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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 9
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Basler, Adolphe: Modigliani
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0379

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MODIGLIANI

VON

ADOLPHE BASLER

Tch habe Amadeo Modigliani im Jahre 1907 kennen
gelernt. Er war ein sehr schöner junger Mann,
von jener männlichen Schönheit, die man in Bel-
linis Bildnissen bewundert. Kürzlich aus Livorno,
seiner Heimatstadt, angekommen, hatte er sich auf
der Butte Montmartre niedergelassen, wo er sehr
rasch populär wurde. Man sah ihn bald bei Frede,
im Lapin agile, bald auf der Place Ravignan in
der Gesellschaft von Picasso, Max Jacob und
anderen Bewohnern oder Besuchern dieser Stätten.

Zu jener Zeit hatte Modigliani noch wenig
Geltung. Die Fauves triumphierten mit Matisse,
und der Kubismus war im Begriffe, mit Picasso
und Braque alles zu absorbieren und Derain der
Abgeschiedenheit zu überlassen. Modigliani zeich-
nete sich immer nur durch seine Allüren eines
schönen und geistreichen jungen Mannes aus, der
den Frauen sehr gefiel. Als Mann von Geist liebte
er mit geistreichen Leuten zu verkehren, doch
trank er bereits und sachte raffinierte Genüsse im
Haschisch, das man sich, wie so viele andere

Rauschgifte, leicht genug auf dem Montmartre
verschaffen konnte. Als Maler ragte er unter den
„Independants" kaum hervor, wo er, wenn ich
mich nicht irre, im Jahre 1909 einige Bilder aus-
stellte, die sicherlich mehr Intelligenz als Persön-
lichkeit bewiesen. Im selben Saale hingen die
Malereien von Delaunay und Le Fauconnier neben
einem großen Bilde von Henri Rousseau. Aber
der Staatsanwaltsgehilfe Granie bemerkte dennoch
die Modiglianis. Welch eine sonderbare Figur
dieser Granie, der spätere Oberstaatsanwalt in Tou-
louse! Die junge Malerei hat wohl keinen leiden-
schaftlicheren Verteidiger gehabt als diesen Juristen.

Später wanderte Modigliani ins Montparnasse-,
oder genauer ins Vaugirardviertel aus. Ich sah
ihn dort in ein Atelier der Cite Falguieres ein-
genistet, Tür an Tür mit dem ungarischen Fauve-
maler Czobel. Die beiden Nachbarn liebten sich
übrigens nicht besonders. Modigliani schien die
Malerei aufzugeben. Die Negerplastik lockte und
Picassos Kunst quälte ihn. Es war zu dem Zeit-

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