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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 6
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Scheffler, Karl: Liebermann- und Slevogt-Premiere: im Verlag Bruno Cassirer
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Post, Hermann: Neues aus Amerika
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0276

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hingeschriebenen Bildnis Adlons als Don Juan und in den
breit, sicher und flüssig gemalten Hühnern. Mit den Bild-
nissen Professor Dessoirs und Doktor Friedmanns nähert
Slevogt sich bewußt Liebermann. Wobei eine kühne, Zu-
dringliche Kraft in dem Porträt Dr. Friedmanns unnachahm-
lich anmutet. Slevogts Kunst hat einen schnellen Puls, sie
hat eine eigene Brillanz und die Fälligkeit, den Betrachter
freudig zu erregen.

Das zarte, kluge Barock der Kolbeschen Bronzen mit
ihrem reichen Flächenleben paßt gut zu den Bildern der
beiden Meister. Das Plastische ist bei Kolbe malerisch be-
einflußt; doch ist alles malerische Empfinden auch wieder
in reine plastische Form verwandelt.

Manets „Rue de Berne" ist herrlich. Es ist ein spätes
Bild, offenbar vom Fenster oder Balkon aus gemalt, schnell,
spontan und ganz Inspiration. Auch hier wird man irgend-

wie an Claude Monet, dem Unterschätzten, erinnert. Es ist
so, wie George Moore einmal angemerkt hat: Monet begann
unter dem Einfluß Manets, und Manet hörte auf unter dem
Einfluß von Monet. Das Eiltempo dieses vor der Natur voll-
endeten Bildes ist hinreißend. Das Ganze ist eine Symphonie
in Fahnen-Rot. Erregte Pinselhiebe geben überzeugend die
Raumgasse der reich beflaggten Straße mit dem zarten Baum-
grün im Hintergrund, die Menschen, die Karren und im
Vordergrund die Equipage. Dieses Stück Vordergrund hat
selbst Lautrec nicht so überzeugend zu geben vermocht.
Welche Phantasie vor der Natur ist hier entwickelt, und
welche Kraft der Übertragung!

Dieses Bild einer festlich geschmückten Pariser Straße
ist wie ein Sinnbild der Kunsrgesinnung, die in dieser an-
spruchslosen, aber bedeutenden Ausstellung herrscht: in dieser
Malerei, über dieser Kunst wehen Fahnen. K. Sch.

NEUES AUS AMERIKA

Tn den Wildenstein Galleries fand im Januar eine Aus-
Stellung von Stilleben „von Chardin bis zu den Abstrakten"
statt: 31 Bilder, nur von Franzosen.

Frau Harry Payne Whitney, die bisher in ihrem Kunst-
salon Ausstellungen jüngerer Künstler veranstaltete, gibt
bekannt, daß sie ein ausschließlich der amerikanischen
Kunst gewidmetes Museum gründen will.

Boston beabsichtigt die Gründung eines Museums für
moderne Kunst, ähnlich dem eben jetzt in New York er-
öffneten.

Das Cincinnati Museum of fine Ans ist wieder eröffnet
worden, nachdem drei neue Flügel angebaut worden sind.
Die Erweiterung erfolgte auf Grund eines 1828 zustande
gekommenen Fundus in Höhe von vier Millionen Dollars.
Die neuen Flügel dienen im wesentlichen der Aufnahme
zweier Sammlungen: der Sammlung der verstorbenen Mary
M. Eery und der von Frau Mary Hanna. Die erste Samm-
lung enthält Werke alter Meister, die zweite mehr solche
von Malern des neunzehnten Jahrhunderts. Andere Leih-
gaben kommen hinzu. — Auch das Baltimore Museum of
Art hat kürzlich einen Neubau bezogen. Es liegt auf der
Hand, daß diese rege Museumstätigkeit und Sammelfreude
eine starke Nachfrage im Gefolge haben muß und daß
sie weiterhin auf die Preise einwirken wird.

Das Museum of Modern Art bot als dritte Ausstellung
„Painting in Paris". Es waren 99 Bilder, darunter sieben
von Bonnard, fünf von Braque, zehn von Derain, elf von
Matisse, vierzehn von Picasso, fünf von Rouault usw. Die
Ausstellung war wieder so besucht, daß es schwer war, an
die Bilder heranzukommen. Alle Bilder sind aus amerika-
nischen Privatsammlungen.

Aus Amerika sind zu der italienischen Ausstellung der
Royal Academy, London, über die in diesem lieft ausführ-
lich berichtet wird, 32 Bilder beigesteuert worden. Eines ist
hier abgebildet. Diese Werke stellen aber nur einen kleinen
Teil des amerikanischen Besitzes an alten Italienern dar.
Im Frühling erscheint eine Veröffentlichung, worin 450
Meisterwerke italienischer Kunst enthalten sein werden, die

Venturi in amerikanischen Sammlungen gesehen und für
echt erklärt hat. Das Buch wird in 375 Exemplaren er-
scheinen.

Zwei Bildnisse von Reaburn, die Herzogin von Gordon
und ihre Tochter Lady Jean darstellend, sind von der New
Yorker Firma P. Jackson Higgs erworben worden. Die Bil-
der befanden sich bis vor kurzem im Besitz der direkten
Nachkommen der Dargestellten.

Der sogenannte „Red Boy" von Thomas Lawrence, das
dem Earl of Durham gehört, soll durch eine amerikanische
Firma verkauft werden. Wie man hört, hofft der Earl eine
Summe von einer Million Dollars zu erzielen, nachdem er
einen Preis von 150000 Pfund Sterling abgeschlagen haben
soll. — Auch wird mitgeteilt, daß Bilder und Bücher aus der
Sammlung des Herzogs von Richmond and Gordon verkaufr
werden sollen.

Mr. Agnew erläßt die Mitteilung, daß Pierpont Morgan
von der amerikanischen Filiale der Firma Thomas Agnew
& Sons ein Bildnis Tintorettos, einen maurischen Gesandten
darstellend, erworben hat. Das Bild ist 40: 35 Zoll groß
und soll — nach den „Art News" — 80000 Dollars ge-
kostet haben.

Im Brooklyner Museum wurden Bilder lebender belgischer
Maler gezeigt. Laermans, Ensor, Masereel usw. Die Auf-
nahme war nicht begeistert, aber doch wärmer als im Vor-
jahre gelegentlich der Münchner Ausstellung im selben Mu-
seum. Bilder lebender Engländer sah man bei Agnew and
Son. Die Ausstellung deutscher Graphik im Detroit Institute
of Arts war gut besucht, auch wurde manches verkauft.

Matisse weilt zur Zeit in New York und wird in der Jury
der nächsten Ausstellung des Carnegie-Instituts mitwirken.

In den Reinhard Galleries findet eine Ausstellung „Picasso-
Derain" statt. Es wird immer schwerer, die deutschen Künst-
ler einzuführen bei dieser Überschwemmung mit jüngeren
Franzosen. Der amerikanische Käufer gewöhnt sich immer
mehr, seinen Maßstab von der französischen Kunst bestimmen
zu lassen.

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