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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Seydlitz, R. von: Der Japanische Stil für die Innen-Dekoration
DOI Artikel:
Zimmermann, Ernst: Das venezianische Kunstgewerbe der Gegenwart, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0135

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Juni-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 99-

nicht sichtbare) Beleuchtungskörper besonderer Herstellung bedurften.
— Die Abbildung Nr. weist endlich ein kleines Damenzimmer
auf, in welchem alles äußerst licht gehalten ist. Die mit altgolden
schimmernden (Ornamenten inkrustirten japanischen Elfenbeinsachen
gaben die Grundidee. Die Wände sind durchweg mit elfenbein-
farbigem Atlas bezogen und in Reliefmalerei altgold verziert.
Sie stehen auf dunkel
lackirtem Holzsockel und
enden oben unter einem
Fries in Lackmalerei;
leichte geraffte Atlas-
draperien bilden den
Nebergang. Ueber die-
sem Fries öffnet sich
das Zimmer zu einer
Wölbung in hellblauem
Grundton mit aufge-
setzten kleinen oder
größeren verstreuten
Sternen. Gin Gitter
bildet den Nebergang,
aus dem in den Gcken
pflanzenumschlungene
eiserne Arme hervor-
ragen, um die Lampen
zu tragen. Die Möbel,
in Hellem Atlas und
Seidenplüsch, weisen
nichts als verstreute
kleine runde Stickereien
aus, die das Wappen
der Besitzerin in japanischer Anordnung zeigen, entsprechend den
japanischen Stoffen, die ähnlich dekorirt sind. Gine schmale Thür
im Hintergründe bildet wieder das geeignete Feld für eine große
in Relief und Bronzemalerei ausgeführte Figur (die altjapanische
Göttin Kuaten mit der Mondscheibe in der Hand, nach einem
alten Kakemono zur Erheiterung getreulich abkonterfeit). Bei dieser
Figur, die in allen Bronzetönen leuchtete, war auch der Versuch

gewagt und geglückt, große farbige Glasedelsteine einzusügen. Die
nicht dargestellte Seite des Zimmers enthielt eine Reihe Möbel
(Schreib- und Nähtisch), bei deren gelungener Konstruktion der
Verfasser sich ganz aus die trefflichen Kunstkräfte der Firma
Martin Kimbel, Breslau, verlassen konnte.

Andere Entwürfe waren: ein in blau und grün gehaltenes

Gartenzimmer, bei dem
besonders das Problem
der Dekorirung der nach
dem Garten führenden
Glaswand interessant
zu lösen war; ein
Vestibül mit vollstän-
diger Matten- und
Bambusverkleidung u.
großen Reliefs; ein
Zimmer mit großen
panneaux auf Seide,
von einander getrennt
durch gefaltete Drape-
rien und Gruppen von
Konsolen fürjapanische
Bronzen und Porzellan,
und einige andere mehr.
Aus den Proben, die
wir heute bringen, läßt
sich jedoch bereits ent-
nehmen, wie die Sache
genreint war: kein echt
japanisches Interieur,
sondern japanische Flä-
chendekoration für unser stilmüdes, nach Lebendigem und Neuem,
Ungezwungenem sich sehnendes Auge. Daß jene erwähnte Relies-
malerei dazutrat, war chronologisch nur ein Zufall, hat aber der
(Originalität und dem Reiz des Ganzen keinen Abbruch gethan.

Es war dies ganze Herstellen von Einrichtungen ein Vor-
dringen auf völlig unbetretenen Pfaden, und brachte natürlich
auch die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens mit sich. Um

sammterscheinung gegeben, andererseits geht der Reiz des schönen
Kontours, auf den man einst in der Blüthezeit der venezianischen
Glas-Industrie so großen Nachdruck gelegt hatte, gänzlich ver-
loren. Und dann noch die vielen kleinen Stillosigkeiten, fast
möchte man sagen Gedankenlosigkeiten, so unbegreiflich erscheinen
uns heute diese Verstöße gegen die ersten und einfachsten Stilgesetze,
hier schief gestellte, durch nichts in dieser Lage gehaltene Muscheln,
dort eine große, breite Riesenschüssel aus dem Rücken eines in
vollster Eile dahin springenden Seepferdes; dann — freilich nur
von der OompuAvia Vsnyrüs, Nurs.no gefertigt — Gläser mit
Imitationen von Spitzen, die an ihren Wandungen kleben und
nicht, so wie sie es nach dem Gesetze der Schwere müßten, glatt
herabhängen und anderes mehr.

Auch die Eisgläser sind noch zu erwähnen, die sich noch
heute großer Beliebtheit zu erfreuen scheinen; doch mischt man
jetzt, wo hier Alles mehr auf eine prunkhafte Wirkung berechnet
ist, allzu viel Goldstaub in die Fugen des zersplitterten und zu-
sammengeklitterten Glases. Bei den Millefioris aber läßt man
es jetzt nicht mehr wie einst bei einem losen Beieinandersein bunter
Farbmassen bewenden, sondern stellt diese zu Mustern, z.B. Blumen,
zusammen, die dann die ganze Wandung des Gefäßes durch-
drungen, eine Neuerung, die, im Grunde genommen, nichts weiter
als ein ziemlich leerer und dabei theuer erkaufter und verkaufter
Triumph der Technik ist.

Von den Gläsern kommt man in Venedig wie von selber
zu den Mosaiken, deren Wiederbelebung ja derselben Kraft

wie die der Hohlglas-Industrie zu verdanken ist. Was hierin
heutzutage geleistet wird, ist allbekannt. So braucht man sich bei
ihrem Lobe nicht weiter aufzuhalten, da auch hier wieder einige
bedauerliche Stilwidrigkeiten zu rügen sind. In dem Streben
nach malerischer Wirkung, die in das monumentale Mosaik schon
seit den Zeiten Tintoretto's eingerissen ist — man vergleiche nur
die nach seinen Entwürfen ausgeführten Mosaiken der Markus-
kirche — vermeidet man hier nicht nur absichtlich die Flächen-
stilisirung, die für diese mit beschränkten Mitteln arbeitende Technik
die allein gültige ist, sondern hält es für etwas Großes, wie es
allein schon die geschmückte Fassade der 6ompsAvis Vsussis
Nursuo ani Osusls Arsuäs zeigt, die doch gewiß als muster-
gültig gelten soll, rein koloristisch gedachte Bilder mit prunkender
Farbenpracht an die Wand zu kleben. In der Kleinkunst des
Mosaiks aber, die bei Schmuckgegenständen ihre reiche Verwendung
findet, versucht man es sogar, das Mosaik zur plastischen Kunst
umzugestalten, indem man die einzelnen Glasstücke nicht eine einzige
Ebene bilden, sondern bald vor-, bald zurückspringen läßt, als
gelte es ein farbiges Hochrelief darzustellen, eine geradezu horrible
Neuerung, welche derartig geschmückte Gegenstände nicht nur zu
reinen Staubfängern macht, sondern auch die Haltbarkeit ihres
Schmuckes aufs Aergste gefährdet, ganz abgesehen davon, daß
die durch diese Künste gewonnene Wirkung eine im höchsten Grade
unschöne und kümmerliche zu nennen ist. (Schluß im nächsten y-fw.)
 
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