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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Mielke, Robert: Aus nordafrikanischen Fürsten-Schlössern
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0129

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Juni-Heft.

Zllüstr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Leite

der ermessen, der in einem vornehmen Maurenhause geweilt hat.
Selbst die beiden Repräsentationsräume aus dem Schloß Eharle-
ville (Abbildung Nr. (36 und Beilage I) in Algier, dessen Um-
gebung übrigens reich ist an solchen franko-maurischen Ruhesitzen,
sind für maurische Kunst bereits viel zu reich ausgestattet. Das
mag hier noch nicht so aufsallen, weil der glasirte Ziegel, der
übrigens bei guten Schlössern, Bardo, Serail, Konstantine,
Hamman-el-Lif u. a., immer mit freier Hand bemalt ist, keine
Anwendung gefunden hat, aber auch der Akkord lichter Farben,
welcher in diesen Räumen vorherrscht, verlangt nach meinem
Gefühl eine schlichtere, zusammenhängende Ausstattung.

Der Salon des eben genannten Schlosses zeigt als Dekoration
des Feldes über dem Bogen ein Prinzip der nordafrikanischen
Maurenkunst, welches ich als
ihre eigenartigste Blüthe prei-
sen möchte. Nur unvollkom-
men gibt die Fotografie den
prickelnden Reiz wieder, der
von dieser, einem zarten, lus-
tigenSchleier gleichenden Stuck-
verzierung ausgeht. Zm
Bardo (Abbildung Nr. (55),
dessen Mauern eine kleine
Stadt von Schlössern und
Gärten umschließen, die theils
in Ruinen liegen, theils von
der französischen Regierung
benützt werden, hat diese
Technik ihre glänzendsten Er-
folge zu verzeichnen. Die
Feinheit der Zeichnung und
die Sorgfalt der Ausführung
ist so überraschend, daß es
schwer ist, zu glauben, sie
seien erst in unserem Jahr-
hundert entstanden. Dieses
durcheinandergewirrte Linien-
und Sternensystem ist in
mühseliger Meise mit dem
Messer in den weichen Stuck-
mörtel gegraben, der in seiner
zarten, weißgelblichen Natur-
farbe bleibt oder höchstens in
ca. Hs m Entfernungen durch
einen farbigen blauen, rothen
oder goldigen Punkt diskret
unterbrochen wird. Selten
wird dieses Motiv wie in
unserer Abbildung durch den
Versuch einer architektonischen
Gliederung bereichert; mei-
stens zieht es sich ohne Unterbrechung an den Wänden oder Decken
entlang. Wenn ich das Gesehene noch einmal mir ins Gedächtniß
zurückrufe, möchte ich der letzteren Art den Vorzug geben. Neuer-
dings hat man diese Technik, die bereits in der Alhambra auf-
tritt, sich durch Nordafrika bis Tripolis verfolgen läßt, die ich
in ihren Uranfängen selbst in einer Gase sehen konnte, in plumper
Weise zu einem größeren Liniengeschlinge zu erweitern gesucht;
wie sich erwarten ließ, ist das Bestreben mit dem Untergang des
besseren Könnens bezahlt worden. So viel ich habe erfahren
können, wird sie, die sog. „Rolrsob Ollucli«V nicht mehr aus-
geübt und nur die Denkmäler erzählen von ihrem Dasein — das
alte Lied vom Sterben orientalischer Kunst.

Noch ein Motiv muß ich erwähnen, das zwar nicht speziell
islam-nordafrikanisch, wohl aber zu den wichtigsten Prinzipien

der hier ausgeübten Kunst überhaupt zählt: den Hufeisenbogen.
Auch er tritt in den Dienst des großen, beherrschenden Gedankens,
der die Kunst des Orients durchzieht, auch er ist im Wesentlichen
nur Flächen-Dekoration (Anfangs-Vignette). Bezeichnend ist
es, daß der Bogen da, wo er zu einem Baugliede werden will
— in den Vorhallen der Moscheen findet man es bisweilen —
sich nicht von der Antike loszulösen vermag, thut er es wie in
unserer Anfangs-Vignette, sofort wird diese struktive Bedeutung
unter dem (Überwuchern ornamentaler Zuthaten verwischt.

Wer, unkundig der Verhältnisse, nach dem Obigen ver-
muthen würde, daß Nordafrika ein Eldorado märchenhafter
Schlösser sei, der befindet sich in einem gewaltigen Zrrthum.
Schlösser gibt es genug, aber sie sind in den meisten Fällen ver-
fallen; vielfach haben sich,
wenn sie nicht als Kaserne
und Museum den heutigen
Machthabern dienen, arme
Viehhirten darin eingenistet.
Was man sehen will, muß
man in den meisten Fällen
erst suchen, wenn nicht unter
Ruinen, so doch unter der
rohen Verwüstung, die pa-
riser Dekoratöre und gefühl-
lose Be^s und Deys aus-
ausgeübt haben. Der Bardo
macht nur in den wenigsten
Theilen eine Ausnahme und
die ist auch nur da, wo Ver-
geßlichkeit und Faulheit ein-
zelneRäume„beschützt" haben.
Heute ist der Grient, im
Osten wie im Süden, nur
noch ein großes Sterben, ein
Dahinsiechen. Nur ein letztes
Aufflackern ist die Kunst un-
seres Jahrhunderts, wie sie
sich in dem Obigen darstellt.
Ein fremder Wind kommt
auch mit jedem Tage des
steigenden europäischen Ein-
flusses in das Land; er bringt
eine krankhafte Nachblüthe
hervor, um den nachfolgenden
Verfall nur um so energischer
zu fördern und vor die Augen
zu führen. Ob hier noch
eine Wandlung zu erwarten
ist? Hoffen möcht ichs, glau-
ben aber kann ichs nach den
Erfahrungen nicht. —
Bewegliches Blumenbrett. Der Firma Mejer L Michael
in Leipzig ist als beachtenswerthe Neuheit ein Blumenbrett patentirt
worden. Dasselbe ist aus Metall gefertigt, hat eine leichte, zier-
liche Form und wird an den Fensterpfeilern zur Seite der inneren
Fenster befestigt, ohne die Dekoration derselben zu beeinträchtigen,
durch Ketten wird es schwebend über dem Fensterbrett gehalten
und beim Geffnen der Fenster zur Seite geschoben. Auf jedem
solchen Blumenbrett können 3—5 Blumentöpfe Platz finden und
gehören zu jedem Fenster zwei Blumenbretter, die sich ohne
Schwierigkeit der Fensterdimension anpassen und befestigen lassen.
Sie haben sich als sehr zweckmäßig erwiesen, haben überall viel
Beifall gefunden, auch auf Ausstellungen Auszeichnungen erhalten.
Da sie nicht theuer sind, so ist vorauszusehen, daß sie immer
weitere Verbreitung finden. —

Abbildg. Nr. ;Z8. Hausthor in der Straffe Sidi Bu Criffan in Tunis.
 
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