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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Hagen, L.: China- und Japan- Waaren
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0131

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Juni-Heft.

ZIlustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite 95.

jenseits des gelben und blauen Flusses das Ding eigens zum
hohn auf die Weißgesichter des Westens erfunden hätte. Der
gute Geschmack sollte auch uns sagen, daß in der Dekoration das
Groteske von dem humoristischen gesondert werden muß. Selbst
in der Wahl der feingeschnitzten Schränke mit ihren vielen Ab-
teilungen und aus reiner Freude am Können schräg oder gebogen
gestellten Thürchen muß man vorsichtig sein. Es empfiehlt sich,
so ein Möbel auf seine Idee hin zu prüfen und sich vor dem
Ankauf die Frage vorzulegen, ob Humor genug in der Sache
steckt, um sie zu einem lieben Hausgenossen zu machen. Jedenfalls
bleiben die chinesischen und japanischen Holzschnitzereien mit ihrem
dunkelbraun oder schwarz glänzenden Ton überall von einer
gewissen vornehmen Wirkung, welche sich jeder farbigen Umgebung,
wenn auch nicht jedem Möbelstil anpaßt. Anders steht es mit
den bemalten Papierwaaren. Die schreiend bunten Riesenfächer
und die vielgliederigen Regenschirme, die man bis vor Kurzem
unterhalb der Zimmerdecken, über Spiegeln und in den Ecken der
Wände anzubringen liebte, fangen an, ein überwundener Stand-
punkt zu werden. An
ihrer Stelle sucht die
nimmer rastende Z In-
dustrie, die auch in
Thina und Japan
weiter lebt und sich
unter dem Ginfluß der
Mode fortschreitend
entwickelt, kleinere Fä-
cher in zarteren Farben-
tönen einzuführen, die
auf weich-, nicht matt-
farbigem Grunde zier-
liche Gold- und Silber-
malereien zeigen, die
fast wie Bleistiftskizzen
wirken, obwohl man
ja weiß, daß sie, gleich
der Schrift der Zopf-
völker, mit dem Pinsel
ausgeführt werden.

Bei derartigen Arbei-
ten wählt der Ghinese
meistens Landschasts-
bilder, während derZa-
Paner naturalistische
Stimmungs - Bildchen
bevorzugt. Gibt er uns eine Landschaft, so erscheint sie in die
Vogelperspektive gerückt, und bewundernswerth ist häufig, wie er
es versteht, durch einen oft nur leise angedeuteten, vorgelegten
Blüthenzweig oder dergleichen diese Landschaft in die richtige
Entfernung vom Auge des Beschauers zu bringen.

Aehnliche japanische Meisterstücke kann man — immer voraus-
gesetzt, daß man aufmerksam zu wählen versteht — unter den
billigen Lulromsuos, den „Dingern zum hängen" finden, längliche
Wandbilder, die höchst praktisch, oben und unten mit einem Holz-
stabe beschwert sind, so daß sie nicht hin- und herflattern und
aufgerollt verwahrt werden können. Ein schwarzgrundiger, gold-
getupfter Tapetenstreifen umrahmt das längliche, schmale Bild.
Herr Taen Arr hee hat z. B. ein solches für 75 Pf., das aus
lichtblauem Grunde zwei Vögel darstellt, die über einen Bach
fliegen. Die Bewegung der Thiere ist trotz der einfachen Darstellung
ganz überraschend lebenswahr, leichte Striche deuten den Lauf
des Baches an, ein blühender Strauch und Rohr erhebt sich da-
neben. Die Gesetze der Ornamentik sind trotz der naturalistischen
Darstellung vorzüglich gewahrt. Der Schwerpunkt des Ornaments
liegt in dem größeren Vogel in der Mitte des Bildes; die Sym-

metrie wird nicht mechanisch, um so besser aber geistig gewahrt
und ebenso kommt die Polarisation in dem kühnen Schwung der
Schilfblätter vorzüglich zum Ausdruck. Ze mehr unser Publikum
lernt, derartige Feinheiten der preiswerthen Waare zu schätzen,
desto schneller wird die barbarische Schundwaare von der Bild-
fläche verschwinden. Dies gilt vorwiegend von den porzellan-
waaren, bei welchen den Thinesen die größere Meisterschaft in
der Technik zuerkannt werden muß. Da sind z. B. kleine, blau-
weiße Schälchen mit den bekannten Glockentempeln, mit Bäumen
und Häusern, Alles ein klein wenig steif, aber mit vornehmer
Gesinnung aufgebaut. Die Schälchen kosten fünf Mark das Stück,
denn in ihren Rand sind durchsichtige Sternchen eingefügt, welche
in die ohnehin schon lichtdurchlässige Masse ein neues reizvolles
Lichterspiel einführen. Der Zapaner gibt uns ein gleichgroßes
Schälchen bunt bemalt, mit Fechtern und Kämpfern in aufgeregter
Stellung — lustig anzusehen, aber nicht einschmeichelnd für das
Gemüth — nicht gut davon zu essen. Wunderbar arbeitet der
Ghinese auf dem Gebiete des Zellenschmelzes, des small oloisoims.

Bekanntlich wird dieses
gewonnen, indem man
feinstes Kupferband
auf die Unterlage auf-
löthet und nun die ge-
wonnenen Abtheilun-
gen mit porzellanstaub
füllt, wobei in der Er-
zeugung weicher Ueber-
gänge große Geschick-
lichkeit entwickelt wird.
Zm Gegensatz zum
Zellenschmelz steht der
Grubenschmelz, wie er
z.B. durch die indischen
Bronzen von Muhde-
rabad vertreten wird.
Bei diesem smsil
obumplsvs sind die
ornamentalen Figuren
in das Metall einge-
graben und mit Email
gefüllt.

Die Lackarbeiten,
mit dem schwarzglän-
zenden erstarrten Safte
des Lackbaumes aus
Holz oder Pappe ausgeführt, erhalten Goldbemalung, die wieder
bei Ghina und Japan in derselben Weise von einander abweicht,
wie die Papierbemalung. Als Neuestes auf diesem Gebiete dürften
die Wandtafeln mit Specksteinauflagen oder Goldbemalung gelten,
die über Amerika den Weg zu uns gesunden haben.

Neben den allbekannten chinesischen und japanischen Stickereien
machen sich neuerdings kreppartige Baumwollenstoffe geltend, die
entweder nur farbig oder auch mit reichem Goldauftrag behandelt
sind. Zn der Hand einer feinfühligen Dekoratörin lassen sich
vornehme und harmonische Wirkungen damit erzielen. Es will
aber auch hier, wie bei allen Ghina- und Zapan-Waaren vor
dem Kauf bedacht sein, in welche Umgebung der Gegenstand
gebracht werden soll. Gs ist nicht nöthig, ein Zimmer durchweg
chinesisch oder japanisch einzurichten. Man kann die wunderlich
reizvollen Dinge sehr wohl in eine streng europäische Umgebung
einfügen, nur müssen überall die schreienden Kontraste gemieden
werden. Ghina- und Japan-Waaren sind für den guten Ge-
schmack zweischneidige Schwerter — sie wollen mit Verstand
gehandhabt sein. —
 
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