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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 12
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Meier-Graefe, Julius: Die Büste der Königin Nofretete
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0503

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DIE BÜSTE DER KONIGIN NOFRETETE

VON

J. MEIER-GRAEFE

\ ls vor einigen Monaten von dem Umtausch der
Nofretete im Berliner Museum gegen den Ra-
nofer in Kairo die Rede war, hatte jeder, der den
Ranofer kannte, einige Mühe, die Tauschlust der
Ägypter zu begreifen. Immerhin paßte sie zu anderen
am Nil verübten Dummheiten, die uns keinen Nutzen
gebracht haben, und deshalb rieb man sich vergnügt
die Hände. Jetzt ist etwas noch weniger Verständ-
liches geschehen. Berlin hat den Ranofer nicht an-
genommen. Die Ablehnung soll noch nicht end-
gültig sein; Gelegenheit zu einem Kniefall, wüßte
man nur, vor wem. Die Fachleute waren anscheinend
dafür. James Simon, der Stifter der Köpfe von Amar-
na, hatte nichts dagegen. Da brach plötzlich der Sturm
aus. Leute, die sich nie um Ägypten gekümmert
hatten, ereiferten sich jählings, baten, beschworen
den Minister, drohten dem Direktor. Man konnte
glauben, es handle sich um Richard Wagner oder
Böcklin oder noch was Höheres: unsere Königin.

Die Gemahlin des Amenophis ist für die Kairoer
Kunstbehörde, deren Leitung in französischen Hän-
den liegt, eine entführte Helena. Als Paris gilt
Borchardt, ein um das Berliner Museum und die
Forschung sehr verdienter Gelehrter, bis vor
kurzem Direktor des Deutschen Instituts in Kairo.
Ägypten verdankt ihm die Ausgrabung bedeu-
tender im Lande gebliebener Schätze, zumal einiger
Bauten, die zu den schönsten des Alten Reichs
gehören. Das Museum in Kairo besitzt die wich-
tigsten Werke aller Zeiten, nur nicht aus Amarna,
der Residenz des Amenophis. Berlin ist überreich
an Amarna-Köpfen. Wenn Kairo die Lücke er-
gänzen wollte, konnte es nur mit unserer Hilfe ge-
schehen. Was hat Berlin abgehalten? — Natür-
lich vor allem die heftige Popularität der Büste.
Daran dürfe man, sagte mir ein Freund des Museums,
nicht rühren, und als ich ihn unwillkürlich ein biß-
chen komisch ansah, meinte er, es stecke auch noch

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