diese irdischen Mittel seinen höheren Inten-
tionen unterwirft und ihnen dienstbar macht.
Der Künstler will zur Welt durch ein Ganzes spre-
chen: dieses Ganze aber findet er nicht in der Natur,
sondern es ist die Frucht seines eigenen Geistes oder,
wenn Sie wollen, des Anwehens eines befruchtenden
göttlichen Odems. Goethe zu Eckermann
Die Kunst muß geben, was die Natur nicht hat, als-
dann kann man Schöpfer sein. Eine individuelle
Nachäff ung einer Naturpartie ist eine nötige unstreit-
bare Bemühung, aber den Geist der Natur zu fassen,
ist des Kunstwerks würdig, dies ist die eigentliche
Weise, die Natur zu studieren, aber nicht ein ewiges
geistloses Nachzeichnen, wobei die Phantasie durch
Langeweile ermüdet und vermittelst dieser Materia-
lität getötet wird. Josef Anton Koch
Alle Täuschung macht einen widrigen Eindruck, wie
aller Betrug. Z.B.Wachsfiguren werden immer etwas
Zurückstoßendes haben, je täuschender sie gemacht
sind. Ein Bild muß sich als Bild, als Menschenwerk
gleich darstellen, nicht aber als Natur täuschen wol-
len. Doch strebet immerhin ihr Maler nach Wahr-
heit, wahrhaftig täuschen werdet ihr doch nie und
ist auch nicht die Forderimg der Kunst.
Caspar David Friedrich
Die Malerei erschöpft sich nicht in Naturnach-
ahmung, obgleich sie die größte Naturfreundin sein
wird, indem sie das Weltgesetz des Daseins, des
Baumgebietes im kleinsten Grashalm schon verspürt.
So braucht sie der genauen Naturnachahmung gar
nicht aus dem Wege zu gehen, denn im guten Kunst-
werk wird die visionäre Art auch beim einfachsten
Stilleben vorhanden sein. Hans Thoma
240
Kunst und Natur
Jede Form, auch die gefühlteste, hat etwas Unwah-
res, allein sie ist ein für allemal das Glas, wodurch
wir die heiligen Strahlen der verbreiteten Natur an
das Herz des Menschen zum Feuerblick sammeln.
Goethe
Der Künstler hat zur Natur ein zwiefaches Verhält-
nis: er ist ihr Herr und ihr Sklave zugleich. Er ist
ihr Sklave, insofern er mit irdischen Mitteln wirken
muß, um verstanden zu werden; ihr Herr aber, inso-
fern er diese irdischen Mittel seinen höheren Inten-
tionen unterwirft und ihnen dienstbar macht.
Der Künstler will zur Welt durch ein Ganzes spre-
chen: dieses Ganze aber findet er nicht in der Natur,
sondern es ist die Frucht seines eigenen Geistes oder,
wenn Sie wollen, des Anwehens eines befruchtenden
göttlichen Odems. Goethe zu Eckermann
Die Kunst muß geben, was die Natur nicht hat, als-
dann kann man Schöpfer sein. Eine individuelle
Nachäff ung einer Naturpartie ist eine nötige unstreit-
bare Bemühung, aber den Geist der Natur zu fassen,
ist des Kunstwerks würdig, dies ist die eigentliche
Weise, die Natur zu studieren, aber nicht ein ewiges
geistloses Nachzeichnen, wobei die Phantasie durch
Langeweile ermüdet und vermittelst dieser Materia-
lität getötet wird. Josef Anton Koch
Alle Täuschung macht einen widrigen Eindruck, wie
aller Betrug. Z.B.Wachsfiguren werden immer etwas
Zurückstoßendes haben, je täuschender sie gemacht
sind. Ein Bild muß sich als Bild, als Menschenwerk
gleich darstellen, nicht aber als Natur täuschen wol-
len. Doch strebet immerhin ihr Maler nach Wahr-
heit, wahrhaftig täuschen werdet ihr doch nie und
ist auch nicht die Forderimg der Kunst.
Caspar David Friedrich
Die Malerei erschöpft sich nicht in Naturnach-
ahmung, obgleich sie die größte Naturfreundin sein
wird, indem sie das Weltgesetz des Daseins, des
Baumgebietes im kleinsten Grashalm schon verspürt.
So braucht sie der genauen Naturnachahmung gar
nicht aus dem Wege zu gehen, denn im guten Kunst-
werk wird die visionäre Art auch beim einfachsten
Stilleben vorhanden sein. Hans Thoma
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