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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 12
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Gemälde und Skulpturen der Sammlung Figdor
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Sammlung Han Coray, Erlenbach
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Die Sammlung von Heyi
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0544

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Unter den südniederländischen Werken nennen wir noch
das kleine Triptychon des Meisters der weiblichen Halb-
figuren, eine Madonna im Rosenhag von einem Brügger
Meister um 1500, und die zwei Köpfe klagender Frauen aus
einer Beweinung von Massys, in Tempera auf Papier gemalt
und als die einzigen ausgeführten Studienköpfe der alt-
niederländischen Malerei zu werten. Sie stehen in innigem
Zusammenhang mit dem Antwerpener Flügelaltar von 1508.
Das wichtigste Stück der Spätzeit ist der Flügel des in
Schwerin, Budapest u. a. verstreuten großen Altarwerks des
Meisters der Magdalenen^egende.

Unter den deutschen Schulen ist zahlenmäßig die ober-
deutsche und österreichische am stärksten vertreten. Ein
köstliches Beispiel der frühen oberrheinischen Malerei ist
eine innig-zarte Madonna mit Kind, um 1430, der sich der
heilige Georg um 1460 und eine niederländische Einflüsse ver-
arbeitende, stilistisch dem Meister E S nahestehende Tafel
mit dem Martyrium der Ursula anschließen. Von den beiden
Werken des Österreichers Rueland Frueauf ist das kernige
Bildnis eines Mannes in den Besitz der Wiener Museen
übergegangen, während der großartig monumentale, farbig
äußerst eindrucksvolle Hieronymus zur Versteigerung gelangt.
Der erst in den letzten Jahren in seiner künstlerischen Be-
deutung voll erkannte Jörg Ratgeb ist mit zwei bekannten
Frühwerken um 1500—1510, dem Abendmahl und einem
als Flügel desselben Altars dienenden Passahmahl, vertreten.
Von den Bildnissen ist das bedeutendste Werk ein nach der
Jahrhundertwende zu datierender Männerkopf, in dem Baldaß
die Hand des Hans Leonhard Schäufelein erblicken möchte,
während wir mit Buchner darin ein Werk Dürers zu er-
kennen glauben. Bernhard Strigel ist durch zwei Bildnisse
des Kaisers Maximilian von 1504 und 1515, einem Männer-
porträt und dem Bilde der Maria von Burgund, Cranach mit
einer Lukretia und einem Mädchenbildnis vertreten.

*

Beinahe unübersehbar ist die Zahl der plastischen Werke,
obgleich Hauptstücke wie die Kreuztragung des Lorcher
Meisters oder ganze Gruppen wie die berühmte Bronzen-
sammlung auf dieser Versteigerung noch nicht zum Ausgebot
kommen. Hier muß eine summarische Übersicht unter
Herausgreifung weniger Einzelstücke genügen. Von den
italienischen Renaissancewerken nennen wir den festlichen
Spiegelrahmen von Luca della Robbia, Stuckreliefmadonnen
von Antonio Rossellino und Benedetto da Majano, die aus-
gezeichnete Frauenbüste von Desiderio da Settignano und
ein einzigartiges Werk wie die ausdrucksstarke, rhythmisch
gespannte Halbfigur eines Sebastian von Andrea Riccio. Einem
so seltenen Stück wie der prachtvoll erhaltenen, geschnitzten
norditalienischen Laute des ausgehenden vierzehnten Jahr-
hunderts hat der Norden die brabantische, aus dem Beguinen-
kloster in Löwen stammende „Jesuswiege" (um 1450) ent-
gegenzustellen, deren reiner Erhaltungszustand kaum zu über-
treffen ist. Unter den gotischen Holzskulpturen ist besonders
Tirol mit qualitätvollen Werken vertreten. Es braucht hier
nur an den Heiligen Georg um 1380, den dem Meister von
Kefermarkt nahestehenden Stephanus (um 1490) oder die
knieende Maria aus einer Geburt Christi von einem Brixener
Meister (Hans Klocker?) erinnert zu werden. Zwei Männer-

