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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 1
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Friedländer, Max J.: Original und Reproduktion
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0027

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ORIGINAL UND REPRODUKTION

VON

MAX J. FRIED LÄNDER

Die Technik hat sichtbare und handgreifliche
Fortschritte gemacht. Nun wird von ihr
alles erwartet. Politisierende Optimisten glauben,
mit Hilfe der Technik dem Volke — wie andere
Segnungen — auch Kunst zuführen zu können. Sie
denken so: in der bürgerlichen Gesellschaft wird
das Kunstwerk als Privateigentum übermäßig hoch
bewertet und als ein Unikum der Menge ver-
borgen gehalten. Die photomechanischen Verfah-
ren gestatten jetzt, es zu vervielfältigen und allen
zu schenken. Es sei so weit, daß die Reproduktion
dasselbe leiste wie das Original, dessen in der
kapitalistischen Wirtschaftsordnung häßlich empor-
getriebener Geldwert dahinzuschwinden habe. So-
gar die Kopie und die Fälschung sollen helfen,
das Kunstwerk vom Fluch des Goldes zu erlösen.
Wie jedermann seinen „Schiller«, solle künftig

jedermann auch seinen „Rembrandt" im Hause
haben.

Die Prämissen dieser gedanklichen Konstruktion
stimmen nicht, und die Erfahrung der letzten Jahr-
zehnte läßt durchaus nicht erkennen, daß die Ent-
wicklung sich in der angedeuteten Richtung be-
wegen werde.

Innerhalb der bürgerlichen Gesellschartsordnung
ist, was die Kunst betrifft, kräftig sozialisiert wor-
den. In Deutschland ist bereits der größte und
beste Teil des Kunstbesitzes Allgemeingut und in
den Museen leicht zugänglich. Die Pforten stehen
offen. Es ist nicht so, daß dem Volke die Kunst
fehlt, vielmehr fehlt der Kunst das Volk. Ja, meint
der Pädagoge, das Bedürfnis müsse geschaffen wer-
den. Es mangelt nicht an Bemühungen aller Art,
den Kunstsinn zu lehren und auszubreiten. Die

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