Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

DOI Artikel:
Walsch, Ignatz: Antiquitäten als Zimmer-Dekoration
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0213

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Oktober-Heft. Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration. Seite^säs.

Hntiquitäten als^iunner-'dekvration.

von Dgnatz Watsch.

^^WWnsere schnell vorwärts strebende Zeit hat in den letzten
Jahren auf dem Gebiete der Innen-Dekoration eine
solche Fülle neuer Moden geschaffen, daß Derjenige,
welcher sich heute ein trauliches, schönes Heim schaffen will, vor
einer smdurrus äs vlollssss sich befindet. Englisch, Maurisch,
Japanisch vereinen sich mit den zahllosen, modernen Fantasie-
formen zum Kampfe
gegen die hergebrachten
Stile der Renaissance
bis zum Empire, freilich
zu einem Kampfe, der,
das kann Niemandem
zweifelhaft s ein, niemals
zum Siege führen wird.

Der Stil kann keinem
nur einigermaßen ori-
ginell veranlagten Men-
schen aufgezwungen
werden und jene fremden
Stile, so schön und ma-
lerisch sie auch im Effekt,
so bequem sie in der
Form sein mögen, wer-
den niemals tief in das
Volk eindringen können.

Der Deutsche bringt dem
durch Sitte und Alter
Geheiligten ehrfürchtige
Scheu entgegen und ent-
schließt sich schwer, das
Erbe seiner Väter zu
verlassen. Diese Ehr-
furcht vor dem Alter
macht sich ganz beson-
ders auch in der Liebe
für die aus älterer Zeit
auf uns überkommenen
Stücke des Kunsthand-
werks bemerkbar, und manche Patrizierfamilie in Deutschland
tauscht ihre alten Erbmöbel nicht gegen die luxuriöseste Einrich-
tung der Gegenwart. Es ist unbestreitbar, daß diese Liebe zum
alten Kunsthandwerk seine volle Berechtigung hat, und daß viele
uns hinterlassene Arbeiten neben ihrem Werth als „Antiquität"
einen hohen künstlerischen Werth besitzen. Trotzdem aber ist die
richtige Wahl und Vertheilung von Antiquitäten von so wesent-
lichem Interesse für deren Effekt, daß eine eingehendere Behand-
lung dieses Themas wohl angebracht erscheint.

Die Antiquität ist in den meisten Fällen in erster Linie
Aimmerschmuck, in zweiter erst Gebrauchs-Objekt. Man kann
deshalb so manches Geräth als Schmuck verwenden, das in
moderner Ausführung nur einen untergeordneten Platz als Ge-

brauchsgegenstand einnähme, vorausgesetzt, daß Form und Orna-
ment des Gegenstandes wirklich formschön und künstlerisch durch-
geführt sind. So kann z. B. ein altes, zinnernes Salzfaß, eine
alte, reich gestickte Schabracke, ein schöner Schmuck für ein Speise-
resp. Herrenzimmer sein, während es Niemandem einfallen wird,
sich diese Stücke in moderner Ausführung an die Wand zu hängen;
aber es genügt auch nicht, diese antiken Stücke einfach der Reihe
nach aufzustellen, sondern wir müssen, sollen dieselben wirken, die
Antiquitäten mit unseren modernen Zimmer-Einrichtungen ver-
schmelzen und organisch
in dieselben einfügen.

Sehen wir uns ein
wenig um, welche
Zweige der Kunst und
des Kunsthandwerks für
unserThema in Betracht
kommen, so lassen sich
folgende Hauptgruppen
festsetzen:

Möbel, Stoffe (Ge-
wänder), Leder (Buch-
einbände), Gefäße, Waf-
fen,Metallgeräthe, Lack-
arbeiten, Werke der
Plastik und Malerei.

Das Möbel über-
nimmt in der Innen-
Einrichtung stets die
führende Rolle, und so
genügt häufig ein an-
tikes, richtig an der
Hauptwand plazirtes
und durch entsprechende
Dekoration betontes
Möbelstück dem Zimmer
einen bestimmten Ka-
rakter zu verleihen. Es
ist natürlich, daß dieses
antike Stück in der Ge-
sammtwirkung mit dem
übrigen Mobiliar kor-
respondiren muß, aber es ist deshalb keineswegs genaue Ueber-
einstimmung in Stil und Farbe erforderlich. Im Gegentheil,
innerhalb der Grenzen der Harmonie wird eine Abweichung im
Aussehen das Stück stets als den Ehrengast karakterisiren und
interessanter wirken lassen. Aber die Zahl schöner, antiker, gut
erhaltener Möbel ist beschränkt und von dem einst so prächtigen
Stück sind nur noch einige Theile, Friese, Wände, Säulen erhalten
geblieben. Da zeigt sich nun die Geschicklichkeit des Kunstverstän-
digen, der aus dem Vorhandenen Neues zusammenstellt und die
alten Theile in neue Stücke hineinarbeitet. Das einstige kirchliche
Ehorgestühl verwandelt sich in einen Schrank, die Träger des
Altars helfen die Holz-Architektur des Erkers bauen, während
Möbeltheile möglichst für gleichartige Möbel verwendet werden.

Abbildung Nr. 2,9. Fenster-Rundgitter in Schmiedeeisen, von Prof. L. Levy.
 
Annotationen