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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Kirchner, J.: Teppiche als Dekorationsmittel
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0092

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März-Heft.

Seite 6s.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

eppichp als ^Wekorationsmittel.

Line Dekorations-Studie von I. Kirchner.

kls vor genau acht Jahrhunderten die ersten Kreuzritter
nach Gsten gezogen, um der Lhristenheit das gelobte
Land zu erobern, da kehrten sie heim wohl ohne diesen
Zweck erreicht zu haben, aber sie brachten Manches mit aus dem
Lande der Sonnengluth, was für die Kultur des heimischen
Nordens nützlicher wurde, als der Besitz jener Sandwüsten jemals
zu werden vermocht hätte. Zu diesen friedlichen Eroberungen
aus Syriens und Arabiens Ge-
filden zählt auch der Teppich,
und wir mögen füglich staunen
beim Anblick der alten Minia-
turen über die Vielseitigkeit, mit
der unsere Vorfahren dieselben
zu benutzen verstanden und die
wir noch immer nicht wieder
erreicht haben.

Die Kreuzzüge fanden ihr
Ende, die finster asketische Periode
des Spätmittelalters jeder Ver-
weichlichung und Sinnenfreudig-
keit abhold, trat ihre Herrschaft
an, die hohen, luftigen Frauen-
gemächer wandelten sich in die
engen, niedrigen Kemenaten, die
keinen Raum mehr boten zur
Anbringung jener prächtigen
Draperien mit den buntgestickten
Figuren, Fabelthieren und Pflan-
zenornamenten, die sich im er-
erbten Hausrath befanden; die
Steinfliesen des Estrichs waren
dem Bretterbelage gewichen und
die derb gewordene Beschulung
that ein Uebriges der weichen,
wolligen Fußbodenbedeckung im
Allgemeinen ein Ende zu be-
reiten. Nur ganz besondere An-
lässe, Kirchenfeste u. dgl. ließen
vorübergehend die alte Herrlich-
keit ab und zu auftauchen. Da
kam die Renaissance mit ihrer
Freude an Glanz und Farbe, die
katholische Kirche, um der nüch-
ternen Reformation ein Paroli
zu bieten, gab ihrem zeremonien-
reichen Kult ein möglichst hei-
teres, in Farben schwelgendes
Gepräge, und Draperie und
Teppich feierten die Wiedergeburt
ihrer vermehrten Verwendung.

Allein die keineswegs glücklichen Kriege mit dem Grient hemmten
das Eindringen dieses Dekorationsmittels in die Allgemeinheit,
nur die besonders Bevorzugten konnten sich diesen Luxus gestatten,
und am ausgiebigsten thaten dies die stolzen Nobilis der meer-
beherrschenden Republiken Genua und Venedig. Doch über die
Alpen herüber fand dieses wundervolle Dekorationsobjekt nur in
spärlicher Zahl seinen Weg und der Verfall der alten Handels-
straßen verlegte ihm endlich gänzlich die Wege. Die Teppich-
wirkerei hatte allerdings festen Fuß gefaßt in Europa, allein sie
produzirte fast nur den für den Mittelstand unerschwinglich theuren
Gobelin als herrlichen Wandschmuck, für den, der diesen sich
nicht zu leisten vermochte, schuf die Industrie die — Tapete. So

Abbildung Nummer SSZ. Thür>

finden wir denn durch die ganze Stilperiode des Barock, Rokoko,
Zopf und Empire den Teppich und die Draperie gleichsam nur
als exotische Gäste im zivilisirten Westen. Erst mit dem wieder-
angeknüpften und seither zu ungeahnter Höhe gediehenen Verkehr
mit dem Orient brach auch der Teppich als Interieurschmuck
sich wieder siegreich Bahn.

Das Hauptverdienst an dieser Wandlung gebührt der fran-
zösischen Kunst. Die Eroberung von Algier, die Kämpfe mit
den Kabylen, mit Tunis und Tripolis lockten eine Anzahl Künstler
als Kriegs-Illustratoren nach den Nordküsten Afrikas und diese

brachten als Nebenbeute Tep-
piche und Stoffe in die Heimath,
die sie als wirksame Atelier-
Dekoration verwertheten. Noch
intensiver in gleicher Richtung
waren die bildlichen Darstellungen
Horschelts aus den Kämpfen im
Kaukasus, Gustav Richters und
Hildebrands Genre-, Landschafts-
und Architekturbilder aus dem
Orient und die Ausstellung
ihrer erworbenen Schätze in der
Heimath. Von dieser Zeit ab
datirt die immer stärkere Auf-
nahme des Teppichs als Dekora-
tionsmittel in unsere Wohnungen,
aber noch stehen seiner allge-
meineren Verbreitung eine erkleck-
liche Anzahl Vorurtheile gegen-
über. Eines der eingefressensten
und am schwersten zu überwin-
denden ist die Annahme, daß
Teppiche und Draperien die aus-
gewähltesten Staubfänger und
Mottenherbergen sind. Nun,
diese Vorwürfe treffen nicht
mehr zu, als bei irgend
dem nächstbesten Polstermöbel
u. dgl.; rationelle Reinigung in
nicht allzulangen Aeitabständen
ist ein treffliches Mittel dagegen
und die fleißige Lüftung der
Räume rückt diese Perioden weit
auseinander. Ein Umstand, der
dem Umsichgreifen der vorer-
wähnten Uebelstände starken Vor-
schub leistet, ist die Verwendung
minderwerthiger, billigerer Sorten
oder Surrogate. In diesem Falle
klagen unsere Hausfrauen mit
Dekoration, von Rob. Vrsans. Recht über das Festsetzen des

Schmutzes und die geringe Halt-
barkeit der Objekte. — Ein
weiterer, und ich möchte fast nach den gemachten Erfahrungen
behaupten, der intensivst wirkende Uebelstand hat seine Ursache in
der hier gang und gäben Befestigungsmanier. Der gesammte
Orient, der doch gewiß von Niemand, der jemals seinen Fuß
auf dessen Boden setzte, als ein Muster der Salubrität aufgestellt
werden kann, kennt keine solch unpraktische Art der Befestigung,
wie sie bei uns üblich ist. Unsere Dekorateure haben eine wahre
Manie, nach ihrer Meinung ungeheuer künstlerische Faltenwürfe
zu arrangiren und damit diese eingebildeten Meisterstücke ja nicht
mehr in Unordnung gerathen können, werden sie mit einer Unzahl
Nägel, mit Leisten und Spangen förmlich an die Wand oder das
betreffende Möbelstück vernietet. Muß dann die fragliche Draperie
 
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