büsten erfordern namentliche Erwähnung: der lebendige,
individualisierte Jünglingskopf eines Niederländers vom Ende
des fünfzehnten Jahrhunderts und die männliche Halbfigur
Adolf Dauchers aus dem 1518 geweihten Chorgestühl der
Fuggerkapelle in St. Anna in Augsburg, dessen fünfzehn
übrige Teile sich im Deutschen Museum in Berlin befinden.
Die mittelalterlichen Bronzen umfassen Weihrauchgefäße,
Türbeschläge und Leuchter, daneben Glocken des fünfzehnten
und sechzehnten Jahrhunderts, Mörser und Kästchen. Bekannt
sind Hauptwerke wie der deutsche Drachenleuchter des drei-
zehnten Jahrhunderts oder das um 1400 zu datierende Aqua-
manile in Gestalt eines Löwenbändigers (Simson).

An Reichtum und Vielfalt läßt diese zweite Versteigerung
Figdor die erste in den Hintergrund treten. Hier wird der
Extrakt der Gesamtschöpfung geboten, der in seiner Ein-
dringlichkeit nochmals einen Einblick in das Wirken dieses
großen Sammlers gewährt. Werner R. Deusch

SAMMLUNG HAN CORAY, ERLENBACH
T~\ie Sammlung Han Coray aus Erlenbach-Zürich, die am
1. Oktober durch A. Wertheim in Berlin zur Versteigerung
gelangt, umfaßt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Werke
der frühitalienischen und altniederländischen Schulen, während
die späteren Niederländer bereits vor einigen Jahren in Luzern
auf den Markt kamen. Wir finden eine große Anzahl früher
Werke, die heute im Handel ziemlich selten geworden sind,
so unter den Italienern die Madonna von Giovanni Pratese,
eine Predellentafel mit den Brustbildern der Apostel von
Alegretto Nuzi, einen Altarflügel mit musizierenden Engeln
vom Maestro del Bambino Vispo, Madonnen von Neri di Bicci,
Defendente Ferrari u. a. Die Hochrenaissance wird durch eine
Reihe von Bildnissen repräsentiert: von Bronzino ein Porträt
der Bianca Maria Capello, von Tizian ein Dogenbildnis,
weitere Porträts von Vittorio Bellinianus, Tintoretto, Lorenzo
Lotto und Pordenone. Unter den frühen Niederländern seien
eine Version der „Madonna in der Apsis" vom Meister von
Flemalle, Altartafeln von den Meistern der Barbaralegende
und des Morrisonaltars, eine gut erhaltene betende Maria von
Joos van Cleve und das Männerbildnis von Jan Stephan von
Calcar genannt, unter den deutschen Gemälden derselben
Epoche eine Anbetung der Könige von Jan Pollak, das Bild-
nis der Katharina Merian von Hans Brosamer (ehemals Sig-
maringer Sammlung) und ein männliches Porträt von Amberger.

D.

DIE SAMMLUNG VON HEYE
Die bedeutende Privatsammlung des verstorbenen Barons
Maximilian von Heyl in Darmstadt, die der Öffentlichkeit
bisher nur durch die dem Darmstädter Landesmuseum ge-
stifteten Gemälde und Zeichnungen Böcklins bekannt war,
wird Ende Oktober bei Hugo Helbing in München zur Ver-
steigerung gelangen. Die Sammlung umfaßt altes Kunst-
gewerbe, Möbel, Gobelins, Stoffe und Orientteppiche, Ge-
mälde alter und neuerer Meister und eine wertvolle Abteilung
von Werken der antiken Kunst (Skulpturen und Gefäße)
und wird vor ihrer Auflösung im September im Darmstädter
Landesmuseum zur Ausstellung gelangen. Gr.

ACHTUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, ZWÖLFTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 17. AUGUST, AUSGABE AM 1. SEPTEMBER
NEUNZEHNHUNDERTDREISSIG. FÜR DIE REDAKTION VERANTWORTLICH: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON
BRUNO CASSIRER, BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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