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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 54.1938-1939

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Fischoeder, Karl: Hannoversche Malerei der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.16487#0294

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ger, zäher, schweigsamer, verschlosse-
ner Charakter, der auf eine lange ruhm-
reiche Geschichte von den Tagen Her-
manns an über Widukind und Hein-
rich den Löwen zu Waterloo und den
Schlachtfeldern des Weltkrieges hin-
weisen kann. Doch wäre es verkehrt,
im Niedersachsen einen barbarisch-bru-
talen Menschen zu sehen, der nur im
Zuschlagen Meister ist; Niedersachsen
und seine Hauptstadt Hannover hat
eine feinsinnige Kultur, eine Kunst, die
bei allem Natürlich-Gewachsenen nie
plump ist. sondern Fingerspitzengefühl.
Zartheit und eine gepflegte Sprache
aufweist. Man denke nur an Herren-
hausen oder den Hof von Celle! — Aus
diesem Doppel von Natur und Kunst
entspringt die reichste Fülle verschie-
denartiger Begabungen. Charaktere und
Auffassungen, denn eben dies ist kenn-
zeichnend für die hannoversche Male-
rei: zwar streiten nicht Richtungen und
Künstlerverbände miteinander, doch
breitet sich ein Reichtum von Gestal-
tungsmöglichkeiten aus. Ist dem einen
die Linie Trägerin des Bildaufbaues,
so dem andern die Farbe. Geht es dem
einen um die Erfassung des Gegenstan-
des, so den andern tun die der Stim-
mung. Breitet der eine sein Augener-
lebnis in der Fläche aus, so führt der
andere den Beschauer in die Tiefe, und
ein dritter modelliert mit Licht und
Schatten. Gerade bei stärkerer Überein-
stimmung im Motivlichen ist die Art
der Gestaltung das Ausschlaggebende.
Alle aber wissen bei aller Verschieden-
heit um die künstlerische Grundauf-
gabe: dem Augenblick Dauer verleihen.
In einem Dörfchen bei Hannover lebt
der niederdeutsche Bauernsohn Profes-
sor Adolf Wissel auf dem Bauernhof
seines Bruders. Durch seine Bilder im
Haus der Deutschen Kunst, durch An-
käufe und Ausstellungen ist er, den wir
lange vorher schon regelmäßig in den
Ausstellungen des Kunstvereins Han-
nover sahen, allgemein bekannt gewor-
den. Bauern sind es, die Wissel in erster
Linie darstellt, aber nicht irgendwelche
Landbewohner, sondern symbolhaft soll
die Arbeit, der Charakter, die Gesin-
nung, das Wesen des Bauern seinen Aus-
Bernhard Dörries. Mädchen druck finden. Dem Wollen unserer Zeit

entsprungen, sind die Bilder in ihrer kla-
ren Farbengebung, ihrem ruhigen Auf-
bau zum Monumentalen ins Zeitlose ge-
Mensch steht im Blickpunkt, die Gegenstände um ihn steigert. Sind die Einzelheiten (die Maserung des
treten zurück oder zerfließen; denn der Mensch mit Holzes, die Hände, die Falten des Kleides) auch aus-
seinem niedersächsischen Antlitz (eine Ausstellung führlich gemalt, so wird doch nie die Großzügigkeit
im Landesmuseum im vergangenen Sommer suchte der Gesamtauffassung gestört, handwerkliche Tüch-
das „niedersächsische" Antlitz in der Plastik des tigkeit im einzelnen verbindet sich mit klarem Blick
Mittelalters aufzuspüren) ist ein stolzer, eigemvilli- für die Größe des Bildganzen.

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