Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0322
DOI Heft:
Heft 7
DOI Artikel:Kunstausstellungen
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0322
GEORG KOLBE, KNIENDE. 1930. BRONZE
AUSGESTELLT IN DER GALERIE A. FLECHTHEIM, BERLIN
m UNSTAUSSTELLUNGEN
K°
GEORG KOLBE
ZUR AUSSTELLUNG IN DER
GALERIE FLECHTHEIM
"olbe stellt sich dieses Mal in wich-
tigen Nuancen anders dar als sonst:
in den neuen Plastiken spürt man eine
dem Künstler sonst fremde Wehmut. Der Betrachter errät
mitfühlend die Ursache. Werke wie die „Nacht", wie die
„Fliegende", wie der „Einsame", aber auch andere, möchten,
so scheint es, einen bitteren Verlust durch dessen künst-
lerische Gestaltung überwinden und zugleich verewigen. Der
weibliche „Genius", in dessen Licht das Schaffen Kolbes
immer stand, erscheint jetzt als Göttin der Trauer. So
kommt es, daß diese Ausstellung menschlich stark berührt.
Diese Stimmung wird dann aber merkwürdig durch-
kreuzt, weil Kolbes Talent im Grunde nicht geschaffen ist,
Seelisches und vor allem nicht Melancholisches plastisch
auszuprägen. Zur Begabung Kolbes gehört die heitere, un-
beschwerte Form, die nichts sein will als lebensvolle Form.
Wenn sie mit Gedanken, mit seelischen Erfahrungen be-
lastet wird, so gerät sie mit sich selbst in einen leisen
Konflikt. Die Gestalten, die aus Kolbes Werkstatt hervor-
gehen, weisen alle auf Stellungen und Stellungsprobleme
der nackten menschlichen Gestalt zurück, die die Plastik
schon seit Jahrhunderten beschäftigen. Diesen bewährten
Körperkanon mit neuer Bewegung zu erfüllen, ihn in einer
eigenen Weise lebendig zu machen: das ist Kolbes Be-
gabung, das gibt seiner Kunst den Rang. Er versteht das
akademisch Gewohnte tänzerisch zu machen, er versteht es
298
AUSGESTELLT IN DER GALERIE A. FLECHTHEIM, BERLIN
m UNSTAUSSTELLUNGEN
K°
GEORG KOLBE
ZUR AUSSTELLUNG IN DER
GALERIE FLECHTHEIM
"olbe stellt sich dieses Mal in wich-
tigen Nuancen anders dar als sonst:
in den neuen Plastiken spürt man eine
dem Künstler sonst fremde Wehmut. Der Betrachter errät
mitfühlend die Ursache. Werke wie die „Nacht", wie die
„Fliegende", wie der „Einsame", aber auch andere, möchten,
so scheint es, einen bitteren Verlust durch dessen künst-
lerische Gestaltung überwinden und zugleich verewigen. Der
weibliche „Genius", in dessen Licht das Schaffen Kolbes
immer stand, erscheint jetzt als Göttin der Trauer. So
kommt es, daß diese Ausstellung menschlich stark berührt.
Diese Stimmung wird dann aber merkwürdig durch-
kreuzt, weil Kolbes Talent im Grunde nicht geschaffen ist,
Seelisches und vor allem nicht Melancholisches plastisch
auszuprägen. Zur Begabung Kolbes gehört die heitere, un-
beschwerte Form, die nichts sein will als lebensvolle Form.
Wenn sie mit Gedanken, mit seelischen Erfahrungen be-
lastet wird, so gerät sie mit sich selbst in einen leisen
Konflikt. Die Gestalten, die aus Kolbes Werkstatt hervor-
gehen, weisen alle auf Stellungen und Stellungsprobleme
der nackten menschlichen Gestalt zurück, die die Plastik
schon seit Jahrhunderten beschäftigen. Diesen bewährten
Körperkanon mit neuer Bewegung zu erfüllen, ihn in einer
eigenen Weise lebendig zu machen: das ist Kolbes Be-
gabung, das gibt seiner Kunst den Rang. Er versteht das
akademisch Gewohnte tänzerisch zu machen, er versteht es
298