Hans Thoma. Dorf im Schwarzwald. 1864
Privatbesitz, Freiburg i. Br.
Zur Hans-Thoma-Gedäehtnisausstellung der Kunsthalle in Karlsruhe. Von Jan Lauts
Volkstümlich im wahrsten Sinne zu werden, ist nur
wenigen deutschen Künstlern des 19. Jahrhunderts
beschieden gewesen, und kaum einer hat es so wie
Hans Thoma erleben können, daß seine Kunst, die
aus Landschaft und Art der engeren Heimat am
Oberrhein erwachsen war, zum Besitztum des gan-
zen deutschen Volkes wurde. Den hundertsten Ge-
burtstag dieses Meisters mit einer umfassenden Aus-
stellung seines Werkes zu ehren, war niemand mehr
berufen als die Kunsthalle zu Karlsruhe. Vor nun-
mehr hundert Jahren als öffentliches Museum be-
gründet, hat sie von 1899 bis 1919 der Leitung
Thomas unterstanden; seiner Stiftung verdankt sie
ein eigenes Thoma-Museum mit bezeichnenden
Werken aller Zeiten seines Lebens und bewahrt dazu
im Anbau der ..Kapelle" mit dem Passions- und
Kalenderzyklus das bedeutendste künstlerische Zeug-
nis seiner späten Jahre.
Vollständigkeit zu bieten, konnte bei der Fülle des
Geschaffenen nicht das Ziel einer Gedächtnisausstel-
lung sein. Es kam vielmehr darauf an. eine Auswahl
des V ichtigsten zu zeigen, um eine für alle Schaf-
fensperioden gültige Anschauung von Wesen und
Werk des Meisters zu vermitteln. Deutsche und
schweizerische Museen, vor allem die Sammlungen
in Berlin, München, Frankfurt und Hamburg haben
ihre bedeutendsten Bilder bereitwillig zurA erfügung
gestellt: aus privatem Besitz wie aus dem Kunst-
handel konnten dazu zahlreiche meisterliche, zum
Teil ganz unbekannte Gemälde gewonnen werden.
Sie alle sind Zeugnisse eines Weges, der über sechs
Jahrzehnte zu verfolgen ist und von den ersten, be-
fangen tastenden Versuchen über die Zeiten früher
Reife und Meisterschaft zu der endgültig geprägten
Form der späten Werke führt. Die Einheit der alle
Äußerungen verbindenden künstlerischen Gesin-
nung wird deutlich; Bedeutung und Grenzen der
Kunst Thomas lassen sich in gleicher Weise er-
kennen.
Zeichnungen und Bilder des Neunzehnjährigen, die
vor der Aufnahme in die Kunstschule zu Karlsruhe
entstanden, verraten ein ursprünglich frisches Talent,
auch den Zusammenhang mit der Volkskunst, aus
der Thoma — eine Zeitlang Lehrling eines Uhren-
Kurts* für Alle, Jahrg. S4, Hett 12, September 1939
46
357
Privatbesitz, Freiburg i. Br.
Zur Hans-Thoma-Gedäehtnisausstellung der Kunsthalle in Karlsruhe. Von Jan Lauts
Volkstümlich im wahrsten Sinne zu werden, ist nur
wenigen deutschen Künstlern des 19. Jahrhunderts
beschieden gewesen, und kaum einer hat es so wie
Hans Thoma erleben können, daß seine Kunst, die
aus Landschaft und Art der engeren Heimat am
Oberrhein erwachsen war, zum Besitztum des gan-
zen deutschen Volkes wurde. Den hundertsten Ge-
burtstag dieses Meisters mit einer umfassenden Aus-
stellung seines Werkes zu ehren, war niemand mehr
berufen als die Kunsthalle zu Karlsruhe. Vor nun-
mehr hundert Jahren als öffentliches Museum be-
gründet, hat sie von 1899 bis 1919 der Leitung
Thomas unterstanden; seiner Stiftung verdankt sie
ein eigenes Thoma-Museum mit bezeichnenden
Werken aller Zeiten seines Lebens und bewahrt dazu
im Anbau der ..Kapelle" mit dem Passions- und
Kalenderzyklus das bedeutendste künstlerische Zeug-
nis seiner späten Jahre.
Vollständigkeit zu bieten, konnte bei der Fülle des
Geschaffenen nicht das Ziel einer Gedächtnisausstel-
lung sein. Es kam vielmehr darauf an. eine Auswahl
des V ichtigsten zu zeigen, um eine für alle Schaf-
fensperioden gültige Anschauung von Wesen und
Werk des Meisters zu vermitteln. Deutsche und
schweizerische Museen, vor allem die Sammlungen
in Berlin, München, Frankfurt und Hamburg haben
ihre bedeutendsten Bilder bereitwillig zurA erfügung
gestellt: aus privatem Besitz wie aus dem Kunst-
handel konnten dazu zahlreiche meisterliche, zum
Teil ganz unbekannte Gemälde gewonnen werden.
Sie alle sind Zeugnisse eines Weges, der über sechs
Jahrzehnte zu verfolgen ist und von den ersten, be-
fangen tastenden Versuchen über die Zeiten früher
Reife und Meisterschaft zu der endgültig geprägten
Form der späten Werke führt. Die Einheit der alle
Äußerungen verbindenden künstlerischen Gesin-
nung wird deutlich; Bedeutung und Grenzen der
Kunst Thomas lassen sich in gleicher Weise er-
kennen.
Zeichnungen und Bilder des Neunzehnjährigen, die
vor der Aufnahme in die Kunstschule zu Karlsruhe
entstanden, verraten ein ursprünglich frisches Talent,
auch den Zusammenhang mit der Volkskunst, aus
der Thoma — eine Zeitlang Lehrling eines Uhren-
Kurts* für Alle, Jahrg. S4, Hett 12, September 1939
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